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28. Oktober 2017
Anfechtung der Erbschaftsannahme: Der Irrtum über die Nachlassüberschuldung ist ein berechtigter Anfechtungsgrund

Die Entscheidung, ob es sich finanziell lohnt, eine Erbschaft anzunehmen, kann häufig schwierig zu treffen sein. Denn nicht immer ist ohne weiteres ersichtlich, ob der Nachlass überschuldet ist. Doch auch nach Verstreichen der sechswöchigen Ausschlagungsfrist kann die Annahme der Erbschaft in Ausnahmefällen angefochten werden.

 

Eine Frau verstarb ohne Testament, so dass aufgrund der gesetzlichen Erbfolge ihr Ehemann und ihre beiden Geschwister als Erben berufen waren. Die Schwester schlug die Erbschaft aus, der Bruder ließ hingegen die Ausschlagungsfrist verstreichen. Als er als Erbe eine Krankenhausrechnung für die Behandlung seiner Schwester bekam, erklärte er dann aber die Anfechtung seiner Erbschaftsannahme wegen eines Irrtums. Er trug vor, nicht gewusst zu haben, dass der Nachlass überschuldet war. Dagegen wehrte sich der Witwer der Erblasserin vor Gericht.

Das Gericht entschied jedoch, dass die Anfechtung wirksam war. Der Bruder der Verstorbenen hatte falsche Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, die zu dem Irrtum über die Überschuldung geführt hatten. Er wusste nämlich, dass die Erblasserin ein Jahr vor ihrem Tod eine Abfindung von ca. 100.000 EUR erhalten hatte. Ihm lag zudem ein Kontoauszug vor, der einige Monate vor dem Tod ein Kontoguthaben von ca. 60.000 EUR aufwies. Aufgrund dieser konkreten Anhaltspunkte durfte er davon ausgehen, dass der Nachlass nicht überschuldet war.

Hinweis: Sowohl die Annahme als auch die Ausschlagung einer Erbschaft können angefochten werden. Ein Anfechtungsgrund ist gegeben, wenn der Erbe über die Zusammensetzung des Nachlasses als Ganzes irrt – also etwa nicht wusste, dass bestimmte Verbindlichkeiten bestehen. Fehlvorstellungen über den Wert einzelner Nachlassgegenstände oder Berechnungsfehler bei Schulden und Guthaben könnten hingegen keine Anfechtung rechtfertigen. Zu beachten ist dabei auch, dass die Anfechtung innerhalb von sechs Wochen erklärt werden muss, nachdem der Erbe von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 15.05.2017 – 2 Wx 109/17

Thema: Erbrecht