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8. März 2023
Anfechtung wegen Irrtums: Entfällt grundlegende Voraussetzung für die Erbenstellung, kann gegen Testament vorgegangen werden

Ein Testament kann unter bestimmten Umständen angefochten werden, wenn sich der Erblasser beispielsweise über den Inhalt seiner Erklärung geirrt hat oder angenommen werden kann, dass er die Erklärung bei Kenntnis sämtlicher Umstände in der Form nicht abgegeben hätte. Eine Anfechtung ist aber auch möglich, wenn der Erblasser bei Erstellung der Verfügung eine bestimmte Erwartung an den Eintritt eines Umstands hatte, der dann aber nicht eingetreten ist. Mit einem solchen Fall hatte sich das Landgericht Wuppertal (LG) zu beschäftigen.

Die Erblasserin hatte ein handschriftliches Testament aufgesetzt, in dem sie ihren Sohn zum Alleinerben eingesetzt hatte und die Tochter auf den Pflichtteil beschränkte. In dem Testament kam deutlich zum Ausdruck, dass es der Erblasserin bei Abfassung der Verfügung darum ging, eine in ihrem Eigentum stehende Immobilie im Familienbesitz zu erhalten. Die Begrenzung der Tochter auf den Pflichtteil solle ausdrücklich keine Bestrafung der Tochter sein. Sie ging davon aus, dass nur die von ihr gewählte Erbeinsetzung dazu führen könne, dass das Haus in der Familie verbleibe. In der Folge zahlte der Bruder seiner enterbten Schwester den ihr zustehenden Pflichtteil aus und verkaufte kurze Zeit darauf die Immobilie an einen Dritten. Daraufhin erklärte die Schwester die Anfechtung des Testaments – und dies erfolgreich.

Das LG kam zum Ergebnis, dass die Erblasserin mit der Abfassung des Testaments deutlich gemacht habe, dass sie die Erbeinsetzung mit dem Umstand verbinde, dass das Haus in der Familie verbleibe. Dieser Umstand ist aber gerade nicht eingetreten. Das LG hat damit festgestellt, dass beide Kinder Miterben nach der verstorbenen Mutter geworden sind, womit auch die Grundlage für die Pflichtteilsvereinbarung hinfällig geworden war.

Hinweis: Die Anfechtung muss innerhalb eines Jahres erfolgen. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem der Berechtigte Kenntnis von dem Anfechtungsgrund erhalten hat.

Quelle: LG Wuppertal, Urt. v. 05.12.2022 – 2 O 317/21