Arbeitsschutzrechtlich angemessen: Schutz- und Hygienekonzept kann einseitige Corona-Testpflicht von Arbeitnehmern rechtfertigen
Lange wurde darüber spekuliert, ob Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zu Corona-Tests im Betrieb verpflichten dürfen. Da es sich hierbei um eine grundlegende Entscheidung im Arbeitsrecht handelt, verwundert es nicht, dass diese Frage bis vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) ging. Lesen Sie hier, wie es nun entschieden und sein Urteil begründet hat.
Eine Flötistin war an der Bayerischen Staatsoper beschäftigt. Zu Beginn der Spielzeit 2020/21 hat die Bayerische Staatsoper zum Schutz der Mitarbeiter vor COVID-19-Erkrankungen bereits bauliche und organisatorische Maßnahmen ergriffen. Zudem hatte sie ein betriebliches Hygienekonzept entwickelt. Vorgesehen war die Verpflichtung zur Durchführung von PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen. Als Orchestermusikerin sollte die Arbeitnehmerin zunächst wie alle Mitarbeiter zu Beginn der Spielzeit einen negativen PCR-Test vorlegen und in der Folge weitere PCR-Tests im Abstand von ein bis drei Wochen vornehmen lassen. Die Bayerische Staatsoper bot hierfür kostenlose PCR-Tests an – alternativ konnten die Mitarbeiter PCR-Testbefunde eines von ihnen selbst ausgewählten Anbieters vorlegen. Der Flötistin wurde mitgeteilt, dass sie ohne Testung nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen könne.
Trotzdem weigerte sie sich, entsprechende Tests durchführen zu lassen. Sie meinte, die Tests seien zu ungenau und ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit. Zudem seien anlasslose Massentests unzulässig. Daraufhin zahlte der Freistaat Bayern für zwei Monate die Gehälter nicht mehr. Dann legte die Arbeitnehmerin doch PCR-Testbefunde vor. Schließlich verlangte sie die Bezahlung für die zwei Monate von Ende August bis Ende Oktober 2020 sowie die künftige Beschäftigung ohne Vorlegen von Tests jedweder Art.
Die Flötistin hat ihre Klage nun vor dem BAG verloren. Der Arbeitgeber ist nach § 618 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch verpflichtet, die Arbeitsleistungen so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind. Deshalb war die Anweisung des Arbeitgebers zur Durchführung von PCR-Tests nach dem betrieblichen Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper rechtmäßig. Die Bayerische Staatsoper hatte zunächst technische und organisatorische Maßnahmen ergriffen – wie den Umbau des Bühnenraums und Anpassungen bei den aufzuführenden Stücken. Die auf diesem Konzept beruhenden Anweisungen an die Flötistin waren rechtmäßig. Der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist daher verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung macht die Testanordnung nicht unzulässig, zumal ein positives Testergebnis mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung ohnedies im Betrieb bekannt wird.
Hinweis: Der Arbeitgeber ist also berechtigt, Corona-Tests zu verlangen. Diese müssen allerdings in ein konkretes Konzept eingebettet sein und dürfen nicht die einzige Maßnahme zur Vermeidung von Corona-Infektionen darstellen.
Quelle: BAG, Urt. v. 01.06.2022 – 5 AZR 28/22