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2. Dezember 2022
Auskunft vor Verwirkungseinwand: Ob Unterhalt verwirkt ist, wird erst ganz am Ende geprüft

Wird gerichtlich um Unterhalt gestritten, folgt zunächst die Auskunftserteilung, dann die Belegvorlage, die Eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit und letztendlich die Bezifferung des Anspruchs. Oft wird aber schon auf der ersten Stufe – der Auskunft – darüber gestritten, ob überhaupt ein Unterhaltsanspruch besteht. Im vom Brandenburgischen Oberlandesgericht entschiedenen Fall wollte der Ehemann keine Auskunft erteilen, weil die Frau den Unterhalt verwirkt habe. Damit kam er aber nicht durch.

Die Auskunft ist grundsätzlich zu erteilen – außer wenn auszuschließen ist, dass ein Unterhaltsanspruch in Betracht kommt (sogenannte Negativevidenz). Wenn dagegen die Verwirkungseinrede nicht gerade mit den Händen zu greifen ist und es lediglich zweifelhaft ist, ob ein Unterhaltsanspruch besteht, weil darüber gestritten wird, ob ein Verwirkungstatbestand erfüllt ist, bleibt es bei der Auskunftspflicht. Eine etwaige Verwirkung ist dann erst in der Leistungsstufe nach der Bezifferung zu prüfen. Denn auch wenn einer der Verwirkungstatbestände erfüllt ist, hat eine Gesamtwürdigung der ehelichen Verhältnisse stattzufinden. Dabei geht es um Zumutbarkeit, und deshalb kommt es in besonderem Maße auch auf Art und Umfang der beiderseitigen Lebensdispositionen und Abhängigkeit der Ehegatten voneinander an. Dies kann ohne Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Eheleute, insbesondere der Einkünfte, nicht hinreichend gewürdigt werden – deshalb ist die Auskunft auch in diesen Fällen immer geschuldet.

Hinweis: Auf der letzten Stufe der Anträge, wenn der Anspruch beziffert wurde, besteht dann ausreichend Gelegenheit, sich über den Verwirkungseinwand auszutauschen. Es ist unnütz, bereits die Auskunftsstufe mit diesen Argumenten zu überfrachten.

Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 22.08.2022 – 13 UF 22/20