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1. Mai 2022
Bagatellgrenze überschritten: Versicherung scheitert mit Weigerung, Gutachten und Helmersatz nach E-Bike-Unfall zu begleichen

Im folgenden Fall stellte sich einmal mehr die gegnerische Versicherung quer, die zwar den Totalschaden eines verunfallten E-Bikes ersetzte, sich aber dem zuvor erstellten Gutachten und der entsprechenden Honorarzahlung verweigerte. Das Amtsgericht Ansbach (AG) nahm sich der Sache an und sah diese nach eingehender Prüfung schließlich völlig anders als der beklagte Versicherer, der seinen Geldbeutel durch seine Gegenwehr stärker strapazierte als eigentlich notwendig.

Ein E-Bike-Fahrer war mit seinem Rad unterwegs, als er mit einem Auto kollidierte. Bei dem Unfall, den der Autofahrer unstreitig allein verursacht hatte, wurden das E-Bike und der Fahrradhelm beschädigt. Zur Feststellung seines Schadens ließ der Geschädigte zunächst ein Gutachten erstellen, das einen Totalschaden an dem E-Bike auswies, den Wert des Helms auf 150 EUR bezifferte, und für das schließlich ein Honorar von ca. 450 EUR berechnet wurde. Die Versicherung zahlte zwar den Wertersatz für das E-Bike sowie ein Schmerzensgeld – die Zahlung des Honorars verweigerte die Versicherung. Sie erklärte, der Sachverständige sei zum einen gar nicht qualifiziert gewesen. Zum anderen habe der Totalschaden auch ohne Gutachten festgestellt werden können, da er offensichtlich war. Der Geschädigte holte eine Stellungnahme des Sachverständigenbüros ein, das die Qualifikation bestätigte. Dafür wurden noch zusätzlich 116 EUR berechnet. Die Versicherung verweigerte dennoch die Honorarzahlung, für den Helm wollte sie einen Abzug „neu für alt“ anrechnen.

Das AG gab der Klage des Geschädigten statt. Die Erstellung des Gutachtens war notwendig. Es habe sich um ein sehr teures E-Bike gehandelt, so dass der Wert der Bagatellgrenze überschritten wurde. Zudem könne der Geschädigte als Laie nicht erkennen, ob ein Totalschaden vorliege. Auf den Bildern war lediglich ein Schaden am Vorderrad erkennbar. Der Gutachter war zudem qualifiziert, was aus der Fortbildungsbescheinigung hervorgeht. Die Stellungnahme des Sachverständigenbüros war ebenso notwendig, da die Versicherung Zweifel an dessen Qualifikation hatte. Und schließlich sei laut AG auch der Neuwert des Helms zu erstatten. Ein Abzug „neu für alt“ sei nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn die Möglichkeit bestehe, einen entsprechenden Ersatz günstiger zu erlangen. Abgesehen davon, dass schon zweifelhaft ist, ob es überhaupt einen Gebrauchtmarkt für Helme gibt, ist ein gebrauchter Helm nicht zumutbar. Es ist zudem äußerlich nicht erkennbar, ob ein gebrauchter Helm einen Unfallschaden habe und bereits defekt sei. Also sei auch hier der Neupreis zu erstatten.

Hinweis: Ein Abzug „neu für alt“ war nicht zulässig. Hintergrund dieses gesetzlich nicht geregelten Abzugs bei beschädigten gebrauchten Sachen ist, dass der Geschädigte so gestellt werden soll, als sei das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten. Ein Abzug „neu für alt“ setze daher voraus, dass eine wirtschaftlich günstige Vermögensmehrung für den Geschädigten eintrete und der Abzug für ihn zumutbar sei.

Quelle: AG Ansbach, Urt. v. 03.11.2021 – 1 C 571/21

Thema: Verkehrsrecht