Eigentumsübertragung für Pflegeversprechen: Zeitintensive Betreuung von Angehörigen im selben Haus rechtfertigt Eigenbedarfskündigung
Die Pflege hilfsbedürftiger Angehöriger ist nicht nur, aber in großem Maße eine Zeitfrage. Wer für seinen Einsatzwillen hierfür eine Wohnung im Haus der Pflegebedürftigen übertragen bekommt, steht nicht selten vor Mietern, die auf ihr Recht bestehen, dort wohnen zu bleiben. Ob eine Kündigung wegen Eigenbedarfs in einem solchen Fall rechtens ist, musste hier das Amtsgericht München (AG) beurteilen.
Ein Ehepaar bewohnte seit fünf Jahren eine Dreizimmermietwohnung. Deren ursprüngliche Vermieter – ein über 80-jähriges Ehepaar, das im selbem Haus lebt – übertrugen die Wohnung im Sommer 2020 an ihre Großnichte. Dafür erhielten sie eine monatliche Leibrente von 800 EUR. Außerdem verpflichtete sich die Nichte, das Ehepaar bei Einkäufen, Besorgungen und Arztbesuchen zu unterstützen. Im Herbst 2020 erklärte die Nichte dann den Mietern die Kündigung. Das begründete sie damit, dass sie ihre derzeit bewohnte 50 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung aufgeben müsse. Die Wohnung sei knapp 3 km entfernt. Ihr Großonkel und ihre Großtante seien jedoch altersbedingt auf ihre Unterstützung angewiesen. Ihre Hilfe bei Angelegenheiten des täglichen Bedarfs sei sowohl Voraussetzung als auch Grund für die Übertragung des Eigentums gewesen. Daher erhob sie eine Räumungsklage wegen Eigenbedarfs.
Auch das AG war der Ansicht, dass die Mieter ihre Wohnung räumen müssen. Denn der Entschluss des Vermieters, die Wohnung selbst zu nutzen, ist grundsätzlich zu achten. Der Nutzungswunsch muss aber hinreichend bestimmt und konkret sein und ernsthaft verfolgt werden, er muss von vernünftigen oder nachvollziehbaren Gründen getragen werden und darf nicht rechtsmissbräuchlich sein. Diese Voraussetzungen trafen in diesem Fall zu. Auf den konkreten aktuellen Gesundheitszustand des Großonkels und der Großtante kam es hierbei gar nicht an. Bereits angesichts des Alters war eine zeitnahe Hilfsbedürftigkeit derart naheliegend, dass selbst ein aktuell blendender Gesundheitszustand in keiner Weise gegen den Nutzungswunsch der Nichte sprechen würde. Das AG räumte den Mietern allerdings eine angemessene Räumungsfrist ein.
Hinweis: Ob die Kündigung eines Mietverhältnisses rechtmäßig ist oder nicht, kann vor einem langwierigen Räumungsverfahren der Anwalt des Vertrauens abschätzen.
Quelle: AG München, Urt. v. 09.06.2021 – 453 C 3432/21