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30. Oktober 2020
Europäische Erbrechtsverordnung: Meldeadresse, Bankverbindung und Krankenversicherung sind Merkmale des gewöhnlichen Aufenthalts

Bei grenzüberschreitenden Erbfällen stellt sich die Frage, welches nationale Erbrecht auf den konkreten Fall anzuwenden ist. Um diese Frage zu klären, stellt die europäische Erbrechtsverordnung darauf ab, wo der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Mit den Kriterien zur Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts musste sich das Oberlandesgericht Hamm (OLG) nun zum wiederholten Mal beschäftigen.

Aufgrund einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände spielen für die Bestimmung insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers im Zweitstaat, seine besonders enge Bindung an diesen Staat, seine Sprachkenntnisse sowie die Lage seines Vermögens eine wichtige Rolle. Hinzu kommt nach Ansicht des OLG neben diesen objektiven Gesichtspunkten auch ein subjektives Element – nämlich der Aufenthalts- bzw. Bleibewille des Erblassers.

Im konkreten Fall konnte das OLG jedoch nicht feststellen, dass der Erblasser seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt dauerhaft ins Ausland verlagert hatte. Zwar habe er sich dort mehrfach aufgehalten, er sei aber immer wieder nach Deutschland zurückgekehrt und hatte dort auch seine offizielle Meldeadresse geführt. Der Erblasser war zudem nach wie vor in Deutschland krankenversichert und führte auch seine inländische Bankverbindung fort. Der Umstand, dass er sich aufgrund der Trennung von seiner Ehefrau zeitweise im Ausland aufgehalten habe, reichte nach Ansicht des OLG somit zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht aus, weil diese Wohnsitznahme in der Regel nur einer Praktikabilität geschuldet sei.

Hinweis: Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts spielt also die Summe der Einzelteile eine Rolle.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 10.07.2020 – 10 W 108/18

Thema: Erbrecht