Gekündigte Lebensversicherung: Vorsicht vor gleichzeitigem Widerruf der Bezugsberechtigung auf den Todesfall
Der Sinn einer Lebensversicherung besteht unter anderem darin, dass für den Fall des Todes des Versicherungsnehmers eine oder mehrere Personen berechtigt sein sollen, Leistungen aus dem Versicherungsvertrag zu erhalten. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste die Frage klären, ob die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags durch den Versicherungsnehmer auch gleichzeitig den Widerruf der Bezugsberechtigung auf den Todesfall nach sich zieht.
Die Tochter der Erblasserin war aufgrund gesetzlicher Erbfolge Alleinerbin geworden. Die Erblasserin hatte bei einer Versicherungsgesellschaft eine Rentenversicherung geführt, aus der sie eine vierteljährliche Rente erhielt. Im Versicherungsvertrag hatte die Erblasserin ihren Lebensgefährten als Bezugsberechtigten im Todesfall benannt. Mit Schreiben vom 18.02.2019 kündigte die Erblasserin ihre Rentenversicherung zum 01.04.2019 und verlangte eine Auszahlung des „Restbetrags“ auf ihr Konto. Die Versicherungsgesellschaft kehrte daraufhin am 26.03.2019 einen Betrag von ca. 16.000 EUR an die Versicherungsnehmerin aus, der dem Konto einen Tag später gutgeschrieben wurde. Einen weiteren Tag später verstarb die Erblasserin und wurde von der Tochter beerbt. Die Versicherungsgesellschaft war der Ansicht, dass die Bezugsberechtigung auf den Todesfall nach wie vor bestehe und die Erbin daher zur Rückzahlung der Versicherungsleistung verpflichtet sei. Allein die Kündigung der Rentenversicherung führe nicht automatisch zum Widerruf der Bezugsberechtigung für den Todesfall.
Dieser Rechtsansicht schloss sich im Ergebnis auch der IV. Senat des BGH an. Es gäbe seiner Ansicht nach keinen Erfahrungssatz, wonach die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags durch den Versicherungsnehmer stets zugleich den Widerruf der Bezugsberechtigung auf den Todesfall enthalte. Allein aufgrund einer Auslegung der Erklärung könne die Frage geklärt werden, ob der Versicherungsnehmer auch die Bezugsberechtigung habe ändern wollen. Maßgeblich ist dabei, wie der Versicherer die Erklärung der Versicherungsnehmerin auffassen musste.
Hinweis: Gerade in den Fällen, in denen die bezugsberechtigte Person aus einem Lebensversicherungsvertrag und die Erben nicht übereinstimmen, muss der Erblasser sich über die Konsequenzen der Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags im Klaren werden. Ist auch ein Widerruf der Bezugsberechtigung für den Todesfall gewollt, sollte dies deutlich zum Ausdruck gebracht werden.
Quelle: BGH. Urt. v. 22.03.2023 – IV ZR 95/22