Hose heruntergezogen: Entwürdigender Eingriff in die Intimsphäre anderer kann Kündigung nach sich ziehen
Gemeinsamer Humor wirkt sich unter der Kollegschaft positiv aus. Doch Vorsicht! – Schnell wird damit übertrieben. Ob die Nachtschicht sich auf den folgenden Fall ausgewirkt hat, bleibt zu mutmaßen. Fakt ist, dass nach einer unfreiwilligen Entblößung eines Kollegen der verursachende Arbeitnehmer vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht mehr viel zu lachen hatte.
Während der Nachtschicht kam ein Arbeitnehmer auf eine merkwürdige Idee: Plötzlich und unvermittelt zog er mit beiden Händen die Arbeitshose eines Kollegen herunter. Damit jedoch nicht genug; im selben Zug zog es mit der Oberhose auch die Unterhose herab. Der Kollege stand sodann völlig nackt vor anderen Kollegen da. Der Arbeitgeber sprach gegen den fremdentblößenden Arbeitnehmer daraufhin die fristlose Kündigung aus, gegen die dieser eine Kündigungsschutzklage einlegte. Schließlich musste das BAG über die Angelegenheit entscheiden.
Die obersten Arbeitsrichter waren der Auffassung, dass das Herunterziehen der Hosen an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine Kündigung darzustellen. Die Entblößung stellt einen erheblichen und entwürdigenden Eingriff in die Intimsphäre des Kollegen und damit eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Auch eine sexuelle Belästigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz könnte vorliegen. Für einen sexualbezogenen Übergriff muss es nicht zu einer intimen Berührung kommen – es reiche die Missachtung des Rechts auf Selbstbestimmung. Allerdings muss die Vorinstanz nun noch prüfen, ob der Arbeitnehmer tatsächlich beabsichtigt hatte, auch die Unterhose des Kollegen herunterzuziehen.
Hinweis: Falls die Vorinstanz nun feststellt, dass ein Vorsatz vorlag, ist die Kündigung rechtmäßig. Der Verlust des Arbeitsplatzes für einen vermeintlichen und nicht gelungenen Scherz ist eine harte Sanktion, die Arbeitnehmer kennen sollten.
Quelle: BAG, Urt. v. 20.05.2021 – 2 AZR 596/20