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7. Januar 2020
Interessenlage beim Erbvertrag: Einseitigen Änderungen ist meist kein entsprechend gültiger Bindungswille zu entnehmen

Bei Erbverträgen stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit die darin getroffenen Regelungen die Beteiligten daran hindern, zu einem späteren Zeitpunkt davon abweichende Verfügungen zu treffen und einen anderen Erben einzusetzen. Das Oberlandesgericht Saarbrücken (OLG) versuchte mit dem folgenden Fall, Licht in diese Fragestellung zu bringen.

Eine Frau schloss mit ihrem zweiten Ehemann einen Erbvertrag ab, in dem sie ihre Tochter aus erster Ehe sowie die fünf Kinder ihres Ehemannes als Erben einsetzte und der Ehemann wiederum auf sein Erbe verzichtete. Einige Jahre später änderten die Eheleute den Vertrag, so dass nur noch die Tochter der Frau und zwei Kinder des Mannes als Erben eingesetzt wurden. Einige Jahre vor ihrem Tod errichtete die – inzwischen geschiedene – Frau ein notarielles Testament, in dem sie alle bisher von ihr getroffenen Verfügungen von Todes wegen widerrief und ihren Neffen als Alleinerben einsetzte. Dieses Testament hielten die anderen drei Erben für unwirksam, da die Frau durch den Erbvertrag gebunden war.

Das OLG gab ihnen Recht. Auch bei einseitigen Erbverträgen, bei denen nur ein Vertragspartner Verfügungen von Todes wegen trifft und der andere diese lediglich annimmt, muss für jede einzelne Verfügung unter Berücksichtigung der Interessenlage beider Vertragsparteien gesondert festgestellt werden, ob sie bei Vertragsschluss bindend gewollt war. Im vorliegenden Fall sah das Gericht Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute die Verfügung als bindend angesehen hatten – unter anderem darin, dass der Ehemann der Änderung des Vertrags ausdrücklich zugestimmt hatte und beide Verträge eine Formulierung enthielten, nach der die Beteiligten auf „die dadurch eingetretene Bindungswirkung“ hingewiesen worden seien. Zudem war entscheidend, dass die Verfügung der Erblasserin unterschiedslos sowohl die Tochter als auch die Kinder des Ehemannes begünstigte und damit insgesamt der Nachkommenschaft der neu begründeten Familie zugutekam. Aufgrund der Bindungswirkung des Erbvertrags war die Frau somit nicht mehr befugt, eine Änderung vorzunehmen und ihren Neffen als Erben einzusetzen.

Hinweis: Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass eine Verfügung, die eine Zuwendung an den Erbvertragspartner selbst oder an einen diesem nahestehenden (insbesondere verwandten) Dritten enthält, in der Regel bindend ist. Wird dagegen ein Dritter bedacht, der mit dem Erbvertragspartner weder verwandt ist noch ihm sonst nahesteht, wird häufig der Wille zur Bindung fehlen und deshalb nur eine einseitige, testamentsartige Verfügung vorliegen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang auch nicht, dass die Verfügung von einer Gegenleistung abhängt, sondern nur, dass sich ein entsprechender Bindungswille der Beteiligten dem Vertrag durch Auslegung entnehmen lässt.

Quelle: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 03.09.2019 – 5 W 49/19

Thema: Erbrecht