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10. November 2022
Keine Bußgeldverdopplung: Bei vergleichsweise niedriger Tempoüberschreitung müssen für Vorsatz gute Gründe sprechen

Die Autobahnbaustelle – wer kennt es nicht: Ein Schilderreigen mit immer niedriger werdenden Tempolimits. Wenn man zu den Glücklichen gehört, denen sich diese nicht bereits durch einen dazugehörigen Stau ankündigen, kann es doch durchaus mal passieren, eines der Temposchilder zu übersehen. Oder etwa nicht? Dass es sich hierbei um eine durchaus schwierige Frage handelt, beweist der Umstand, dass sich hier die Gerichte – das Amtsgericht (AG) und das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) – bei der Beantwortung uneins waren.

Ein Autofahrer befuhr eine Bundesautobahn. Vor einer Baustelle war ein sogenannter Geschwindigkeitstrichter eingerichtet, der das zulässige Tempo zunächst auf 100, dann auf 80 und zuletzt auf 60 Stundenkilometer limitierte. Nach dem letzten Schild wurde der Mann bei einer Tempoüberschreitung von 22 km/h erwischt. Im Bußgeldbescheid wurde von einer vorsätzlichen Begehungsweise ausgegangen und die Geldbuße verdoppelt. Dagegen legte der Betroffene Einspruch ein.

Das AG wies den Einspruch durch Urteil zurück, im Rahmen der Rechtsbeschwerde gab das OLG dem Betroffenen jedoch Recht. Bei einer „im absoluten Maß niedrigen“ Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer Autobahn könne man nicht ohne weiteres annehmen, der Fahrer habe anhand äußerer Kriterien – wie Motorengeräuschen, Fahrzeugvibrationen oder Umgebungseindrücken – bemerken müssen, zu schnell zu sein. Nur dann sei aber von einem bedingt vorsätzlichen Verhalten auszugehen. Der Fahrer hatte angegeben, den Geschwindigkeitstrichter zwar wahrgenommen, das letzte Schild jedoch übersehen zu haben. Allein daraus könne kein Vorsatzvorwurf begründet werden.

Hinweis: Bei einer nachweislich vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit wird die Geldbuße in der Regel verdoppelt. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung kann bei Übertretungen von zumindest 40 % der angeordneten Höchstgeschwindigkeit davon ausgegangen werden, dass dem Betroffenen, der die Begrenzung kennt, deren Überschreiten nicht verborgen geblieben ist. Geht es aber um eine im absoluten Maß vergleichsweise niedrige Geschwindigkeitsüberschreitung (wie hier von 22 Stundenkilometern), ist nicht anlasslos anzunehmen, der Fahrer habe die Übertretung zwangsläufig erkennen müssen.

Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.07.2022 – 1 OWi 2 SsRs 39/22