Keine Stornokosten: Atemwegserkrankte Seniorin darf von vor Pandemieausbruch gebuchter Reise zurücktreten
Wann eine Reisestornierung kostenlos ist oder aber Stornogebühren anfallen, ist auch bei der Covid-19-Pandemie eine Frage des Einzelfalls. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) legt zu Recht Wert darauf, dass der sogenannte Ausschlusstatbestand nicht erst bei Unmöglichkeit der Reisedurchführung greift, sondern auch dann, wenn sie nur mit erheblichen und nicht zumutbaren Risiken verbunden wäre. Und dies liegt durchaus im Auge des jeweiligen Betroffenen – und das war im folgenden Fall eine 85 Jahre alte Dame.
Eine Frau, die bereits unter diversen Atemwegserkrankungen litt, buchte im Januar 2020 eine Donaukreuzfahrt im Zeitraum im Juni 2020 zu einem Preis von ca. 1.600 EUR. Auf Anraten ihrer Ärztin trat sie jedoch zwei Wochen vor Reisebeginn von der Reise zurück und verlangte die Rückzahlung der bereits geleisteten Anzahlung von 320 EUR. Das Reiseunternehmen konterte und berechnete hingegen weitere Stornokosten über ca. 1.000 EUR. Die Flusskreuzfahrt würde schließlich mit einem angepassten Hygienekonzept und einer von 176 auf 100 verringerten Passagierzahl durchgeführt. Schließlich klagte die Frau – mit Erfolg.
Der Reiseveranstalter konnte keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 651h Abs. 1 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegenhalten. Denn ein solcher Anspruch ist nach § 651h Abs. 3 BGB ausgeschlossen, wenn am Bestimmungsort unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Das war hier der Fall gewesen. Die Covid-19-Pandemie war im Reisezeitraum Sommer 2020 als Umstand zu bewerten, der grundsätzlich geeignet war, die Durchführung der Pauschalreise erheblich zu beeinträchtigen – und angesichts des Alters und der Vorerkrankungen der Dame, des damaligen Wissenstands ohne Impfungsmöglichkeiten und des Buchungsdatums waren die Voraussetzungen für ein kostenloses Storno hier mehr als gegeben.
Hinweis: Apropos Buchungszeitpunkt – Senioren mit ähnlichen gesundheitlichen Voraussetzungen, die ihre Reise jedoch erst nach Ausbruch der Pandemie gebucht haben, dürfen nicht automatisch davon ausgehen, ohne Kosten davonzukommen. Denn die hätten zumindest ahnen (wenn nicht sogar wissen) können, dass es Probleme geben könne.
Quelle: BGH, Urt. v. 30.08.2022 – X ZR 66/21