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7. März 2023
„Lukrativer“ Streifschaden: Ungewöhnliche Anhäufung typischer Umstände ohne Zeugen spricht für Manipulation

In den seltenen Momenten, in denen einfach mal alles passt, sollte man sich im Leben glücklich schätzen. Gerichten allerdings kommen zu perfekte Umstände verdächtig vor, denn auch sie kennen das Leben und vor allem die Beweggründe, die Fremde vor eben jenen Gerichten zusammenführt, nur allzu gut. Mit einem solchen merkwürdig anmutenden Fall hatte kürzlich das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) zu tun, das einen Kraftfahrzeugschaden auf Betreiben der zuständigen Versicherung unter die Lupe nehmen musste.

Ein (angeblich) Geschädigter meldete sich bei der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers. Er legte ein Gutachten über einen seitlichen Streifschaden an seinem Fahrzeug vor. Es wurde behauptet, der Schaden sei auf einem Supermarktparkplatz geschehen. Der Verursacher sei beim Einparken neben dem geschädigten Fahrzeug vielleicht aufgrund von Glättebildung seitlich an dem geschädigten Fahrzeug vorbeigeschrammt, sei dann noch einmal aus der Lücke herausgefahren und habe das Fahrzeug erneut geschliffen. Zeugen gebe es keine. Die Versicherung wandte ein, dass ein manipulierter Unfall vorliege, und verweigerte die Zahlung.

Das OLG war mit der Versicherung einer Meinung. Zum einen sei ein für Manipulationen typischer Unfallort gegeben – ein einsamer Parkplatz ohne Zeugen. Das Schadensbild lasse ferner den Rückschluss zu, dass es einer besonders ungewöhnlichen Fortbewegung bedurfte, um den vorliegenden Schleifschaden herbeizuführen. Manipulierte Unfälle würden typischerweise mit langsamer Geschwindigkeit inszeniert, damit eine kontrollierte Vorbeifahrt möglich ist. Dadurch lasse sich ein langer Streifschaden erzeugen, dessen Abrechnung besonders lukrativ sei. Bei einem normalen langsamen Rangieren auf einem Parkplatz würde nach der ersten Berührung der Fahrzeuge üblicherweise sofort angehalten. Laut Sachverständigem sei der Schaden auch nicht mit einer Glättebildung zu erklären, da dann ein Anstoß zu sehen sein müsse. Vielmehr spreche das Schadensbild dafür, dass der Fahrer zweimal an dem Wagen entlanggeschliffen sein muss, so dass davon auszugehen sei, dass der zweite Berührungsvorgang vorsätzlich gewesen sei. Auffällig sei weiterhin, dass der Geschädigte zwar ein Foto von einem Zettel machte, auf dem angeblich die Telefonnummer des Schädigers stand, nicht aber von der Stellung seines Autos. Zudem sei der Zettel später nicht mehr auffindbar gewesen.

Hinweis: Der Beweis einer Einwilligung und damit eines fingierten Unfalls ist geführt, wenn sich der „Unfall“ als letztes Glied einer Kette gleichförmiger Geschehnisse darstellt, ohne dass sich die festgestellten Gemeinsamkeiten noch durch Zufall erklären ließen. Zum Beweis einer behaupteten Einwilligung sind Indizien, also mittelbare Tatsachen, die geeignet sind, logische Rückschlüsse auf den unmittelbaren Beweistatbestand einer erteilten Einwilligung in die Eigentumsbeschädigung zu ziehen, darzulegen und zu beweisen. Der Beweis der Unfallmanipulation ist regelmäßig durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung typischer Umstände geführt, wenn diese in ihrem Zusammenwirken vernünftigerweise nur den Schluss zulassen, der geschädigte Anspruchsteller habe in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 12.10.2022 – 7 U 62/22