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29. Oktober 2015
Neues zur Eigenbedarfskündigung

Der BGH hat entschieden, dass ein – auf vernünftige, nachvollziehbare Gründe gestützter – Eigennutzungswunsch die Kündigung des Mietverhältnisses nur dann rechtfertigt, wenn er vom Vermieter auch ernsthaft verfolgt wird und bereits hinreichend bestimmt und konkretisiert ist. Eine bislang nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht.

In dem aktuell vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (BGH, Urteil vom 23. September 2015 – VIII ZR 297/14 –) waren mit separaten Verträgen zwei Wohnungen vermietet worden, nämlich eine Dreizimmerwohnung und eine weitere kleine Mansardenwohnung. Es war vereinbart worden, dass beide Verträge nur zusammen kündbar waren.

Der Vermieter kündigte wegen Eigenbedarfs. Zur Begründung führte er im Kündigungsschreiben aus, dass er in die Wohnung in der dritten Etage selbst einziehen wolle und die Mansarde – nach einem geplanten Umbau – als Teil einer für die Tochter vorgesehenen Maisonettewohnung benötigt würde.

Der BGH wies die gegen die Mieter gerichtete Räumungsklage ab.

Zunächst stellte der BGH nochmals klar, dass an die Begründung des Eigennutzungswunsches im Kündigungsschreiben keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind. Dem Mieter muss zwar zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition verschafft und er dadurch in die Lage versetzt werden, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird allerdings Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Es genügt daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat.

Die Besonderheit der beiden verbundenen Verträge wirkte sich hier so aus, dass auch bezüglich beider Wohnungen Eigenbedarf bestehen musste.

Ein berechtigtes Interesse an der Mansardenwohnung bestand zunächst. Der Vermieter wollte diese Räume der Tochter zur Verfügung stellen, damit diese mit einer weiteren Wohnung in der vierten Etage und Räumen im Dachgeschoss zu einer Maisonettewohnung umgebaut werden konnten.

Auch hinsichtlich des Nutzungsinteresses an der Dreizimmerwohnung sah es der BGH als ausreichend an, dass der Vermieter den Wunsch angegeben hatte, selbst in die Wohnung der Mieter im dritten Obergeschoss einzuziehen, um dort – entsprechend dem Wunsch der Tochter – einfacher auf die Enkelkinder aufpassen zu können.

Insgesamt handelte es sich um „nachvollziehbare und vernünftige Gründe“, welche die Rechtsprechung zum Maßstab nimmt.

Das Problem des Falles sah der BGH allerdings bei Folgendem: Der Nutzungswunsch des Vermieters sei nicht hinreichend ernsthaft gewesen. Denn für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs reicht ein noch unbestimmtes Interesse einer möglichen späteren Nutzung (so genannte „Vorratskündigung“) nicht aus. Vielmehr muss sich der Nutzungswunsch so weit „verdichtet“ haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht.

Im Prozess hatte der Vermieter bei der persönlichen Anhörung den Eigenbedarf nur „zaghaft“ und wortkarg vorgebracht und auch nicht angeben können, dass er sich überhaupt Gedanken darüber gemacht habe, warum von mehreren Dreizimmerwohnungen in dem Anwesen ausgerechnet die Wohnung der Mieter gewählt worden war. Dies rechtfertige Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches. Es sei auch denkbar, dass unter den mehreren Wohnungen im Haus die Wohnung der Mieter gerade deshalb ausgewählt worden war, weil die Mansarde nur gemeinsam mit der Dreizimmerwohnung gekündigt werden konnte und die Mansarde zum Ausbau der Maisonettewohnung benötigt wurde. Im Ergebnis war der Nutzungswunsch jedenfalls zweifelhaft.

Ein noch unbestimmter, vager Nutzungswunsch kann aber eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht rechtfertigen. Daher wies der BGH die Räumungsklage gegen die Mieter ab.

Es bleibt festzuhalten: Im Fall von Eigenbedarf genügen zwar nachvollziehbare und vernünftige Erwägungen des Vermieters. Diese müssen aber auch zur Überzeugung des Gerichts feststehen, wenn der Mieter sie bestreitet. Der Mieter darf sie auch im Prozess ohne weiteres bestreiten, weil es sich um innere und rein subjektive Tatsachen handelt, die er nicht kennt. Das Gericht wird den Vermieter im Verhandlungstermin persönlich anhören, um sich einen Eindruck über die Motivlage zu verschaffen. Bei der Würdigung der Beweise ist das Gericht frei (§ 286 ZPO). Verbleiben objektive und vernünftige Zweifel an dem Eigennutzungswunsch, geht dies zu Lasten des Vermieters.

Thema: Mietrecht

Autor: Rechtsanwalt Matthias Juhre, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in Wuppertal