Skip to main content
18. Juli 2020
Schmerzhafter Flugregelverstoß: Wen es im Ausland in die Lüfte zieht, der sollte das jeweils geltende Luftrecht kennen

In Anbetracht der Tatsache, dass Zusammenstöße in der Luft meistens tödlich enden, ist im folgenden Fall wahrlich von Glück im Unglück zu reden. Da Glück aber auch stets Ansichtssache ist, musste das Oberlandesgericht Köln (OLG) hier erneut über die Frage von Schuld, Unschuld und – Sie ahnen es – von Schadensersatzansprüchen befinden.

Einer der beiden beteiligten Männer war in Norditalien mit einem Hängegleiter (Drachen) unterwegs, den anderen zog es an einem Gleitschirm in die Lüfte. Auch sonst herrschte mit mehr als zehn Gleitschirmen in der Luft ein reger Flugbetrieb, als Drachen und Gleitschirm bei schwacher Thermik in 80 Meter Höhe miteinander kollidierten. Der Drache wurde dabei auf den Rücken gedreht, der Pilot fiel von oben in das Segel und stürzte ab. Trotz der Höhe zog er sich lediglich Prellungen und eine Stauchung des linken Handgelenks zu. Der andere Pilot konnte seinen Rettungsschirm öffnen und blieb unverletzt. Nun meinte der verletzte Pilot, dass er an dem Unfall keine Schuld trage, und forderte Schmerzensgeld sowie Schadensersatz von insgesamt rund 6.500 EUR.

Doch Geld bekam er keins. Die deutschen Gerichte haben bei ihrer Entscheidung zwar Anspruchsgrundlagen des deutschen Rechts anzuwenden, hier musste das OLG aber auch die Sicherheits- und Verhaltensregeln nach italienischem Luftrecht berücksichtigen. Danach genießen jene nichtmotorisierten Fluggeräte das Vorflugrecht, die in einem thermischen Aufwind in einer kreisförmig nach oben steigenden Drehung fliegen – andere nichtmotorisierte Fluggeräte müssen ausweichen. Dabei gibt derjenige den Drehsinn vor, der sich als Erster in dem thermischen Aufwind befindet. Außerdem gilt neben der allgemeinen Sichtflugregelung, wonach fortgesetzter Blickkontakt mit möglichen anderen Formen des Luftverkehrs erforderlich ist, auch ein Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme. Und hier hatte in den Augen der OLG-Richter tatsächlich der verletzte Pilot gegen die Flugregeln verstoßen – und nicht dessen Unfallgegner.

Hinweis: Das Gericht war bei der notwendigen Einarbeitung in italienisches Recht sicherlich nicht zu beneiden. Doch das gehört für viele Familienrichter zum Berufsalltag. Denn besonders Scheidungen werden auch häufig nach ausländischem Recht beurteilt.

Quelle: OLG Köln, Urt. v. 27.03.2020 – 1 U 95/19

Thema: Sonstiges