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Schlagwort: AG Steinfurt

Realofferte: Strom und Gas: Wer fehlende Verfügungsgewalt über Grundversorgungsanschlüsse nicht nachweisen kann, der zahlt

Wer die allgemeine Auffassung vertritt, dass es für einen gültigen Vertragsabschluss immer einer Unterschrift bedarf, kann sich bei der Energieversorgung seines Wohnraums schnell täuschen. Im Folgenden übernahm es das Amtsgericht Steinfurt (AG), einer Wohnungsmieterin die gängige Rechtspraxis per Urteil zu vermitteln.

Ein Unternehmen lieferte als Grundversorger Gas und Strom in eine Wohnung. Schließlich rechnete das Unternehmen seine Leistungen ab und verlangte die Kosten von der Frau. Diese behauptete jedoch, weder Mieterin noch Eigentümerin der Wohnung gewesen zu sein, obwohl sie dort für etwas mehr als ein halbes Jahr während der Zeit gemeldet war. Die Frau behauptete stattdessen, dass vielmehr ihr Ex-Lebensgefährte Mieter gewesen sei, während sie selbst keine Sachherrschaft über die Verbrauchsanschlüsse innegehabt hätte. Schließlich kam die Sache vor Gericht – und die Frau verlor den Rechtstreit.

In der Bereitstellung von Strom und Gas durch ein Versorgungsunternehmen liegt nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig ein Angebot auf Abschluss eines Versorgungsvertrags in Form einer sogenannten Realofferte vor. Durch die Entnahme von Strom oder Gas aus dem Leitungsnetz erklärt der Entnehmende schlüssig seine Annahme des Angebots, so dass es konkludent zu einem Vertragsschluss kommt. So war es auch in diesem Fall. Denn die Behauptung der Frau, sie sei keine Mieterin der Wohnung gewesen, konnte sie dem AG nicht beweisen. Zwar liegt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für einen Vertragsabschluss bei dem Versorgungsunternehmen. Allerdings hätte hier die Frau diejenigen Umstände vortragen und beweisen müssen, aus denen sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie nicht die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Wohnung hatte. Und das ist ihr nicht gelungen. Sie hätte beweisen müssen, dass sie nicht Mieterin ist.

Hinweis: Wer also tatsächlich in einer Wohnung lebt, muss damit rechnen, vom Grundversorger zur Kasse gebeten zu werden.

Quelle: AG Steinfurt, Urt. v. 17.06.2020 – 21 C 915/18

Thema: Mietrecht

Schuldhaftentlassung abgelehnt: Das Vermengen gesamtschuldnerischer und alleiniger Verbindlichkeiten wird im Scheidungsfall heikel

In guten Zeiten einer Ehe ist ein Ehegatte bereit, für die Schulden des anderen mitzuhaften. Gerät die Ehe in die Schieflage, wird naturgemäß die sogenannte „Schuldhaftentlassung“ gewünscht. Kann sie aber so ohne weiteres gewährt werden?

Der Frage ging das Amtsgericht Steinfurt (AG) nach. Die Ehegatten hatten gemeinsamen Grundbesitz, der Mann zudem noch einen alleinigen. Es bestanden auch für sonstige Anschaffungen mehrere Darlehensverträge, die alle von beiden Ehegatten unterzeichnet waren. Neben Grundschuldbestellung gab es ferner noch eine einheitliche Sicherungsabrede zugunsten der alles finanzierenden Hausbank. Nach Trennung und Scheidung verlangte die Frau, dass der Mann für eine Haftentlassung zumindest bezüglich solcher Schulden sorge, die allein sein Vermögen betreffen. Doch das AG wies den Antrag zurück.

Das Anliegen der Frau ist verständlich. Zwar zahlte der Mann alle Schulden; nach Trennung und Scheidung wollte sie aber die Garantie, dass die Bank als Gläubigerin nicht mehr an sie herantreten kann. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn die Bank der Frau die Haftentlassung erklärt. Einen Anspruch auf Herbeiführung der Haftentlassung aus Darlehen und Grundschuld könne die Frau aber nur haben, soweit es ausschließlich um alleinige Schulden des Mannes gehe. Davon könne jedoch dann keine Rede sein, wenn aufgrund einer Sicherungsabrede mit der Bank alle Sicherheiten für alle Darlehen einsetzbar seien. Sobald die gemeinsam unterschriebenen Darlehensverträge sich unter anderem auch auf gemeinsame Schulden beziehen und die Sicherheiten (das heißt die Grundschulden) auch für gemeinsame Schulden herangezogen werden können, könne eine Haftentlassung nicht mehr verlangt werden – auch nicht teilweise.

Hinweis: Kann die Haftentlassung doch verlangt werden, sind die Fristen zu wahren. Das Scheitern der Ehe berechtigt binnen einer angemessenen Frist zum Verlangen einer Freistellung. Dieses Scheitern zeigt sich endgültig, sobald der Scheidungsantrag zugestellt wird. Und die Frist, die gesetzt wird, um die Haftentlassung tatsächlich herbeizuführen, muss auch angemessen sein.

Quelle: AG Steinfurt, Beschl. v. 09.05.2017 – 10 F 404/16

Thema: Familienrecht