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Schlagwort: Arbeitgeberverband

Streikmaßnahmen auf Firmenparkplatz: Bundesverfassungsgericht erteilt Verfassungsbeschwerden von Amazon eine Absage

Das allgemeine Verbot von Streikmaßnahmen auf dem Firmengelände gilt nicht ausnahmslos. Dass die Weigerung eines Unternehmens, sich einem Arbeitgeberverband anzuschließen, zu den möglichen Ausnahmen gehören kann, musste ein namhafter Arbeitgeber nicht nur durch alle Instanzen, sondern auch vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) lernen.

Es ging um einen Streik bei Amazon. Eine Gewerkschaft wollte, dass das Unternehmen Tarifverträge anerkennt. Deshalb versammelten sich Gewerkschaftsvertreter mit Amazon-Beschäftigten vor Schichtbeginn auf dem Betriebsparkplatz, den nahezu alle Beschäftigen nutzten. Bei einem Streik vor dem Parkplatzgelände wären die Arbeitnehmer schließlich sonst nicht erreicht worden. Trotzdem zog Amazon vor die Arbeitsgerichte und sogar bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG). Das hatte aber bereits entschieden, dass Amazon die Streikmaßnahmen hinzunehmen hatte. Trotzdem wollte Amazon sich das nicht gefallen lassen und rief das BVerfG an.

Das BVerfG nahm jedoch die gegen die Entscheidung des BAG erhobenenen Verfassungsbeschwerden erst gar nicht zur Entscheidung an. Der Streik zielte nicht darauf ab, Amazon eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband aufzudrängen. Das Ziel war die Anerkennung einschlägiger Flächentarifverträge. Nur weil ein Unternehmen keiner Arbeitgeberorganisation beitritt, hat es noch lange nicht das Recht, von jeglicher Betätigung der Gewerkschaften gänzlich verschont zu bleiben. Außerdem hatte das BAG das Recht der Gewerkschaften zu Arbeitskampfmaßnahmen richtig beurteilt. Die Gewerkschaften müssen ihre Rechte wahrnehmen können. Dazu gehört insbesondere die direkte persönliche Ansprache von Arbeitnehmern vor Antritt der Arbeit, um sie für den Streik zu mobilisieren.

Hinweis: Streiks können also auch auf dem Firmengelände, beispielsweise auf einem Parkplatz, rechtmäßig sein. Es kommt dabei aber natürlich auf den Einzelfall an. Können Arbeitnehmer jedoch andernfalls nicht vernünftig angesprochen werden, ist dies auf dem unternehmenseigenen Parkplatz durchaus zulässig.

Quelle: BVerfG, Beschl. v. 09.07.2020 – 1 BvR 719/19 und 1 BvR 720/19

Thema: Arbeitsrecht

Verfassungsbeschwerde abgelehnt: Einsatzverbot von Leiharbeitern als Streikbrecher verletzt keine Arbeitgeberrechte

Schon lange schwelt ein Konflikt über die Frage, ob Leiharbeitnehmer als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen. Diese Frage ist nun vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden worden.

Eine Arbeitgeberin in der Unterhaltungsindustrie wendete sich gegen das im Jahr 2017 eingeführte Streikbrecherverbot des § 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Danach dürfen Leiharbeitnehmer nicht als Streikbrecher eingesetzt werden. Die Arbeitgeberin war  der Ansicht, das Verbot schränke sie in der Wahl ihrer Mittel im Arbeitskampf ein und verletzte sie daher in ihrem Recht, einem Arbeitgeberverband anzugehören oder eben auch nicht.

Das BVerfG jedoch nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die Arbeitgeber werden durch die Regelung zwar in ihrer Entscheidung beschränkt, Leiharbeitskräfte einzusetzen, um sich gegen Streiks zu wehren. Die Regelung verbietet jedoch nicht den generellen Einsatz von Leiharbeitskräften im Betrieb, sondern nur den unmittelbaren oder mittelbaren Einsatz als Streikbrecher. Die damit vom Gesetzgeber verfolgten Ziele, Leiharbeitnehmern ein angemessenes Arbeitsverhältnis zu gewähren und eine funktionierende Tarifautonomie zu erhalten, sind dabei nämlich von erheblichem Gewicht.

Hinweis: Auch künftig werden Streiks durch die Gewerkschaften geschützt. Dabei sollten Arbeitnehmer aufpassen, dass keine Streikbrecher eingesetzt werden.

Quelle: BVerfG, Beschl. v. 19.06.2020 – 1 BvR 842/17

Thema: Arbeitsrecht

Tariflich ungültige Betriebsvereinbarung: Sämtliche Tätigkeiten zur Erfüllung der vertraglichen Hauptleistungspflicht müssen abgegolten werden

Auch in diesem Fall heißt es einmal mehr „Augen auf bei Tarifverträgen!“ Denn dass sowohl tarifgebundene Arbeitgeber als auch deren Betriebsräte mit einer Betriebsvereinbarung durchaus falsch liegen können, zeigt der folgende Fall, der bis vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) ging.

Es ging um einen Servicetechniker im Außendienst. Seine Arbeitgeberin war wegen ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband an die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen gebunden. Zudem gab es im Betrieb der Arbeitgeberin eine Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Darin war geregelt, dass Anfahrtszeiten zum ersten und Abfahrtszeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen, sofern sie 20 Minuten nicht überschreiten. Mit seiner Klage verlangte der Servicetechniker schließlich, seinem Arbeitszeitkonto Fahrtzeiten im Umfang von 68 Stunden und 40 Minuten gutzuschreiben – mit Erfolg.

Das BAG war der Auffassung, dass der Arbeitnehmer mit den Fahrten von seiner Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erfüllt hat. Ein daraus resultierender Vergütungsanspruch werde aber nicht durch die Betriebsvereinbarung ausgeschlossen. Denn nach dem Manteltarifvertrag sind sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringt, mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten. Dazu gehört bei Außendienstmitarbeitern die gesamte – für An- und Abfahrten zum Kunden – aufgewendete Fahrtzeit. Damit war die Betriebsvereinbarung an dieser Stelle unwirksam, da sie dem Tarifvertrag widersprach.

Hinweis: Personalverantwortliche sollten sich stets darüber im Klaren sein, ob ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt oder nicht. Und Arbeitnehmer sollten das auch wissen, da sich dadurch Ansprüche ergeben können.

Quelle: BAG, Urt. v. 18.03.2020 – 5 AZR 36/19

Thema: Arbeitsrecht