Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits vor Längerem entschieden, dass das Zusammenfallen einer Kündigung mit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründet. Nun gibt es dazu einen neuen Fall, in dem der Arbeitnehmer bereits vor Zugang der Kündigung erkrankt war.
Es wird stets problematisch, wenn eine Arbeitsunfähigkeit mit der Kündigungsfrist zusammenfällt. Ob der Arbeitnehmer bei seiner Krankmeldung bereits etwas von seiner Kündigung ahnte, blieb in diesem Fall des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (LAG) ebenso unbeachtet wie eine derartige Mutmaßung des Arbeitgebers. Denn der Arbeitnehmer hatte durch sein Timing alles richtig gemacht.
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) soll verhindern, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern aus krankheitsbedingten Gründen einfach kündigen. Ob und wann eine solche Maßnahme bei ein und demselben Angestellten wiederholt werden muss, bevor ihm gekündigt werden darf, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun konkretisiert.
Wenn der Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet anzweifelt, gilt der sogenannte Beweiswert des ärztlichen Attests als erschüttert. Ob diese Zweifel allerdings ausreichen, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten, musste das Bundesarbeitsgericht (BAG) entscheiden.
Dass ein Tarifvertrag nicht nur Gutes für Arbeitnehmer beinhaltet, musste ein Schreiner erfahren. Denn er musste sich einer Abmahnung erwehren, die er wegen der Verweigerung einer amtsärztlichen Untersuchung kassiert hatte. Lesen Sie hier, was das Landesarbeitsgericht Nürnberg (LAG) dazu sagte.
Der Schreiner wies bereits erhebliche Arbeitsunfähigkeitstage auf und durfte nicht mehr als zehn Kilo heben. Auf sein Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Anwendung – der „TV-L“. Und genau darin stand auch der Passus, laut dem sich sein Arbeitnehmer bei einer begründeten Veranlassung durch einen Amtsarzt untersuchen lassen müsse. Schließlich erhielt der Mann auch von seinem Arbeitgeber die Aufforderung, beim Amtsarzt vorstellig zu werden. Wegen der bestehenden Arbeitsunfähigkeit sah sich der Schreiner allerdings nicht dazu verpflichtet, wofür er dann eine Abmahnung bekam, gegen die er hier klagte.
Die Abmahnung blieb allerdings in seiner Personalakte – entschied das LAG. Das Recht des Arbeitgebers aus dem TV-L, eine amtsärztliche Untersuchung vom Arbeitnehmer zu verlangen, knüpft an keine weiteren Voraussetzungen an – wie beispielsweise an die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers. Schon nach dem Wortlaut der tariflichen Vorschrift war es nicht Voraussetzung der amtsärztlichen Untersuchung, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Untersuchung arbeitsfähig sei. Deshalb waren die Anordnung des Arbeitgebers und die daraufhin erteilte Abmahnung in den Augen des LAG in Ordnung.
Hinweis: Eine generelle Verpflichtung zur Teilnahme an einer amtsärztlichen Untersuchung gibt es in den deutschen Arbeitsgesetzen zwar nicht. Aber hier bestand die Besonderheit, dass Tarifverträge aus dem öffentlichen Bereich eine solche Verpflichtung vorsehen. Und diese Tarifverträge gelten für eine Vielzahl von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst.
Quelle: LAG Nürnberg, Urt. v. 19.05.2020 – 7 Sa 304/19
Bei einer Verdachtskündigung handelt es sich – wer hätte es gedacht – um eine Kündigung aufgrund eines Verdachts, und zwar auf eine rechtswidrige Handlung eines Arbeitnehmers. Und ein solcher Verdacht kann durchaus eine Kündigung rechtfertigen.
Ein Ingenieur war längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt und hatte nach einer Reihe von Rechtsstreitigkeiten mit dem Arbeitgeber während der Arbeitsunfähigkeit mit seinem Firmenlaptop eine größere Datenmenge heruntergeladen. An einem Donnerstagabend erreichte ihn die Aufforderung seines Arbeitgebers zur Stellungnahme zu dem Vorfall. Dazu war ihm eine Frist bis zum folgenden Montag um 13:00 Uhr gesetzt worden. Als der Ingenieur die Frist hatte verstreichen lassen, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos durch eine Verdachtskündigung. Diese war in diesem Fall jedoch unwirksam.
Vor einer Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in jedem Fall anhören. Hier hatte er ihm eine zwar Frist zur Stellungnahme gesetzt – diese war jedoch viel zu knapp bemessen. In Anbetracht des Umstands, dass sich die Parteien bereits in anderen Auseinandersetzungen befunden hatten, in denen sich der Ingenieur stets anwaltlich vertreten ließ, war die gesetzte Frist zur Stellungnahme zu den Vorwürfen mit nicht einmal zwei vollen Arbeitstagen zu kurz berechnet. Denn der Arbeitgeber hätte dem Arbeitnehmer mehr Zeit geben oder eben auch direkt dem Rechtsanwalt das Anhörungsschreiben zukommen lassen müssen. Somit war die Kündigung unwirksam.
Hinweis: Vor Ausspruch einer Verdachtskündigung muss der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber angehört werden. Soll das schriftlich erfolgen, muss dem Arbeitnehmer auch eine angemessene Frist gewährt werden.
Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 21.03.2018 – 3 Sa 398/17
Im Fall einer Krankheit erhalten Arbeitnehmer nach Ablauf von sechs Wochen kein Geld mehr von ihrem Arbeitgeber, sondern von der Krankenkasse. Doch was ist, wenn kein förmlicher „gelber Schein“ vorliegt?
Eine Frau war nach einem Krankenhausaufenthalt an einem Freitag entlassen worden. Der behandelnde Arzt der Klinik hatte der Krankenkasse zu diesem Zeitpunkt bereits mitgeteilt, dass die Frau für die nächsten fünf Monate arbeitsunfähig sein werde. Ihren Hausarzt, den die Frau erst am folgenden Dienstag aufsuchen konnte, bescheinigt ihr rückwirkend auf den Entlassungstag eine Arbeitsunfähigkeit. Dennoch meinte die Krankenkasse, kein Krankengeld zahlen zu müssen – die rückwirkende Bescheinigung hätte der Frau den Anspruch nicht mehr verschaffen können. Die Krankenkasse war sogar der Ansicht, aufgrund der um einen Tag verspäteten ärztlichen Feststellung den Verlust des Krankengeldanspruchs für die noch folgenden 74 Wochen erkennen zu können.
Dagegen klagte die Frau – und erhielt Recht. Denn der Krankengeldanspruch setzt eine ärztliche Feststellung voraus, aber keine besondere Form. Daher wirkte die durch den Klinikarzt bereits getroffene Feststellung fort und deckte die vermeintliche zeitliche Lücke bis zur Bescheinigung durch den Hausarzt ab.
Hinweis: Wieder einmal ein Fall, in dem die Aussage der Krankenkasse nicht stimmte. Manchmal lohnt es sich einfach, vor das Gericht zu ziehen. Das gilt umso mehr, weil für Verfahren vor den Sozialgerichten keine Gerichtskosten anfallen.
Quelle: SG Leipzig, Urt. v. 03.05.2017 – S 22 KR 75/16