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Schlagwort: Ausnahmefällen

Einsicht ins Grundbuch: Einem Miterben darf zur Klärung von Ausgleichspflichten die Einsicht nicht verweigert werden

Das Erbrecht lässt nur in Ausnahmefällen die Kinder eines Erblassers leer ausgehen. Deshalb müssen Abkömmlinge des Erblassers unter bestimmten Voraussetzungen lebzeitige Zuwendungen des Erblassers untereinander ausgleichen. Dass daraus resultierende Ansprüche nur schwer geltend zu machen sind, beweist der folgende Fall des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG).


Eine Frau wurde von ihrem Sohn, ihrer Tochter und den Erbinnen des vorverstorbenen Sohns beerbt. Noch vor ihrem Tod übertrug sie ein Grundstück an die Tochter, die dieses daraufhin verkaufte. Nach dem Tod der Mutter beantragte der Sohn Einsicht in das Grundbuch, um mehr über diesen Grundstücksverkauf zu erfahren. Dies lehnte das Grundbuchamt jedoch ab, da es kein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme erkennen konnte.

Das OLG gab dem Sohn jedoch Recht und führte aus, dass die Einsicht in das Grundbuch jedem gestattet ist, der ein berechtigtes Interesse darlegt. In diesem Fall war der Sohn Miterbe und benötigte die Informationen, um gegebenenfalls Ausgleichsansprüche für das noch zu Lebzeiten der Mutter an die Schwester übertragene Grundstück geltend machen zu können. Das Anliegen des Sohns war nach Auffassung des Gerichts vergleichbar mit dem eines Pflichtteilsberechtigten, dem in der Regel ein berechtigtes Interesse an der Einsicht zugestanden wird.

Hinweis: Ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht ist gegeben, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers besteht. Dabei müssen sachliche Gründe vorgebracht werden, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. Erbrechtliche Ansprüche allein reichen dafür grundsätzlich nicht aus, es muss vielmehr der Einzelfall geprüft werden.

Quelle: OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.06.2019 – 1 W 41/19

Thema: Erbrecht

NPDler mit Waffenschein: Distanzierung von Hetze und rechtstreues Verhalten können vermutete Unzuverlässigkeit widerlegen

Das deutsche Waffenrecht ist zu Recht sehr restriktiv ausgelegt. Grundsätzlich sollen Waffen nur in Ausnahmefällen in Privathände abgegeben werden. Wann und unter welchen Umständen Inhabern eines Waffenscheins eben dieser wieder zu entziehen ist, weil sie sich in verfassungsfeindlichen Parteien engagieren, musste das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) kürzlich bewerten.


Es ging um einen stellvertretenden Vorsitzenden eines NPD-Kreisverbands, der die Partei in einem Kreistag und in einem Gemeinderat vertrat. Die zuständige Behörde widerrief die ihm als Sportschützen erteilte Waffenbesitzkarte, da in seiner Person wegen seiner entsprechenden politischen Aktivitäten keine erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit gegeben sei. Dagegen klagte der Mann.

Unzuverlässig im Sinne des Waffenrechts ist in der Regel auch, wer verfassungsfeindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt. Wer seine Aktivitäten für eine verfassungsfeindliche Partei nicht auf die bloße Mitgliedschaft oder die passive Teilnahme an Veranstaltungen beschränkt, sondern herausgehobene Ämter in der Partei oder einer ihrer Gliederungen übernimmt, bringt damit zum Ausdruck, dass er sich mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Partei in besonderem Maße identifiziert und sich dauerhaft hierfür einsetzen will. Zudem hat ein solcher Funktionsträger maßgeblichen Einfluss auf die Art und Weise, wie sich die Partei nach außen hin präsentiert, und gibt ihr ein Gesicht in der Öffentlichkeit. Entsprechendes gilt für die Wahrnehmung von Mandaten für eine verfassungsfeindliche Partei in einem Parlament oder einer Kommunalvertretung.

Dennoch müssen die Waffenbehörden und die Verwaltungsgerichte im Einzelfall prüfen, ob die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit widerlegt ist. Dies setzt bei Funktions- und Mandatsträgern einer (immerhin nicht verbotenen) Partei nicht zwingend die Niederlegung von Parteiämtern und Mandaten voraus. Dazu verlangt es aber den Beleg einer entschiedenen, beständigen und nach außen erkennbaren Distanzierung von Äußerungen und Verhaltensweisen der Parteimitglieder und -anhänger, die eine Tendenz zur Anwendung, Androhung oder Billigung von Gewalt erkennen lassen oder einschüchternde Wirkung haben. So verwies das BVerwG den Fall zur erneuten Prüfung an das Oberverwaltungsgericht als Vorinstanz zurück.

Hinweis: Die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit für den Besitz von Waffen kann also durch eine nachweisliche Distanzierung von hetzenden Äußerungen und insbesondere durch ein rechtstreues Verhalten widerlegt werden.

Quelle: BVerwG, Urt. v. 19.06.2019 – 6 C 9.18

Thema: Sonstiges

Allgemeines Persönlichkeitsrecht: Betriebsrat darf zu disziplinarischen Personalgesprächen nicht gleichzeitig eingeladen werden

Eine Betriebsvereinbarung ist eine Absprache zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber, von der nur in Ausnahmefällen eine der beiden Parteien einen Rückzieher machen kann. Bei Verstößen gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht macht es allerdings wenig Sinn, auf entsprechende Vereinbarungen zu beharren. Das gilt auch für Betriebsräte, wie der folgende Fall des Bundesarbeitsgerichts (BAG) beweist.

In einer Betriebsvereinbarung wurde vereinbart, dass zu Gesprächen zwischen Geschäftsleitung, Abteilungsleitung und den Arbeitnehmern bezüglich disziplinarischer Maßnahmen gleichzeitig der Betriebsrat eingeladen werden soll. Später jedoch bekam der Arbeitgeber Bedenken und meinte, das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer würde durch die Regelung unterlaufen. Er beachtete die Betriebsvereinbarung folglich nicht mehr. Dagegen zog der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht.

Das BAG urteilte jedoch, dass die Betriebsvereinbarung durchaus gegen die Pflicht verstieß, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Der entscheidende Eingriff lag hier in der gleichzeitigen Einladung des Betriebsrats zu Personalgesprächen. Auf diese Art erfuhren schließlich alle Betriebsratsmitglieder von einer drohenden disziplinarischen Maßnahme aufgrund eines möglichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers. Zudem rügte das BAG die Regelung als nicht angemessen, da der Arbeitnehmer nicht entscheiden konnte, welches Mitglied des Betriebsrats am Gespräch teilnehmen sollte.

Hinweis: Eine Regelung, nach der bei Personalgesprächen stets ein Mitglied des Betriebsrats anwesend sein muss, ist unwirksam. Sie verstößt gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers.

Quelle: BAG, Beschl. v. 11.12.2018 – 1 ABR 12/17

Thema: Arbeitsrecht

Was macht mein Kind?: Bei begründetem Verdacht auf Rechtsmissbrauch verfällt das elterliche Auskunftsrecht

Wird bei einer Trennung über die Kinder gestritten, geht es dabei in der Regel um das Sorge- und das Umgangsrecht. Sollte einem Elternteil beides nicht zustehen oder er nicht imstande sein, sein entsprechendes Recht auszuüben (z.B. bei einer Gefängnisstrafe), hat dieser jedoch immer noch einen allgemeinen Auskunftsanspruch über die Situation seiner Kinder. Ihn hierbei zu übergehen, ist nur schwer möglich.

Über die persönlichen Verhältnisse seines Kindes kann ein Elternteil vom anderen immer dann Auskunft verlangen, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt. So steht es im Gesetz. Dieses Interesse wird danach erst einmal grundsätzlich vorausgesetzt. Die Auskunft über das eigene Kind ist nur in solchen Ausnahmefällen nicht zu erteilen, in denen eine entsprechende Auskunft dem Wohl des Kindes klar widerspricht. Das ist der Fall, wenn mit der Auskunft rechtsmissbräuchliche Ziele verfolgt werden – zum Beispiel, wenn durch die Auskunft der Aufenthaltsort des Kindes ausfindig gemacht werden soll, um es zu entführen. Um eine solche Gefahr zu begründen, kommt es nicht auf die subjektive Meinung des betreuenden Elternteils an, sondern darauf, dass die genannte Gefahr objektiv nachgewiesen werden kann. Schmähende Äußerungen, die gewisse Verdachtsmomente aufkommen lassen, reichen dafür nicht aus.

Hinweis: Nur in seltenen Ausnahmefällen kann mit Erfolg verweigert werden, dem anderen Elternteil wenigstens in regelmäßigen Abständen etwas über das Kind zu berichten und Fotos zur Verfügung zu stellen. Kosten, die mit dieser Informationsübermittlung verbunden sind, hat der die Auskunft Begehrende zu zahlen. Die Situation ist unerfreulich, wenn die Eltern zerstritten sind und der betreuende Elternteil vor dem anderen Angst hat. Diesen Preis hat man jedoch zu zahlen, wenn man sich auf ein gemeinsames Kind eingelassen hat.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 25.11.2015 – 2 WF 191/15
Thema: Familienrecht

Dreizeugentestament: Wirksamkeitsvoraussetzungen für Nottestamente sind sehr eng gesteckt

Steht der Tod des Erblassers kurz bevor, gibt es die Möglichkeit, ein Nottestament zu errichten.

Gerade in Krankenhäusern, etwa vor schwierigen Operationen, wird von dieser Möglichkeit häufig Gebrauch gemacht. Bei der Errichtung solcher Testamente kommt es jedoch immer wieder zu Schwierigkeiten, da diese nur in Ausnahmefällen zulässig sind und weil wichtige Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht beachtet werden.

Eine ältere Frau lag im Krankenhaus und befürchtete, bald zu sterben. Daher rief sie ihre zwei Cousinen und ihren langjährigen Bankberater zu sich, um ein Testament zu errichten. Da sie nicht mehr flüssig schreiben konnte, setze eine der Cousinen das Testament auf, das die Erblasserin sowie eine anwesende Krankenschwester unterschrieben.

Das Gericht ging davon aus, dass ein Dreizeugentestament nur wirksam ist, wenn die Zeugen in dem Bewusstsein und mit der Bereitschaft, an der Errichtung eines Nottestaments als Zeugen mitzuwirken, handeln. Im vorliegenden Fall konnte aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Beteiligten sich dieser Zeugenfunktion bewusst waren. Vielmehr dachten sie, dass sie der Erblasserin bei der Errichtung eines handschriftlichen Testaments helfen. Somit lag kein wirksames Dreizeugentestament vor. Ein wirksames eigenhändiges Testament lag ebenfalls nicht vor, da die Erblasserin es nicht selbst geschrieben hatte.

Hinweis: Ein Testament kann grundsätzlich zur Niederschrift eines Notars (notarielles Testament) oder durch eigenhändige Niederschrift des Erblassers (eigenhändiges Testament) errichtet werden. Wenn zu befürchten ist, dass der Erblasser bald stirbt und kein Notar erreichbar ist, kann ein Testament in Notfällen auch zur Niederschrift des Bürgermeisters errichtet werden. Ist auch dies nicht möglich, kann ein sogenanntes Dreizeugentestament oder Nottestament errichtet werden. Dies ist jedoch nur zulässig, wenn objektiv eine Todesgefahr vorliegt, der Erblasser also wenige Tage später stirbt, und kein Notar erreichbar war. Zudem müssen sich die Zeugen ihrer Beurkundungsfunktion bewusst sein. Ein Dreizeugentestament ist somit nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig und wirksam. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig seine erbrechtlichen Angelegenheiten zu regeln.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.06.2015 – I-3 Wx 224/14
Thema: Erbrecht