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Schlagwort: Beeinträchtigungen

Alternative Demonstrationsroute: Behinderung und Gefährdung des Verkehrs sprechen gegen Versammlung auf Autobahn

Unser Grundgesetz garantiert das Recht, sich sowohl in geschlossenen Räumen als auch unter freiem Himmel zu versammeln. Eine solche Versammlung unter freiem Himmel – allgemeinhin als Demonstration bezeichnet – muss entgegen aller Unkenrufe zwar nicht genehmigt, aber in aller Regel gemäß Versammlungsgesetz angemeldet werden. Warum? Damit die Ordnungsbehörden einen sicheren und ungestörten Verlauf der Demonstration garantieren können. Und wenn ein solcher Verlauf nicht mehr gesichert werden kann, muss ein Gericht, wie im folgenden Fall das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG), das letzte Wort sprechen.

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Füttern verboten: Taubenfütterung darf nicht zur Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks führen

Bei Tauben stößt die Tierliebe von Stadtbewohnern besonders schnell an ihre Grenzen. Das größtenteils ungeliebte Federvieh führte daher nun auch zwei benachbarte Streitparteien vor das Landgericht Frankenthal (LG).

Eine Frau hatte immer wieder größere Mengen Brot sowie sonstige Lebensmittel auf ein Garagendach geworfen und dadurch Tauben und andere Vögel angelockt. Da Tiere eben auch spezielle Essensvorlieben haben, verschleppte das Geflügel das Brot unter anderem auch auf die Nachbargrundstücke. Ein Nachbarehepaar klagte dagegen an und machte geltend, dass es zur Verschmutzung seines Grundstücks komme. Vor allem aber seien ihre im Garten lebenden Schildkröten gefährdet, denn diese würden krank, wenn sie das ausgelegte Brot fressen.

Nach dem Urteil des LG hat die Frau künftig die Fütterung zu unterlassen, damit es nicht zu Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks kommt. Hält sie sich nicht daran, muss sie mit einem erheblichen Ordnungsgeld oder sogar einer Ordnungshaft rechnen. Diese recht heftig erscheinende Androhung war in den Augen des LG erforderlich, damit die Frau ihre falsch verstandene Tierliebe künftig unterlässt.

Hinweis: Niemand muss eine Verschmutzung seines Grundstücks hinnehmen, die von einem Dritten verursacht wird. Deshalb können sich Nachbarn auch gegen eine unrechtmäßige Fütterung von Tauben wehren.

Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 24.04.2021 – 2 S 199/20

Thema: Sonstiges

MPU-Anordnung II: Wer Cannabiskonsum und Führen eines Fahrzeugs nicht trennen kann, muss sich fügen

Bei Cannabiskonsum fehlt es immer noch an wissenschaftlich eindeutigen Grenzwerten, auf denen die Rechtsprechung verlässlich aufbauen kann, wenn es um die Teilnahme im Straßenverkehr geht. Daher sollten sich Kiffer besser an den Grundsatz halten: Don’t smoke and drive! Sonst landet man schneller vor dem Richter, als einem lieb ist – so wie der Konsument im folgenden Fall vor dem Verwaltungsgericht Koblenz (VG).

Der Mann sah sich der Anordnung der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) und der Entziehung seiner Fahrerlaubnis ausgesetzt, nachdem durch eine Blutprobe anlässlich einer Polizeikontrolle Cannabiskonsum nachgewiesen wurde.

Zwar verbiete sich in solchen Fällen die Anordnung einer MPU – aber nur, wenn der Fahrzeugführer zwischen Konsum und Fahren zu trennen wisse. Hiervon konnte im vorliegenden Fall laut VG aber nicht ausgegangen werden. Denn zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle habe der Betroffene unter akutem Einfluss von Cannabis gestanden. Zudem habe seine Blutprobe einen so hohen Wert ausgewiesen, dass schon nach statistischen Erhebungen von Beeinträchtigungen wie Antriebssteigerungen, erhöhter Risikobereitschaft sowie einer Herabsetzung der Sehschärfe mit verzögerten Reaktionen auszugehen sei. Dass der Mann zudem entsprechende Ausfallerscheinungen – wie Augenlidflattern und starkes Zittern der Hände – aufzeigte, machte sein Ansinnen umso erfolgloser.

Hinweis: Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Betroffene – wie hier – nicht zwischen Konsum und Fahren zu trennen imstande ist, ist nach ständiger Rechtsprechung die Anordnung einer MPU nicht rechtswidrig.
 

Quelle: VG Koblenz, Beschl. v. 23.06.2020 – 4 L 494/20.KO

 Thema: Verkehrsrecht

Die entnervte Nachbarschaft: Häusliches Musizieren ist als grundrechtlich geschützte freie Entfaltung in Grenzen hinzunehmen

Dass nicht nur Hobbymusiker, sondern auch Musikprofis die Geduldsfäden ihrer Nachbarn extrem anspannen können, scheint logisch – zumindest, wenn die Musizierenden in einer reinen Wohngegend üben. Gerade Doppelhaushälften und Reihenhäuser können dann Probleme verursachen, wenn Immissionen aus dem Nachbarhaus herüberdringen. Dass solche Fälle nicht einfach zu entscheiden sind, zeigt der Fakt, dass der folgende Fall bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging.

Der Eigentümer des Reihenhauses in einem reinen Wohngebiet war Berufstrompeter und übte sowohl im Erdgeschoss als auch in einem Probenraum im Dachgeschoss. Schließlich verlangten seine Nachbarn von ihm das Ergreifen von Maßnahmen, damit das Trompetenspiel bei ihnen im Haus nicht mehr zu hören ist.

Der BGH hat hierzu durchaus differenzierte Meinungen von sich gegeben. Bei einem richterlichen Ortstermin war festgestellt worden, dass das Trompetenspiel im Dachgeschoss im Wohnzimmer der Kläger im Erdgeschoss nicht und in deren Schlafzimmer im Dachgeschoss nur leise zu hören war. Übte der Trompeter allerdings in seinem Wohnzimmer im Erdgeschoss, war sein Spiel im angrenzenden Wohnzimmer der Kläger in „schwacher Zimmerlautstärke“ zu vernehmen. Ein Unterlassungsanspruch existiert aber nicht, wenn die Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind. Was unwesentlich oder gar wesentlich ist, muss stets im Einzelfall festgelegt werden.

Das häusliche Musizieren gehört zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung und ist in gewissen Grenzen hinzunehmen. Es bildet einen wesentlichen Teil des Lebensinhalts und kann von erheblicher Bedeutung für die Lebensfreude sowie das Gefühlsleben sein und gehört zu der grundrechtlich geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit. Dabei hat ein Berufsmusiker, der sein Instrument im häuslichen Bereich spielt, nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als ein Hobbymusiker – und umgekehrt. Wie die zeitliche Regelung im Einzelnen auszusehen hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Eine Beschränkung auf zwei bis drei Stunden an Werktagen und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen (jeweils unter Einhaltung der üblichen Ruhezeiten in der Mittags- und Nachtzeit) kann als grober Richtwert dienen. Ein nahezu vollständiger Ausschluss für die Abendstunden und das Wochenende kommt jedoch nicht in Betracht. Dies ließe nämlich außer Acht, dass Berufstätige und Schüler häufig nur abends und am Wochenende Zeit für das Musizieren finden. Der BGH musste die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückverweisen, damit diese die Zeiten, zu denen musiziert werden darf, abschließend festlegen kann.

Hinweis: Selbstgemachte Musik und insbesondere Trompetenspiel im eigenen Reihenhaus darf also nicht völlig verboten werden und gehört zu der grundrechtlich geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit.

Quelle: BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 143/17

Thema: Mietrecht

Gutachtenüberlassung bei Betreuung: BGH bestätigt wichtigen Unterschied zwischen Verfahrenspfleger und Verfahrensbevollmächtigten

Wer welche Rechte für unter Betreuung stehende Menschen vertreten darf, hat der Bundesgerichtshof (BGH) im folgenden Fall dargelegt.

 

Psychisch Erkrankten und Menschen mit körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung wird ein Betreuer bestellt, sobald sie ihre Angelegenheiten aufgrund von Beeinträchtigungen ganz oder teilweise nicht mehr besorgen können. So ist gesetzlich geregelt, wann eine Betreuung eingerichtet wird. Der Gesetzgeber achtet dabei aber sorgfältig darauf, dass ein unter Betreuung Stehender in der Folge nicht rechtlos wird. Im Gesetz ist daher unter anderem ausdrücklich geregelt, dass gegen den freien Willen eines Volljährigen kein Betreuer bestellt werden darf. Zur Folge hat dies, dass vor der Einrichtung der Betreuung und der Betreuerbestellung ein Gutachten eingeholt wird, um festzustellen, ob derjenige, bei dem die Frage nach der Betreuung geprüft wird, noch zur freien Willensbildung in der Lage ist. Dieses Gutachten muss dem Betroffenen zur Verfügung gestellt werden. Er muss zu den Feststellungen des Gutachters bezüglich seiner freien Einsichts- und Handlungsfähigkeit Stellung nehmen können.

In diesem Zusammenhang wurde dem BGH ein Fall vorgelegt, bei dem ein Mann wegen paranoid-halluzinatorischer Psychose unter Betreuung stand, deren Aufhebung er begehrte. Daraufhin wurde ein Gutachten zur Bewertung seines Zustands eingeholt. Der Betroffene hatte eine Verfahrensbevollmächtigte, eine Rechtsanwältin, eingeschaltet. Diese erhielt das Gutachten dann auch zur entsprechenden Stellungnahme. Der Betroffene selber erhielt es jedoch nicht unmittelbar vom Gericht, obgleich er dies ausdrücklich verlangte. Genau das beanstandete der Betroffene – laut BGH jedoch zu Unrecht. Denn die Überlassung des Gutachtens an die Bevollmächtigte sei wie die Überlassung direkt an den Betroffenen zu behandeln.

Hinweis: Ein Verfahrenspfleger ist etwas anderes als ein Verfahrensbevollmächtigter. Die Aufgaben sind andere. Der Verfahrenspfleger ist nicht der selbst gewählte Vertreter desjenigen, um dessen Betreuung es geht. Die Übermittlung an den Verfahrenspfleger ersetzt – anders als beim Verfahrensbevollmächtigten – daher nicht die Zustellung an die Person, um deren Betreuung es geht.

Quelle: BGH, Beschl. v. 28.03.2018 – XII ZB 168/17

Thema: Familienrecht

Solardach mit Blendeffekt: Nachbarn müssen erhebliche Einschränkungen durch Photovoltaikanlage nicht hinnehmen

Zu den Klassikern der Nachbarschaftsstreitigkeiten kommt mit diesem Fall eine neue Facette zu Solaranlagen hinzu.

Der Eigentümer eines Grundstücks betrieb auf seinem Dach eine Photovoltaikanlage, die jedoch seinen Nachbarn erheblich blendete. Dieser sah somit die Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstücks als erheblich beeinträchtigt an und zog deshalb vor Gericht – mit Erfolg!

Ein Sachverständiger bestätigte, dass an mehr als 130 Tagen im Jahr eine erhebliche Blendwirkung von bis zu zwei Stunden am Tag auftrat. Eine Tatsache, die der Kläger nicht dulden muss. Selbst die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten der Förderung solcher Solaranlagen ist hierbei unerheblich und führt zu keiner grundsätzlichen Duldungspflicht im Nachbarrecht.

Hinweis: Es gilt noch immer der Grundsatz, dass vom Nachbargrundstück keine Beeinträchtigungen auf das eigene Grundstück erfolgen dürfen. Welche Ausnahmen es gibt, weiß am besten der Rechtsanwalt.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.07.2017 – I-9 U 35/17

zum Thema: Mietrecht