Nutzt man bei Glätte auf einem Parkplatz einen erkennbar nicht gestreuten und geräumten Weg, hat man im Ernstfall womöglich keinen Anspruch auf Schmerzensgeld für durch einen Sturz erlittene Verletzungen. Das folgende Urteil des Amtsgerichts Augsburg (AG) zeigt, unter welchen Umständen das der Fall ist.
Eine Frau fuhr im Januar mit ihrem E-Bike auf einen Parkplatz, um Post auszuliefern. An diesem Tag herrschten winterliche Wetterverhältnisse, der Parkplatz war erkennbar glatt und nicht geräumt. Schließlich kam die Frau auf dem Parkplatz zu Fall und verletzte sich am Steißbein, am Becken und am Knie. Ihre diesbezüglich beim AG eingereichte Klage begründete sie mit der Verletzung der sogenannten Verkehrssicherungspflicht. Sie warf dem Pflichtigen vor, dass er die glatten Stellen auf dem Parkplatz nicht geräumt und nicht gestreut habe. Doch so bekannt die Verkehrssicherungspflicht auch sein mag – hier reichte sie für eine Begründung des Schadensersatzanspruchs nicht aus.
Das AG kam nach der Beweisaufnahme nämlich zum Ergebnis, dass der Pflichtige seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hatte, da der Parkplatz nicht vollständig vereist war und außerdem sichere Wege zu den Fahrzeugen vorhanden waren. Eben diese Wege hätte auch die E-Bike Fahrerin nehmen müssen. Sie hätte absteigen und ihr beladenes Fahrrad an den glatten Stellen vorbeischieben müssen.
Dabei stellte das Gericht heraus, dass grundsätzlich jeder Eigentümer eines Grundstücks bei entsprechenden Witterungsverhältnissen den öffentlich zugänglichen Bereich seines Grundstücks von Eis und Schnee zu befreien und für die Begehbarkeit zu sorgen hat. Auf Gehwegen gelten aber strengere Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht als auf Parkplätzen. Auf Parkplätzen muss nicht die gesamte Fläche geräumt werden – es ist vielmehr ausreichend, für einen sicheren Zugang zu den abgestellten Fahrzeugen zu sorgen.
Hinweis: Es entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass auf Parkplätzen nicht die gesamte Fläche geräumt werden muss, sofern für einen sicheren Zugang zu den abgestellten Fahrzeugen gesorgt ist. Nutzern ist im Eigeninteresse also dringend zu empfehlen, mit offenen Augen nach solchen sicheren Wegen Ausschau zu halten und diese zu nutzen.
Thema: | Verkehrsrecht |
Bei Auffahrunfällen auf einer Autobahn kommt der Anscheinsbeweis dann nicht zur Anwendung, wenn zwar feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt im Übrigen aber nicht aufklärbar ist.
Auf einer Autobahn musste ein Autofahrer verkehrsbedingt abbremsen, woraufhin ihm der dahinter befindliche Transporter auffuhr. Der Fahrer des wiederum dahinter folgenden Fahrzeugs fuhr dann seinerseits auf den Transporter auf und erklärte, dessen Fahrer hätte unmittelbar vor ihm mit einem Abstand von einer Fahrzeuglänge die Spur gewechselt und anschließend sofort gebremst. Nur deshalb sei es zu dem zweiten Auffahrunfall gekommen.
Das Amtsgericht Kiel (AG) hat dem Halter des zweiten auffahrenden Pkw Schadensersatz von 50 % zugesprochen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war nicht zu klären, ob es zu dem zweiten Auffahrunfall deshalb kam, weil der Fahrer des Transporters unmittelbar zuvor die Spur gewechselt hatte, oder ob der Fahrer des ihm folgenden Pkw aus Unachtsamkeit oder aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit aufgefahren war. Neutrale Zeugen, die den Unfallhergang beobachtet haben, standen nicht zur Verfügung.
Lässt sich allein nur der Auffahrunfall an sich feststellen, sich aber nicht aufklären, ob es sich um einen typischen Auffahrunfall handelt, oder ob dem Unfallgeschehen ein Spurwechsel des Vorausfahrenden unmittelbar vorausgegangen ist, kommen die Regeln über den Anscheinsbeweis nicht zur Anwendung – zumal wenn sich der Unfall auf einer Bundesautobahn ereignet hat. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass unklar geblieben ist, ob der Fahrer des nachfolgenden Pkw bereits so lange in einer Spur hinter dem Transporter hergefahren ist, dass sich beide Fahrer auf die vorangegangene Fahrbewegung hätten einstellen können.
Hinweis: Das Urteil des AG entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Zwar spricht gegen denjenigen, der auf den Vorausfahrenden auffährt, der Beweis des ersten Anscheins. Dieser Grundsatz ist aber gerade bei Unfällen auf einer Autobahn nicht anzuwenden, wenn ein vorausgegangener Spurwechsel nicht auszuschließen ist.
Quelle: AG Kiel, Urteil vom 27.03.2018 – 115 C 444/17
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