Schlagwort: Bußgeldbescheid

Vorsatz statt Fahrlässigkeit: Alarm an einer Pferdekoppel schließt Vorsatz bei Geschwindigkeitsverstoß nicht aus

Wer sich in einer Notlage wähnt, muss abwägen, ob er sich deswegen über geltende Regeln im Straßenverkehr hinwegsetzt. Denn das Prinzip des Vorsatzes wird auch in Ausnahmesituationen vor den Gerichten ganz sensibel bewertet, so wie es das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) im folgenden Fall getan hat, bei dem ein Mann um das Wohl seiner Pferde fürchtete und deswegen die zulässige Geschwindigkeit erheblich überschritt.

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Trotz hohen Verkehrsaufkommens: Überfahren der Haltelinie und Einfahren in die Kreuzung müssen in einem Zug erfolgen

Welche Verkehrsteilnehmer kennen es nicht: Das Verkehrsaufkommen macht es einem manchmal schwer, sich in ihm ordnungsgemäß durchzuwurschteln. Doch Obacht gilt hier natürlich besonders für alle, die sich motorisiert bewegen möchten. Das zeigt auch das Urteil des Berliner Kammergerichts (KG), das fragliche Situationen auf verkehrsreichen Straßen naturgemäß kennt. Sich diesem dann als sogenannter Kreuzungsräumer zu verkaufen, ist daher besonders schwer, wie der folgende Fall beweist.

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Augenblicksversagen: Beim Rotlichtverstoß an unübersichtlicher Ampelkonstellation kann vom Fahrverbot abgesehen werde

Das folgende Urteil beweist, dass Gerichte bei weitem nicht so lebensfern urteilen, wie es gern behauptet wird. In diesem Fall war es am Amtsgericht Karlsruhe (AG), die Umstände zu bewerten, die zuerst zu einem Rotlichtverstoß und schließlich den Fahrzeugführer zu Gericht führte.

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Selbstverschuldete Verzögerungen: Zulässige Verhängung eines Fahrverbots nach Ablauf von mehr als zwei Jahren seit Tatbegehung

Gut Ding will bekanntlich auch in juristischen Fragen oftmals Weile haben. Wenn ein Beschuldigter jedoch zwischen Einspruch und Urteil gegen einen Bußgeldbescheid und dem damit verbundenen Fahrverbot ganze zwei Jahre warten musste, stellt sich die Frage, ob das Fahrverbot immer noch Bestand haben solle. Die Antwort darauf liefert das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG).

Gegen den hier betroffenen Fahrzeugführer wurde neben einer Geldbuße auch ein Fahrverbot verhängt. Gegen den Bußgeldbescheid legte er Einspruch ein. Ein Urteil in der Sache konnte erst zwei Jahre nach der Tat gesprochen werden, und in diesem wurde das Fahrverbot nicht aufgehoben.

Hinsichtlich dieser Zweijahresfrist kommt es auf den Zeitraum zwischen Tatbegehung und der letzten tatrichterlichen Verhandlung an. Dieser Zeitrahmen führt jedoch nicht automatisch zu einem Absehen von einem Fahrverbot, sondern ist lediglich ein Anhaltspunkt dafür, dass die Prüfung geboten ist, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann. Dann bedarf es besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist. Diese Zweijahresfrist war bei der Entscheidung des Amtsgerichts hier zwar abgelaufen, jedoch ist bei der Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist. Insbesondere muss dann geprüft werden, ob die maßgeblichen Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder ob sie Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind. Hier war vielmehr Ersteres ausschlaggebend, da der Hauptverhandlungstermin mehrfach auf Wunsch des Betroffenen bzw. seines Verteidigers verschoben wurde, und der Betroffene mehrfach nicht zur Hauptverhandlung erschienen ist, ohne sich vorher zu entschuldigen. Daher bestätigte das OLG den Beschluss, dass trotz der langen Dauer hier nicht vom Fahrverbot abzusehen sei.

Hinweis: Grundsätzlich können die Ausschöpfung von Rechtsmitteln und der Gebrauch der dem Betroffenen in der Prozessordnung eingeräumten Rechte nicht als eine von ihm zu vertretende Verfahrensverzögerung entgegengehalten werden. Anderes gilt jedoch, wenn die lange Dauer des Verfahrens (auch) auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Betroffenen liegen. Ungeachtet der Verschleppung des Verfahrens kann auch bei einer Verfahrensdauer von insgesamt mehr als zwei Jahren die Anordnung eines Fahrverbots in Betracht kommen, wenn sich der Betroffene in der Zwischenzeit – also nach der zu ahndenden Ordnungswidrigkeit – weitere Ordnungswidrigkeiten hat zuschulden kommen lassen.

Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.06.2021 – 1 OLG 53 Ss-OWi 221/21

Rechts(un-)sicherheit: Gerichte sind sich über Geschwindigkeitsmessungen ohne Rohmessdatenspeicherung uneins

Daran, ob auch ohne Speicherung von Rohmessdaten eine Geschwindigkeitsüberschreitung zu ahnden ist, scheiden sich die rechtlichen Geister. Dass es für eine sogenannte Rechtssicherheit an der Zeit ist, dass sich der Bundesgerichtshof (BGH) dieser Frage abschließend annimmt, zeigt das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLG).

Dem hier betroffenen Fahrzeugführer wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen. Gegen den ihm zugestellten Bußgeldbescheid verteidigte er sich mit Hinweis auf die kürzlich ergangene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes. Dieser hatte nämlich entschieden, dass Fotos von Geschwindigkeitsmessanlagen, die keine Rohmessdaten speichern, für eine Verurteilung nicht ausreichen. Dies gelte selbst dann, wenn die Geräte von der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB) zugelassen und geeicht seien. Ansonsten sei das Recht auf ein faires Verfahren des Betroffenen verletzt.

Doch dieser Auffassung wollte sich das OLG hier nicht anschließen. Auch Messungen ohne Datenspeicherung seien seiner Ansicht nach durchaus verwertbar. Der BGH habe für den Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten schließlich das standardisierte Messverfahren anerkannt. Die Bauartzulassung durch die PTB indiziere bei Einhaltung der Vorgaben der Bedienungsanleitung und Vorliegen eines geeichten Geräts nämlich die Richtigkeit des gemessenen Geschwindigkeitswerts. Bei Einhaltung der Voraussetzungen dieses Messverfahrens sei das Ergebnis nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH für eine Verurteilung ausreichend. Auch die Messung mit einer Laserpistole, bei der keine Daten gespeichert werden, habe der BGH anerkannt. Für eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Blitzgerät könne nach Meinung des OLG daher nichts anderes gelten.

Hinweis: Es wäre im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung, wenn nunmehr ein OLG durch Vorlage eine Entscheidung zu solchen Fallkonstellationen durch den BGH herbeiführen würde.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 09.09.2019 – 2 Ss (Owi) 233/19

Thema: Verkehrsrecht

Section control: Seit April gilt eine neue Geschwindigkeitsüberwachung auf serbischen Autobahnen

Wer seine Autobahnroute bislang in oder durch Serbien beschritt und meint, in den dortigen Verkehrsverhältnissen firm zu sein, sollte die folgende Neuerung unbedingt kennen.

Seit dem 17.04.2018 werden auf serbischen Autobahnen regelmäßig Geschwindigkeitsmessungen basierend auf sogenannten Abschnittskontrollen (Section control) durchgeführt. Erreicht man eine Mautstelle auf einer Autobahn, erhält man nach dem Bezahlen eine Quittung, auf dem die Uhrzeit und die Mindestfahrdauer bis zur nächsten Mautstelle notiert sind. Die Mindestfahrdauer errechnet sich aus der Entfernung zwischen den Mautstellen und der auf der Autobahn zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Wird die nachfolgende Mautstelle früher erreicht, wird hieraus der Schluss auf eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf serbischen Autobahnen geschlossen, die zurzeit bei 120 km/h liegt. Einer Ahndung in der Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgt teilweise durch Polizeibeamte direkt vor Ort. Die Geldbuße wird dann direkt kassiert. Möglich ist aber auch, dass ein Bußgeldbescheid nach Deutschland verschickt wird. Und eine Vollstreckung aus einem solchen rechtskräftig gewordenen Bußgeldbescheid ist in Serbien drei Jahre lang möglich.

Hinweis: Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung bis 20 km/h wird eine Geldbuße von 25 EUR fällig, bei einer Überschreitung bis 40 km/h in Höhe von 43 EUR und ab 41 km/h eine Geldbuße zwischen 50 und 1.000 EUR, wobei mindestens ein Fahrverbot von 30 Tagen verhängt wird. Eine Beschlagnahme des Fahrzeugs durch die Polizei ist allerdings nicht zulässig. Weiterhin ist zu beachten, dass eine grenzüberschreitende Vollstreckung von Geldbußen in Deutschland nicht möglich ist, da es insofern an einem Vollstreckungshilfeabkommen zwischen Deutschland und Serbien fehlt.

zum Thema: Verkehrsrecht

Zeugnisverweigerungsrecht: Beklagter darf nicht mit Auslagen sanktioniert werden, wenn sein Schweigen das Verfahren stoppt

Um nahe Angehörige zu schützen, kann es durchaus ratsam sein, entlastende Umstände zunächst zurückzuhalten. Dass man sich dabei nicht gleich selbst belasten muss, zeigt der folgende Fall.

Bei einer Geschwindigkeitsmessung wurde durch den Fahrer eines Pkw die zulässige Geschwindigkeit um 24 km/h überschritten. Die zuständige Bußgeldstelle schickte dem Halter einen Anhörungsbogen, den dieser mit dem Vermerk zurückschickte, dass er nicht Fahrzeugführer sei. Zudem teilte er mit, sich auf dem Bild nicht erkennen zu können. Dennoch erließ die Bußgeldbehörde einen Bußgeldbescheid gegen ihn. Gegen diesen legte der Mann Einspruch ein und teilte nach Ablauf der Verjährungsfrist mit, dass seine Verlobte Fahrzeugführerin gewesen sei. Daraufhin stellte die Bußgeldbehörde das Verfahren ein. Dem Mann wurde aber aufgegeben, seine Auslagen selbst zu tragen.

 

Das Amtsgericht Soltau hat daraufhin jedoch entschieden, dass der Hinweis auf den Fahrer zwar verspätet erfolgt, nach der Rechtsprechung aber der Schutz eines nahen Angehörigen vor Verfolgung als billigenswerter Grund anzusehen ist und daher entlastende Umstände zunächst durchaus zurückgehalten werden können. Da der Betroffene eidesstattlich versichert hat, dass es sich bei der Fahrerin um seine Verlobte handelte, war es daher zulässig, diese nicht schon zu einem Zeitpunkt zu benennen, in der Verfolgungsverjährung noch nicht eingetreten war.

Hinweis: Der Betroffene muss hier allerdings damit rechnen, dass die Führerscheinstelle ihm die Auflage erteilen wird, für sein Fahrzeug ein Fahrtenbuch zu führen. Erstaunlicherweise ist es möglich, in den Fällen eine Fahrtenbuchauflage zu erteilen, in denen der Betroffene von seinem Zeugnisverweigerungsrecht in zulässiger Weise Gebrauch macht.

Quelle: AG Soltau, Beschl. v. 06.03.2017 – 10 OWi 230/16

zum Thema: Verkehrsrecht

„Ende der Autobahn“: Das Verkehrszeichen ordnet keine automatisch geltende Geschwindigkeitsbegrenzung an

Das Verkehrszeichen 330.2 „Ende der Autobahn“ zeigt lediglich an, dass die besonderen Regeln für die Autobahn nicht mehr gelten. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung wird hiermit nicht angeordnet.

Ein Pkw-Fahrer befuhr eine Autobahn und passierte das Schild „Ende der Autobahn“. Anschließend erfolgte eine Geschwindigkeitsmessung, bei der eine Geschwindigkeit von 76 km/h festgestellt wurde. Die Bußgeldbehörde erließ daraufhin einen Bußgeldbescheid über 120 EUR wegen einer innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Betroffene Einspruch ein. Das zuständige Amtsgericht bestätigte allerdings die festgesetzte Geldbuße.

Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) hat das Urteil des Amtsgerichts dann jedoch aufgehoben und die Angelegenheit zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Denn: Die alleinige Tatsache, dass der Betroffene das Verkehrsschild „Ende der Autobahn“ passiert habe, sei noch nicht gleichbedeutend mit einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften. Mit diesem Verkehrsschild wird lediglich angezeigt, dass die besonderen Regeln für die Autobahn nicht mehr gelten. Es wird allerdings keine Geschwindigkeitsbeschränkung mit dem Passieren des Schilds angeordnet. Das Amtsgericht hätte daher klären müssen, ob sich hinter dem Verkehrsschild ein Ortseingangsschild befand oder ob der entsprechende Charakter einer solchen geschlossenen Ortschaft eindeutig gewesen ist. Dies hätte dann nämlich automatisch dazu geführt, dass eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erlaubt gewesen wäre.

Hinweis: In einer weiteren Verhandlung muss das Amtsgericht nun klären, ob tatsächlich ein Ortseingangsschild im Bereich des Messbereichs aufgestellt war oder für den Fahrzeugführer anderweitig erkennbar gewesen hätte sein müssen, dass er sich mit Passieren des Schilds in einer geschlossenen Ortschaft befindet. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass beim Fehlen einer Ortstafel eine geschlossene Ortschaft erst dann beginnt, wenn dies aufgrund einer geschlossenen Bauweise eindeutig erkennbar ist.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2015 – 5 RBs 34/15
Thema: Verkehrsrecht

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