Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat kürzlich entschieden, dass sich Adressaten einer Fahrtenbuchanordnung, die sich gegen die Verwertung einer Geschwindigkeitsmessung mit standardisiertem Messverfahren wehren, nur dann auf einen begrenzten Zugang zu Rohmessdaten berufen können, wenn sie zuvor alles Zumutbare unternommen haben, einen vollständigen Datenzugang rechtlich durchzusetzen.
Wenn nach einer Trunkenheitsfahrt keine Ahndung der begangenen Ordnungswidrigkeit erfolgt ist, ist man noch lange nicht aus dem Schneider. Denn das folgende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zeigt, was passieren kann, wenn die Zuwiderhandlung mit hinreichender Gewissheit feststeht und sie in zeitlicher Hinsicht noch verwertbar ist.
Nicht jeder erwerbstätige Mensch träumt vom Ruhestand, und so ist es nicht mehr ungewöhnlich, nach Erreichen des Rentenalters weiterhin beruflich aktiv zu bleiben. Dass dieses Anrecht auch für Menschen mit Behinderungen gelten kann, hat kürzlich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) festgestellt. Anlass für das entsprechende Urteil war die Klage eines Betroffenen, der die Kostenübernahme seiner Arbeitsassistenz auch nach Eintritt in die Altersrente begehrte.
Wenn die leibliche Mutter einverstanden ist, kann jeder Mann die Vaterschaft anerkennen und damit zum rechtlichen Vater werden. Die leibliche Abstammung wird nirgends geprüft – zumindest nicht grundlos. Da über die Vaterschaft jedoch auch rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter geschaffen werden, kann eine solche Prüfung durchaus durch die Ausländerbehörde veranlasst werden. Vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) landete kürzlich ein solcher Fall.
Das im April von einem Familienrichter in Weimar gefällte – mittlerweile reviderte – Urteil ging bundesweit durch die Medien: Schüler sollten weder Masken tragen noch Abstände einhalten oder an Schnelltests teilnehmen. Zudem sollte weiterhin Präsenzunterricht stattfinden. Der Aufschrei war daraufhin auch auf juristischer Seite groß, denn es bestanden große Zweifel darüber, ob das Amts- bzw. Familiengericht überhaupt zuständig gewesen sei und ob in solchen Fragen nicht künftig auf die Verwaltungsgerichte (VG) verwiesen werden müsse. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat dazu nun verbindlich Stellung genommen.
Die Frage der Zuständigkeit schlug hohe Wellen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bezeichnete den Beschluss des Familienrichters einschließlich seiner Ergebnisse als „ausbrechenden Rechtsakt“. Das VG in Weimar führte in einem Eilbeschluss aus, dass der Weimarer Beschluss „offensichtlich rechtswidrig“ war. Weitere Richter wiesen ähnlich geartete Anträge als unzulässig (keine Zuständigkeit für die Überprüfung von infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen) oder als unbegründet ab (keine konkrete Kindeswohlgefährdung). Andere Gerichte verwiesen direkt an die VG.
Das BVerwG entschied nun, dass eine Verweisung zum VG nicht bindend sei. Für die Entscheidung über eine an ein Amtsgericht gerichtete Anregung, die auf gerichtliche Anordnungen gegen eine Schule wegen Coronaschutzmaßnahmen zielt, seien die Amts- bzw. Familiengerichte zuständig. Die Verweisung an ein VG wegen eines groben Verfahrensverstoßes sei als Ausnahme nicht bindend – sie würde ansonsten zu Brüchen mit den Prozessgrundsätzen der Verwaltungsgerichtsordnung führen. Diese Verwaltungsgerichtsordnung kennt nämlich keine von Amts wegen einzuleitenden Verfahren. Sie überlässt es vielmehr dem Kläger bzw. dem Antragsteller, ob und mit welcher Zielrichtung er ein Verfahren einleiten will. Wäre dem nicht so, fänden sich Kinder sonst in der Rolle von Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens wieder. Das entspräche weder ihrem Willen noch ihrer vormaligen Stellung vor dem Amtsgericht. Deshalb erweist sich die Verweisung mit den geltenden Prinzipien als unvereinbar und löst für das VG keine Bindungswirkung aus.
Hinweis: Es bleibt also dabei, dass die Familiengerichte gemäß § 1666 BGB auf eine Kindeswohlgefährdung prüfen müssen, wenn ein solcher Antrag gegen Coronaschutzmaßnahmen eingereicht wird.
Es gibt immer wieder Maulhelden, die damit prahlen, trotz mutmaßlich hohem Alkoholfüllstand „nichts zu merken“ und sich vor allem auch nichts anmerken zu lassen. Dass einer solchen Behauptung zumeist auch ein entsprechendes (Fehl-)Verhalten folgt, wissen auch die Gerichte. So musste das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Folgenden die Entscheidung einer Fahrerlaubnisbehörde bewerten, die ihrerseits auch ihre Pappenheimer kennt. Denn – man ahnt es – um die „Pappe“ ging es auch hier.
Nach einer Trunkenheitsfahrt wurde ein Autofahrer, dessen Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 ‰ ergab, zu einer Geldstrafe verurteilt. Zudem wurde dem Mann, der trotz des Alkoholeinflusses keine Ausfallerscheinungen aufzeigte, die Fahrerlaubnis entzogen. Als er nach Ablauf der Frist die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragte, forderte die Fahrerlaubnisbehörde von ihm die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) zur Klärung der Frage, dass er kein Kraftfahrzeug unter einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss führen werde. Dies lehnte der Betroffene ab – mit der Folge, dass sein Antrag abgelehnt wurde.
Das BVerwG gab der Fahrerlaubnisbehörde Recht. Diese durfte auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, da er ihr kein positives MPU-Ergebnis vorgelegt hatte. Sie hatte von ihm zu Recht die Beibringung eines solchen Gutachtens gefordert. Besonders der Umstand, dass der Betroffene trotz eines bei seiner Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug festgestellten hohen Blutalkoholpegels keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen aufwies, rechtfertige die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Denn bei Personen, die aufgrund ihres Trinkverhaltens eine hohe Alkoholgewöhnung erreicht haben, bestehe eine erhöhte Rückfallgefahr.
Hinweis: Die Fahrerlaubnisbehörde kann zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung einer Fahrerlaubnis die Vorlage einer MPU verlangen, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können.
Es ist zwar recht selten, dass einem Mitglied des Betriebs- oder des Personalrats fristlos gekündigt wird. Da dies jedoch durchaus vorkommen kann, war es im Folgenden am Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), die Auswirkungen einer solchen Kündigung auf die Tätigkeit als Gremiumsmitglied auszuweisen.
Ein Personalratsmitglied wurde fristlos entlassen und ging gegen diese Kündigung vor. Der Mann wollte zum einen erreichen, dass er trotz der fristlosen Entlassung sein Amt zumindest noch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter ausüben darf. Per Eilverfahren wollte er zum anderen den Leiter seiner Dienststelle und des Gesamtpersonalrats verpflichten, ihn bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Ausübung seines Personalratsamts zu behindern.
Die Richter des BVerwG meinten jedoch, dass eine Voraussetzung für die weitere Ausübung des Personalratsamts sei, dass das gekündigte Personalratsmitglied darlegen müsse, dass die angegriffene Kündigung offensichtlich unwirksam sei. Erst somit sei kein anzunehmender Zweifel am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Dazu hatte das Personalratsmitglied in diesem Fall aber nicht genügend vorgetragen, so dass der Mann mit seinem Antrag scheiterte.
Hinweis: Betriebsräte und Personalräte sind zwar gesetzlich geschützt und genießen einen sogenannten besonderen Kündigungsschutz. Der hilft aber eben auch nicht immer, da sich eben alle an Recht und Gesetz halten müssen.
Ein Unternehmen darf unter bestimmten Gesichtspunkten eine ausnahmebedingte Sonntagsarbeit anordnen. Doch Vorsicht: Wer sich als Unternehmer mit Kundenversprechen zu weit aus dem Fenster lehnt, für den gilt die Ausnahme der Ausnahmen. Doch lesen Sie selbst, was und warum das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im folgenden Fall entscheiden hat.
Ein Onlineversandhandel hatte die Bewilligung von Sonntagsarbeit für 800 Arbeitnehmer an zwei Adventssonntagen bei der zuständigen Behörde beantragt. Ohne die Sonntagsarbeit drohte ein Überhang von 500.000 Bestellungen bis Weihnachten. Als die Behörde die Sonntagsarbeit genehmigte, zog eine Gewerkschaft dagegen vor Gericht.
Das BVerwG urteilte, dass nach dem Arbeitszeitgesetz die zuständige Behörde an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen die Beschäftigung von Arbeitnehmern durchaus bewilligen kann, sofern besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens diese erfordern. Besondere Verhältnisse sind vorübergehende Sondersituationen, die eine außerbetriebliche Ursache haben. Sie dürfen also nicht vom Arbeitgeber selbst geschaffen worden sein. Doch hier war der Bedarf für die beantragte Sonntagsarbeit auf auf eben solche innerbetrieblichen Umstände zurückzuführen. Denn – und jetzt wird es interessant und entscheidend! – die Lieferengpässe wurden durch die kurz vor dem Weihnachtsgeschäft eingeführte Zusage kostenloser Lieferung am Tag der Bestellung verstärkt. Deshalb musste das Gericht hier auch erst gar nicht darüber entscheiden, ob allein schon saisonbedingt ein erhöhter Auftragseingang eine Sondersituation darstelle, die eine Bewilligung von Sonntagsarbeit rechtfertigen könne.
Hinweis: Möchte ein Unternehmen einmal Sonntagsarbeit einführen, können diese Ausführungen des BVerwG helfen.
Auch Trunkenheitsfahrten auf fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen – wie einem Fahrrad – können empfindliche Folgen haben. Dass der promillelastige Verkehrsteilnehmer im folgenden Fall, der bis vor das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ging, dabei jedoch Glück hatte, lag nur am schlechten Timing der zuständigen Behörden.
Im Juni 2013 wurde der hier klagende Mann mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,88 ‰ erwischt, als er auf einem Fahrrad am Straßenverkehr teilgenommen hatte. Anfang 2017 wurde er dann schließlich aufgefordert, binnen drei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) vorzulegen, ob er auch zukünftig ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen und mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch unter Alkoholeinfluss mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen werde. Nachdem er dieser Aufforderung nicht nachkam, entzog ihm die Behörde die Fahrerlaubnis aller Klassen und untersagte ihm zudem auch das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge. Diese Regelungen stützte die Behörde darauf, dass der Kläger das Fahreignungsgutachten nicht beigebracht habe. Dagegen klagte der Mann nun bis vor das BVerwG – und das sogar mit Erfolg.
Das BVerwG hat entschieden, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist, da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Zudem habe nicht berücksichtigt werden dürfen, dass der Kläger das wegen der Trunkenheitsfahrt zu Recht von ihm geforderte Fahreignungsgutachten nicht vorgelegt hatte. Denn – und dies war entscheidend: Zu diesem Zeitpunkt war die Frist für die Tilgung der strafgerichtlichen Ahndung seiner Trunkenheitsfahrt im Fahreignungsregister bereits abgelaufen.
Hinweis: Der Umstand, dass die Tilgungsreife zum Zeitpunkt einer rechtmäßigen Aufforderung zur Beibringung einer MPU und auch zum Zeitpunkt der Untersagung noch nicht eingetreten war, hat keine Bedeutung, wenn der Betroffene den Rechtsweg beschreitet und zum Zeitpunkt der Entscheidung die Straftat wegen Tilgungsreife nicht mehr berücksichtigt werden darf.
Die schöne Stadt Flensburg genießt unter vielen Kraftfahrzeughaltern einen unverdient schlechten Ruf. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat zum unliebsamen Punkteregister nun eine Grundsatzentscheidung getroffen, die so manchem Bleifuß bei glücklichem Timing unerhoffte Erleichterung seines überlasteten Verstoßkontos bringt.
Auslöser hierfür war ein Betroffener, der sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen Erreichens von acht Punkten im Fahreignungsregister wandte, da er bei einem solchen Punktestand automatisch als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erklärt wurde. Als ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entzog, begab er sich auf den Rechtsweg. Denn seine bereits bestehenden Eintragungen mit insgesamt vier Punkten wären zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits zu löschen gewesen. Das Verwaltungsgericht München meinte jedoch, dass bei seinem erneuten Verstoß auf den maßgeblichen Tattag und nicht auf die Verwaltungsentscheidung abzustellen sei – und zu diesem Zeitpunkt seien diese Eintragungen eben noch nicht zu tilgen gewesen.
Laut BVerwG greift entgegen der vorinstanzlichen Meinung hier jedoch das sogenannte Verwertungsverbot, und das auch bei Eintragungen zu punktebewehrten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr, die im Fahreignungsregister zwar nicht bis zum maßgeblichen Tattag, aber vor Ergreifen der vorgesehenen Maßnahme zu löschen sind. Auch wenn der Löschungszeitpunkt nach dem Tattag, aber vor dem der Ergreifen einer Maßnahme liegt, darf die Eintragung, deren Löschung ein Jahr nach Tilgungsreife erfolgt, nicht mehr zum Nachteil des Betroffenen verwertet werden.
Hinweis: Die Entscheidung klärt die höchst umstrittene Frage, inwieweit gelöschte Eintragungen zur Berechnung von Punkten herangezogen werden dürfen. Für die Praxis ist entscheidend, dass es für den Punktestand und damit verbundene Maßnahmen auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses ankommt.