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Schlagwort: Einzelfalls

Wurzeln im Abwasserkanal: Eigentümer baumbestandener Grundstücke tragen Rückstauschäden nur in Ausnahmefällen

Wenn die Wurzeln eines Baums in den Abwasserkanal dringen und dadurch ein Schaden entsteht, haftet dann der Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Baum steht?

Auf einem Gelände, das sich in städtischem Eigentum befand, stand ein Kastanienbaum. Dieser Kastanienbaum hatte Wurzeln, die in den öffentlichen Kanal hineingewachsen waren. Nach einem starken Regen kam es wegen der Wurzeln zu einem Rückstau im öffentlichen Kanalsystem und in einem Haus trat das Wasser aus dem Bodenablauf des Kellers heraus. Den Schaden von rund 30.000 EUR wollte die Eigentümerin nun von der Stadt ersetzt verlangen. Die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass Eigentümer von Grundstücken mit Bäumen nur unter besonderen Umständen für Rückstauschäden haften, die durch Wurzeleinwuchs in Abwasserkanäle entstehen.

Es hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, ob und in welchem Umfang ein Grundstückseigentümer für einen auf seinem Grundstück stehenden Baum Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen auch in Bezug auf die mögliche Verwurzelung eines Abwasserkanals durchführen muss. Dabei muss der Eigentümer allerdings nicht den Kanal selbst überprüfen, zu dem er zumeist keinen Zugang hat.

Hier gab es allerdings eine Besonderheit, da die Stadt als Eigentümerin des Grundstücks mit der Kastanie auch die Betreiberin des öffentlichen Abwassersystems war und unmittelbaren Zugang zum Kanalsystem hatte. Deshalb hätte sie bei ohnehin gebotenen Inspektionen des Kanals die Wurzeln erkennen können und gegebenenfalls dann auch rechtzeitig beseitigen können. Ob das möglich gewesen wäre, muss nun die Vorinstanz noch aufklären, an die der Fall zurückverwiesen wurde.

Hinweis: Grundstückseigentümer haften für Rückstauschäden durch Baumwurzeln in Abwasserkanälen also in aller Regel nicht, da eine Prüfungspflicht für sie nach dem BGH nicht besteht.

Quelle: BGH, Urt. v. 24.08.2017 – III ZR 574/16

Thema: Mietrecht

Vorfahrtsverletzung oder Auffahrunfall: Die bereits auf der Hauptstraße zurückgelegte Strecke und die Geschwindigkeit entscheiden

Die Antwort auf die Frage, ob ein Auffahrunfall oder eine Vorfahrtsverletzung vorliegt, hängt davon ab, ob der einbiegende Fahrer zum Zeitpunkt der Kollision bereits das auf der Vorfahrtstraße übliche Geschwindigkeitsniveau erreicht hat.

Ein Autofahrer bog außerorts von einer wartepflichtigen Straße nach rechts in die Hauptstraße ein. Zuvor hielt er vorschriftsmäßig an der Haltelinie, bog dann ab und beschleunigte sein Fahrzeug auf etwa 55 km/h. Nach rund 50 Metern fuhr ihm ein Fahrzeug auf – an einer Stelle, die 100 km/h als Höchstgeschwindigkeit zuließ. Von der Haftpflichtversicherung des auffahrenden Fahrzeugs verlangte er die Erstattung des ihm entstandenen Schadens zu 100 %.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts München hat der Geschädigte Anspruch auf eine 100%ige Erstattung seines Schadens, denn entgegen der Ansicht des Auffahrenden lag keine Vorfahrtsverletzung vor. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte der Geschädigte zum Kollisionszeitpunkt bereits das auf der Vorfahrtstraße herrschende übliche Geschwindigkeitsniveau von 50 km/h erreicht. Die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h prägte nicht das an der Unfallstelle übliche Geschwindigkeitsniveau. Laut Gericht zählen die konkreten örtlichen Verhältnisse. Direkt rechts an der Straße befand sich zum einen nämlich ein Gewerbegebiet mit mehreren Geschäften, Lebensmittelmärkten, einem Lokal und einem Sportverein. Die wie der Geschädigte von rechts einbiegenden Fahrzeuge beschleunigen zum anderen deshalb nicht auf die erlaubten 100 km/h, da nur wenige 100 Meter hinter der Einfahrt eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 70 km/h folgt. Und zu guter Letzt zählte für die Entscheidung des Gerichts, dass der Auffahrende den Unfall laut Sachverständigen durch moderates Abbremsen hätte verhindern können.

Hinweis: Ob ein Auffahrunfall oder eine Vorfahrtsverletzung vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Wie der Fall zeigt, kommt es nicht nur auf die zurückgelegte Fahrstrecke des abbiegenden Fahrzeugs an, sondern auch darauf, ob der Vorfahrtspflichtige im Bereich der Vorfahrtstraße in der dort üblichen Geschwindigkeit fährt. Ist dies nicht der Fall, liegt eine Vorfahrtsverletzung vor, anderenfalls ein Auffahrunfall.

Quelle: OLG München, Urt. v. 24.06.2016 – 10 U 3161/15
Thema: Verkehrsrecht

Zuweisung der Ehewohnung: Das Eigentumsverhältnis entscheidet nicht allein, wer während der Trennungszeit bleiben darf

Bei einer Trennung stellt sich oft die Frage, wer die eheliche Eigentumswohnung behalten darf und nach welchen Kriterien die Entscheidung darüber zu treffen ist.

In der Trennungszeit kann ein Ehegatte die Zuweisung der Ehewohnung verlangen, wenn er sie braucht, um eine sogenannte „unbillige Härte“ zu vermeiden. Diesbezüglich spielt vorrangig eine Rolle, wer der Eigentümer der Wohnung ist. Der Ehegatte, der Alleineigentümer der Ehewohnung ist, hat darauf ein Vorrecht. Ansonsten kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. So ist beispielsweise auf das Alter der Ehegatten, ihren Gesundheitszustand und die jeweiligen finanziellen Verhältnisse zu achten, soweit sie auf die Möglichkeit Einfluss nehmen, sich einen entsprechenden Ersatzwohnraum zu beschaffen. Weiterhin sind die eventuell besonderen Einzelumstände zu berücksichtigen, zu denen auch die Frage gehört, wer die bestehende Härtesituation überhaupt zu verantworten hat.

Mit solchen Einzelumständen hatte sich auch das Oberlandesgericht Hamm in einem Fall auseinanderzusetzen, in dem ein 52 Jahre alter Ehemann ebenso wie seine 64 Jahre alte Ehefrau die Zuweisung der Ehewohnung begehrten. Die Wohnung stand im Alleineigentum des Mannes. Er hatte ein Einkommen von rund 1.700 EUR, die Frau verfügte inklusive Unterhalt des Mannes über rund 830 EUR. Unter diesen Umständen allein wäre es für die Frau wegen der Alleineigentümerstellung des Mannes vermutlich schwierig geworden, die Wohnung zugewiesen zu bekommen.

Hinzu kam aber, dass es sich um eine sehr kleine Wohnung handelte und der Mann seine neue Lebenspartnerin zunächst täglich, später nicht mehr ganz so häufig in die Wohnung ließ und sie dort auch übernachtete. Die damit verbundenen Begegnungen seien der Ehefrau nicht zumutbar. Da ihre psychische Belastung vom Mann ausging, wies das Gericht die Wohnung schließlich der Frau zu.

Hinweis: Die Zuweisung erfolgte befristet bis zum Ablauf des Trennungsjahres. Wohnungszuweisungen sind knifflig und verlangen kundigen Rat!

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 28.12.2015 – II-2 UF 186/15
Thema: Familienrecht