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Schlagwort: Erblasser

Auslegung eines Testaments: OLG sieht Unterschied in der Formulierung von „Abkömmlingen“ und „Verwandten“

Immer wieder ist es an den Gerichten, missverständliche Testamentsformulierungen so zu interpretieren, wie es der oder die Erblasser einst mutmaßlich intendiert hatten. Ein recht einleuchtendes Beispiel einer solchen Auslegung lieferte das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG).

Der 1926 geborene Erblasser und seine 1930 geborene Ehefrau hatten keine gemeinsamen Kinder und auch jeder für sich keine eigenen Abkömmlinge. Sie haben im Jahr 2011 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Darüber hinaus haben sie verfügt: „Nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten sollen unsere gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Teilen die Erben sein.“ Nach dem Tod des Erblassers beantragten die Erben zweiter Ordnung (Abkömmlinge der Eltern des Erblassers) einen gemeinschaftlichen Erbschein mit der Begründung, dass das Testament so auszulegen sei, dass die jeweiligen gesetzlichen Erben Schlusserben zu gleichen Teilen sein sollten.

Dieser Auslegung konnte sich das OLG jedoch nicht anschließen. Für eine Auslegung, dass die Eheleute die Begriffe „Abkömmlinge“ und „Verwandte“ gleich verwendet haben, gab es keinerlei Anhaltspunkte. Vor allem die Verwendung des Begriffs „gemeinsam“ spricht dagegen, dass hiermit die jeweiligen Verwandten der Eheleute gemeint gewesen sein könnten. Laienhaft sei es den Erblassern vermutlich nur darauf angekommen, sich wechselseitig zu Alleinerben einzusetzen.

Hinweis: Missverständliche Regelungen sollten bei der Abfassung einer Verfügung unter allen Umständen vermieden werden. Nutzen Sie daher rechtzeitig die Expertise erbrechtlicher Fachleute, bevor die Verteilung Ihres Erbes von der Auslegung der Gerichte abhängt.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.12.2020 – III-3 Wx 215/19

 Thema: Erbrecht

Trotz identischem Erstellungsdatum: Ein zweites Testament wird durch die Vernichtung des ersten nicht automatisch widerrufen

Das Oberlandesgericht München (OLG) hatte sich mit der Frage eines wirksamen Widerrufs eines Testaments durch Vernichtung der Testamentsurkunde zu befassen. Hier ging es darum, ob der Erblasser lediglich ein Testament sowie eine handschriftliche Abschrift dieser letztwilligen Verfügung erstellt habe oder ob es sich um zwei separate Originaltestamente handelte.

Der spätere Erblasser hatte zu Lebzeiten am selben Tag zwei Schriftstücke erstellt, die beide mit den Worten „Testament“ überschrieben waren und seine Cousine als Alleinerbin benannten. Neben einem Vermächtnis und einer Benennung eines Ersatzerben wurden beide Testamente vom Erblasser mit Datum und Unterschrift versehen. Die zwei Exemplare wiesen dabei nur geringfügige Unterschiede bei der Untergliederung des Textes auf. In einem Exemplar waren die Wörter „meine Cousine“ als Einschub oberhalb der ersten Zeile eingefügt worden. Der Erblasser behielt ein Exemplar mit dem Einschub und ohne Gliederungsziffern in seinem Besitz, das weitere Exemplar erhielt die Cousine. Unstreitig war, dass die beim Erblasser verbliebene Verfügung durch dessen Betreuer zu Lebzeiten zerrissen wurde. Die gesetzlichen Erben waren daher der Ansicht, dass das Testament wirksam widerrufen sei, da es sich bei dem Exemplar, das der Cousine ausgehändigt wurde, lediglich um eine Abschrift gehandelt habe.

Das OLG war hingegen nach Auslegung aller Umstände der Ansicht, dass der Erblasser mit dem zweiten ausgehändigten Exemplar eine eigene formwirksame Verfügung von Todes wegen getroffen habe, die durch die Vernichtung des einen Testaments nicht wirksam widerrufen worden sei. Hierfür sprach nach Ansicht des Gerichtes, dass die der Cousine ausgehändigte Urkunde dem äußeren Anschein nach eher dem entsprach, was allgemein als „Schönschrift“ bezeichnet wird.

Hinweis: Nach der allgemeinen Lebenserfahrung hätte man laut Gericht zwar erwartet, dass der Erblasser die Reinschrift bei sich behalten würde und die weniger ordentlich geratene Version aus der Hand gibt, da diese nur eine Beweisfunktion habe, selbst aber keine rechtsgestaltende Wirkung. Ebenfalls hätte man erwartet, dass der Erblasser, hätte er nur eine Abschrift erstellen wollen, dies entsprechend vermerkt hätte. Die Vernichtung eines Originaltestaments schlägt dennoch nicht automatisch auch auf ein weiteres vorhandenes Originaltestament durch.

Quelle: OLG München, Beschl. v. 05.05.2020 – 31 Wx 246/19

Thema: Erbrecht

Zwei identische Testamente: Zur Aufhebung eines Testaments kann es genügen, eines der Originale zu vernichten

Ein Erblasser kann sein Testament jederzeit widerrufen, beispielsweise durch die Vernichtung der Testamentsurkunde. Ob der Erblasser bei zwei existierenden Originalen beide Testamente vernichten muss, um so einen wirksamen Widerruf vorzunehmen, hatte das Oberlandesgericht Köln (OLG) im folgenden Erbscheinsverfahren zu erklären.

Die Erblasserin hatte zunächst ihren Urenkel und zu einem späteren Zeitpunkt ihre Haushälterin aufgrund eines handschriftlichen Testaments als alleinige Erben eingesetzt. Die Erblasserin verkaufte der Haushälterin zu Lebzeiten auch ihr Hausgrundstück. Als die Haushälterin auf der Grundlage von umfangreichen Vollmachten zudem einen Betrag von 50.000 EUR vom Konto der Erblasserin abhob, ließ sich die Erblasserin von einem Rechtsanwalt bezüglich der Rückabwicklung des Kaufvertrags mit der Haushälterin beraten. Im Rahmen dieses Beratungsgesprächs hat die Erblasserin vor den Augen des Rechtsanwalts ein Originaltestament zerrissen. Der Urenkel berief sich im Erbscheinsverfahren dann auch darauf, dass die Erblasserin ihre testamentarische Verfügung wirksam widerrufen habe. Vor dem Nachlassgericht konnte die Haushälterin hingegen ein Originaltestament vorlegen, das mit dem zerrissenen Testament identisch war.

Das OLG entschied letztlich, dass bei Vorhandensein von zwei Originaltestamenten die Vernichtung einer Urkunde dann ausreichend ist, wenn keine Zweifel darüber bestehen, dass der Erblasser eine Aufhebung seines letzten Willens vornehmen wollte. Und das sei hier nach Bewertung der Richter der Fall gewesen. Denn laut Aussage des beteiligten Anwalts, dem kein erkennbares persönliches Interesse am Ausgang des Streits zu unterstellen war, habe die Erblasserin zweifelsfrei bekundet, dass sie nicht an der Erbeinsetzung der Haushälterin – zu der sie keinen Kontakt mehr pflegte – festhalten wolle. Der Urenkel wurde somit wieder zum Alleinerben erklärt.

Hinweis: Hier spielte zum einen eine Rolle, dass die Erblasserin sich bezüglich der Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags hat beraten lassen und in diesem Zusammenhang die Vernichtung der Urkunde erfolgt sei. Darüber hinaus sei angesichts des hohen Alters der Erblasserin von über 90 Jahren nicht auszuschließen, dass sie einfach vergessen hatte, dass noch ein zweites Original existierte.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 22.04.2020 – 2 Wx 84/20

Thema: Erbrecht

Steueransprüche als Nachlassverbindlichkeit: Aufnahme eines unterbrochenen Verfahrens durch die Erben ist bei bestehender Klagebefugnis berechtig

Im folgenden Fall stellte sich erneut die Frage, wie es sich mit den Rechten der Erben verhält, wenn der Erblasser während eines laufenden Rechtsstreits verstorben ist. Da es sich im Folgenden um Steueransprüche handelte, die abschließend auch zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören, kümmerte sich hier der Bundesfinanzhof (BFH) um die Klärung.

Generell gilt für zivilrechtliche Verfahren, dass sie durch den Tod einer Partei unterbrochen werden und eine Fortsetzung erst dann erfolgt, wenn das Verfahren durch den Rechtsnachfolger aufgenommen wird. Diese Regelung  gilt auch vor den Finanzgerichten. Im Fall einer angeordneten Testamentsvollstreckung begehrte hier die Erbin des Verstorbenen, ein durch dessen Tod unterbrochenes Verfahren wieder aufzunehmen.

Der BFH stellte klar, dass die Fortsetzung des Verfahrens im konkreten Fall durch die Erbin zu Recht erfolgt war. Eine wirksame Fortsetzung des ursprünglichen Rechtsstreits setzt voraus, dass die Erbin selbst klagebefugt ist. Und dies ist – wie hier – dann anzunehmen, wenn es um Steueransprüche geht, die gegenüber der Verstorbenen noch zu Lebzeiten ergangen sind und die somit eine Nachlassverbindlichkeit begründen.

Hinweis: Anders verhält es sich in Sachen Klagebefugnis und Steuerfragen nur in den Fällen, in denen ein Steuerbescheid beim Testamentsvollstrecker als Adressaten ergeht.

Quelle: BFH, Beschl. v. 27.01.2020 – VIII B 34/19

Thema: Erbrecht

Wirksamkeit eines Testamentsentwurfs: Es liegt kein rechtmäßiges Testament vor, wenn das Schriftstück Regelungslücken aufweist

Handschriftliche Testamente können trotz ungewöhnlicher Form oder Formulierung gültig sein. Warum in derlei Fällen jedoch stets ermittelt werden muss, ob der Erblasser wirklich eine letztwillige Verfügung verfassen wollte, zeigt einmal mehr der folgende Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Eine Frau legte ein Schriftstück vor, das die Erblasserin mit „Entwurf“ überschrieben hatte, und machte geltend, dadurch wirksam als Miterbin eingesetzt worden zu sein.

Das OLG lehnte dies jedoch ab. Es stellte klar, dass ein vom Erblasser selbst als Entwurf bezeichnetes Schriftstück durchaus ein gültiges Testament sein kann, wenn das Schriftstück nach dem feststellbaren Willen des Erblassers als wirksame Verfügung von Todes wegen gelten soll. In diesem Fall war in dem Schriftstück jedoch eine Reihe von Regelungen – wie die Bestimmung des Ersatzerben und von Vermächtnisnehmern – offengelassen, die ein gültiges Testament enthalten sollte. Zudem sprach nach Ansicht des Gerichts für einen bloßen Entwurfswillen der Erblasserin, dass kein Datum angegeben war und das Schriftstück auch nicht die Unterschrift der Erblasserin aufwies, sondern nur eine sogenannte Paraphe (ein Namenskürzel).

Hinweis: Um Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, für die Endversion einer letztwilligen Verfügung eine klare Bezeichnung zu verwenden und vorherige Entwürfe zu vernichten.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.08.2019 – 10 W 38/19

Thema: Erbrecht

Wenn Minderjährige erben: Angeordnete Testamentsvollstreckung schließt Mutter nicht automatisch von Vermögensverwaltung aus

Selbstverständlich können auch Minderjährige zu Erben werden. Wenn der Erblasser dabei bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen, wird für die Kinder ein Ergänzungspfleger bestellt, der sich um die Verwaltung des Vermögens kümmern soll. Wie genau eine solche Vorgabe des Erblassers aber eben nicht aussieht, hat das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) im folgenden Fall dargelegt.


Ein Mann hinterließ ein handschriftliches Testament, in dem er seine beiden minderjährigen Töchter zu Erbinnen einsetzte und dazu die Testamentsvollstreckung anordnete. Ferner bestimmte er, dass seine geschiedene Ehefrau den Minimalpflichtteil aus dem Nachlass erhalten solle und sie kein Wohnrecht an dem Haus besitze. Das Gericht ordnete nach dem Tod des Mannes daraufhin eine Ergänzungspflegschaft für die Kinder an. Dagegen wehrte sich die geschiedene Ehefrau jedoch mit der Begründung, dass der Mann sie nicht von der Verwaltung des ererbten Vermögens habe ausschließen wollen.

Das OLG gab der Frau Recht. Es war der Ansicht, dass das Testament keine ausdrückliche Bestimmung enthält, wonach das Vermögensverwaltungsrecht der Mutter beschränkt sein sollte. Eine solche Beschränkung ließ sich auch weder durch Auslegung der Anordnung der Testamentsvollstreckung ermitteln noch dadurch, dass die Mutter nur den Minimalpflichtteil erhalten und kein Wohnrecht an dem (ehemaligen) Familienheim besitzen solle. Diese Bestimmungen sollten nach Ansicht des OLG lediglich absichern, dass das Vermögen den Kindern möglichst ungeschmälert zufällt. Das Gericht berücksichtigte dabei auch, dass die Eheleute über die Scheidung hinaus freundschaftlich verbunden waren.

Hinweis: Nach einer Scheidung will ein Erblasser häufig den Ex-Partner von der Teilhabe an seinem Vermögen ausschließen und gleichzeitig die gemeinsamen Kinder absichern. Dazu muss er besondere Vorkehrungen in seinem Testament treffen und den Ex-Partner nicht nur von der Vermögensverwaltung für die Kinder, sondern auch möglichst von der gesetzlichen Erbfolge nach dem Tod der Kinder ausschließen. Der Ausschluss von der Vermögensverwaltung muss zwar nicht ausdrücklich in der letztwilligen Verfügung durch den Erblasser vorgenommen werden. Es genügt, dass der Wille des Erblassers, die Eltern oder einen Elternteil von der Verwaltung auszuschließen, in der letztwilligen Verfügung – wenn auch nur unvollkommen – zum Ausdruck kommt. Es empfiehlt sich jedoch, klare Regelungen zu treffen, um Streitigkeiten zu vermeiden.

Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.03.2019 – 9 WF 265/18

Thema: Erbrecht

Pflichtteilsentzug wegen Diebstahls: Das gemeinsame Bewohnen eines Hauses reicht nicht für den Nachweis einer Verzeihung aus

Die Entziehung des Pflichtteils ist stets nur bei schweren Verfehlungen möglich. Zudem kann es dazu kommen, dass der Erblasser trotz einer solchen Verfehlung dem Erben verzeiht. Wurde dies jedoch nicht ausdrücklich geregelt, kann es zu Streitigkeiten kommen, wie der folgende Fall des Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) zeigt.

Eine Frau hatte in ihrem Testament ihrem Enkel den Pflichtteil entzogen, weil dieser ihr im Jahr 1992 einen größeren Geldbetrag gestohlen hatte. Wegen dieser Tat wurde er auch verurteilt. In den letzten zehn Jahren vor ihrem Tod wohnte der Enkel jedoch mit der Frau in einem Haushalt. Nachdem sie verstarb, machte er dann geltend, dass die Pflichteilsentziehung nicht wirksam sei, da sie ihm verziehen habe. Das Gericht sah das jedoch anders.

Das OLG ging davon aus, dass der begangene Diebstahl ein ausreichender Grund für die Entziehung des Pflichtteils war. Der Enkel hatte seiner Großmutter, die selbst kaum Vermögen besaß, einen großen Betrag gestohlen, und die alte Dame hegte den Verdacht, dass es sich dabei um einen Wiederholungsfall handelte. Außerdem konnte das OLG auch keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Verzeihung erkennen. Eine solche liegt vor, wenn der Erblasser durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er die durch den Pflichtteilsentziehungsgrund hervorgerufene Kränkung nicht mehr als solche empfindet – er also das Verletzende der Kränkung als nicht mehr existent betrachtet. In diesem Fall konnte der Enkel nach Ansicht des Gerichts nicht darlegen, dass es durch seinen Einzug ins Haus der Erblasserin zu einem Wiederaufleben der familiären Beziehungen gekommen war. Darüber hinaus war die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt bereits an Demenz erkrankt, so dass das Gericht Zweifel daran hatte, dass sie noch in der Lage war, den moralischen Gehalt ihres Verhaltens zu begreifen und die Bedeutung einer etwaigen Verzeihung zu erkennen.

Hinweis: Eine Pflichtteilsentziehung kommt unter anderem infrage, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegenüber dem Erblasser schuldig gemacht hat. Ein solches Vergehen setzt schwerwiegende Fehlverhaltensweisen voraus, die es dem Erblasser unzumutbar machen, eine seinem Willen widersprechende Nachlassteilhabe des Pflichtteilsberechtigten hinzunehmen. Verfehlungen gegen die Eltern fallen darunter, wenn durch sie nicht nur deren Eigentum und Vermögen geschädigt werden, sondern wenn sie darüber hinaus eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses zum Ausdruck bringen und eine besondere Kränkung des Erblassers bedeuten.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.01.2019 – 19 U 80/18

Thema: Erbrecht

Ausschlagung der Erbschaft: Keine Fristverlängerung nach nur eintägigem Kurztrip ins Ausland

Ist ein Nachlass überschuldet, kann es von Vorteil sein, das Erbe auszuschlagen. Dabei ist die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen unbedingt einzuhalten. Diese Frist verlängert sich auf sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe mit Beginn der Frist im Ausland aufhält. Wie weit so ein Auslandsaufenthalt für eine Fristverlängerung positiv zu interpretieren ist, musste der Bundesgerichtshof (BGH) im folgenden Fall entscheiden.

Eine Verstorbene hatte ihre beiden Söhne in einem Testament zu Vorerben eingesetzt. Diese hatten das Erbe jedoch ausgeschlagen, so dass die Kinder des einen Sohns zu Nacherben wurden. Während das jüngere Kind noch minderjährig war, schlug das ältere das Erbe ebenfalls aus. Am Tag, an dem die Mitteilung über dessen Ausschlagung dem Vater beider Kinder per Post zuging, befand sich dieser auf einem Tagesausflug in Dänemark. Seine Frau war jedoch zu Hause. Als das Ehepaar erst einige Monate später das Erbe auch für sein minderjähriges Kind ausschlug, meinten sie, dass die Ausschlagung noch rechtzeitig sei – die Frist hätte sich durch den Aufenthalt in Dänemark schließlich auf sechs Monate verlängert. Der BGH zeigte sich aber weniger flexibel.

Das Gericht führte aus, dass kein Auslandsaufenthalt im Sinne des Gesetzes vorliegt, wenn sich einer der beiden gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen Erben zu Beginn der Frist lediglich für einige Stunden zu einem Tagesausflug im Ausland aufhält und planmäßig noch am selben Tag an seinen heimischen Wohnort zurückkehrt. Die Fristverlängerung soll den besonderen Schwierigkeiten Rechnung tragen, die bei Klärung der Frage entstehen können, eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen. Zwar reicht es grundsätzlich aus, wenn sich lediglich einer der beiden gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen im Ausland befindet, da das die Kommunikation erschwert. Bei einem so kurzen Auslandsaufenthalt ist jedoch nach Auffassung des BGH nicht ersichtlich, welche besonderen Kommunikationsschwierigkeiten es hier zwischen den Beteiligten gegeben haben soll. Nach der Rückkehr des Vaters war noch hinreichend Zeit und Gelegenheit für eine gemeinschaftliche Abstimmung.

Hinweis: Die Ausschlagungsfrist ist relativ kurz. Daher sollte man unbedingt darauf achten, mit der Ausschlagung nicht zu lange zu warten. Eine Verlängerung der Frist kommt nur bei Auslandsaufenthalten in Betracht, die eine entsprechend hinreichende Kommunikation behindern.

Quelle: BGH, Beschl. v. 16.01.2019 – IV ZB 20/18

Thema: Erbrecht

Handschriftliche Testamentserrichtung: Vorsicht bei Einleitungen, die gleichsam als Anlass oder als Bedingung interpretiert werden könnten

Bei handschriftlichen Testamenten sind Formulierungen häufig mehrdeutig. Daraus folgt, dass es oftmals nicht ganz klar ist, was der Erblasser genau veranlassen wollte. In solchen Fällen müssen die Gerichte dann durch Auslegung den wahren Willen des Erblassers ermitteln.

 

Eine Frau hinterließ ein handschriftliches Testament, das mit dem Satz begann: „Für den Fall, das ich heute … tödlich verunglücke, …“. Die Erben stritten nun darüber, ob dieser Satz so zu verstehen war, dass die Erblasserin damit nur eine Regelung treffen wollte, wenn sie an diesem genannten Tag versterben sollte, oder ob sie allgemein die Erbfolge ab diesem Zeitpunkt regeln wollte.

Das Gericht entschied, dass die Formulierung keine Bedingung darstellt, von deren Eintritt die Wirksamkeit des Testaments abhängen sollte, sondern lediglich den Anlass für die Testamentserrichtung mitteilte. Es führte aus, dass bei Testamenten mit solchen Formulierungen der Wille des Erblassers immer dann erforscht werden muss, wenn nach Nichteintritt des genannten Ereignisses der Erblasser das Testament nicht widerrufen oder ein abweichendes Testament errichtet hatte. Lässt der Inhalt der Anordnungen im Testament keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt des Erblassers erkennen, ist anzunehmen, dass die Anordnungen auch dann gelten sollen, wenn der Erblasser unter anderen Umständen verstirbt als denjenigen, die er als Anlass für die Errichtung des Testaments angesehen hatte. Da es im diesem Fall keine vergleichbare Situation – wie etwa eine anstehende Operation – gab, bei der die Erblasserin ernsthaft den Eintritt ihres Todes befürchten musste, und sie danach noch 16 Jahre weiterlebte, ging das Gericht davon aus, dass das Testament weiterhin gültig war.

Hinweis: Sofern in Testamenten der Anlass für die Errichtung genannt wird, sollte bei der Formulierung genau darauf geachtet werden, damit nicht eine Bedingung für die Gültigkeit des Testaments zu verfassen, die gar nicht gewollt ist. Testamente, die aus einem besonderen Anlass heraus verfasst werden, etwa weil eine (gefährliche) Reise oder ein medizinischer Eingriff ansteht, sollten zudem danach vernichtet bzw. geändert werden, wenn sie keine Gültigkeit mehr haben sollen.

Quelle: KG, Beschl. v. 24.04.2018 – 6 W 10/18

Thema: Erbrecht

Abzahlung des Familienheims: Die Tilgung eines Darlehens kann den Pflichtteil erhöhen

Hinsichtlich der Berechnung der Höhe von Pflichtteilsansprüchen gibt es immer wieder Streit – insbesondere wenn der Erblasser den Erben bereits zu Lebzeiten Vermögen zukommen lässt.


Ein Ehepaar nahm gemeinsam einen Kredit für den Bau eines Hauses auf. Der Ehemann bestritt die Tilgung des Darlehens alleinig von seinem Konto. Zudem übertrug er die Hälfte des Grundstücks, das ihm gehörte, auf seine Ehefrau. In einem gemeinschaftlichen Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben ein und enterbten damit die Söhne des Ehemannes aus erster Ehe. Beim Tod des Ehemannes war ungefähr die Hälfte des Darlehens abbezahlt. Die Söhne verlangten nun von der Ehefrau die Erhöhung ihres Pflichtteilsanspruchs um den Wert des übertragenen halben Grundstücks und die Tilgungsleistungen. Dafür klagten sie durch alle Instanzen.

Der Bundesgerichtshof (BGH), bei dem der Fall schließlich landete, wies darauf hin, dass sowohl die Eigentumsübertragung als auch die Tilgung des Darlehens als Schenkung an die Ehefrau angesehen werden könnten, die somit den Pflichtteilsanspruch entsprechend erhöhen. Der BGH stellte klar, dass die Rückzahlung des Darlehens nicht etwa dem Grundstück zugutekommt, sondern die Verbindlichkeit der Ehefrau, ihren Teil des Darlehens zurückzuzahlen, vermindert und somit eine Schenkung darstellen kann. Dabei kommt es aber darauf an, was genau zwischen den Eheleuten vereinbart wurde. Denn eine Schenkung liegt nur vor, wenn sie unentgeltlich erfolgte. War die Tilgung des Darlehens also beispielsweise unterhaltsrechtlich geschuldet oder stand ihr eine Gegenleistung gegenüber – etwa weil die Zahlungen als Mietzahlungen anzusehen sind -, erfolgte diese nicht unentgeltlich. Um diese Fragen zu klären, verwies der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Hinweis: Verschenkt der Erblasser zu Lebzeiten sein Vermögen, können enterbte Pflichtteilsberechtigte einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch haben. Schenkungen sind nicht nur die Übergabe von Geld oder Wertgegenständen, sondern auch beispielsweise die Übertragung eines Grundstücks gegen Einräumung eines Wohnrechts oder Zuwendungen unter Ehegatten. Unberücksichtigt bleiben nur sogenannte Anstandsschenkungen – also zum Beispiel Geschenke zu Geburtstagen, Hochzeiten etc. – und Schenkungen, die mehr als zehn Jahre zurückliegen. Diese Frist läuft bei Lebens- und Ehepartnern jedoch erst ab dem Zeitpunkt der Scheidung, so dass bei zum Todeszeitpunkt Verheirateten alle Schenkungen angerechnet werden.

Quelle: BGH, Urt. v. 14.03.2018 – IV ZR 170/16

Thema: Erbrecht