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Schlagwort: Fahrstreifenwechsel

Fahrbahnmarkierung beachten: Wer, statt vorschriftsgemäß abzubiegen, geradeaus weiterfährt, trägt im Ernstfall eine Mitschuld

Befindet sich ein Verkehrsteilnehmer links neben einem anderen auf einer Abbiegespur, darf man im allgemeinen schon darauf vertrauen, dass er dieser vorgeschriebenen Richtung folgt. Dass man danach jedoch nicht blind darauf zählen darf, wenn man kurz nach einer entsprechenden Kreuzung selbst die Spur wechselt, zeigt das folgende Urteil des Landgerichts Saarbrücken (LG).

Eine Autofahrerin hielt an einer Kreuzung auf der rechten Fahrspur. Auf der von ihr aus links befindlichen Spur hielt ein Lkw. Als die Ampel auf Grün wechselte, vertraute die geradeaus fahrende Frau darauf, dass der Lkw vorschriftsgemäß links abgebogen sei. Als sich kurz danach ihre zweispurige Fahrbahn auf nur eine Spur nach links verjüngte, blinkte die Autofahrerin zwar, übersah jedoch den Lkw, der von der Abbiegespur nicht etwa abgebogen, sondern geradeaus weitergefahren war. Es kam, wie es kommen musste: zur Kollision.

Das LG entschied, dass die Pkw-Fahrerin am Zustandekommen des Unfalls ein Verschulden von 2/3 trifft. Sie hatte beim Fahrstreifenwechsel von rechts nach links den neben ihr befindlichen Lkw übersehen und den Unfall dadurch überwiegend verschuldet. Den Brummifahrer trifft aber durchaus ein Mitverschulden. Schließlich war er entgegen der eindeutigen Fahrbahnmarkierung nicht links abgebogen, sondern geradeaus weitergefahren. Und natürlich durfte die Frau auch zunächst davon ausgehen, dass der Lkw die vorgegebene Fahrtrichtung einhält und nicht gegen die Markierung geradeaus über die Kreuzung fährt. Doch letzten Endes traf sie eine doppelte Rückschaupflicht – wie alle Verkehrsteilnehmer, die einen Spurwechsel planen. Und da dieses Unterlassen hier hauptursächlich war, kam es bei den beiden Faktoren, die zum Unfall führten, zu dieser Schuldverteilung.

Hinweis: Die Straßenverkehrsordnung regelt ein sogenanntes Fahrtrichtungsgebot. Wer ein Fahrzeug führt, muss der Fahrtrichtung auf der folgenden Kreuzung oder Einmündung folgen, wenn zwischen den Pfeilen Leitlinien oder Fahrstreifenbegrenzungen markiert sind. Da die Pkw-Fahrerin offensichtlich, ohne ihrer doppelten Rückschaupflicht nachzukommen, die Spur gewechselt hat, trifft sie dennoch das überwiegende Verschulden am Unfall.

Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 02.11.2018 – 13 S 122/18

Thema: Verkehrsrecht

Anscheinsbeweis gegen Spurwechsler: Nicht jede Kollision mit einem nachfolgenden Fahrzeug ist automatisch ein Auffahrunfall

Bei regelmäßig vorkommenden Unfallkonstellationen spricht der sogenannte Anscheinsbeweis für ein aus Erfahrungswerten zumeist standardisiertes Verursacherprinzip. So gehört die Kollision von Fahrzeugen nach einem kurz davor erfolgten Spurwechsel zu jenen Verkehrsunfällen, bei denen dieses Prinzip angewendet wird. Aber auch beim klassischen Auffahrunfall findet der Anscheinsbeweis regelmäßig seine Anwendung. Welche dieser beiden Konstellationen beim folgenden Fall zutreffend war, musste kürzlich das Oberlandesgericht München (OLG) bewerten.

Im innerstädtischen Bereich kam es zu einem Verkehrsunfall, nachdem ein Autofahrer mit seinem Pkw von einer Einfädelungsspur nach links in die rechte Geradeausspur eingefahren war. Als es folglich zur Kollision mit einem Lkw kam, behauptete der Mann, dass sein Spurwechsel darauf keinen Einfluss gehabt habe – es handle sich vielmehr um einen typischen Auffahrunfall, denn der Lkw sei schließlich auf seinen Wagen aufgefahren. Doch so leicht ließ sich das OLG nicht täuschen und wies die Klage des Autofahrers ab.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme war der Senat davon überzeugt, dass sich der Unfall nur dadurch ereignet hat, weil der Pkw-Fahrer die Spur gewechselt und er dabei gegen die ihn treffenden Obliegenheiten beim Fahrstreifenwechsel verstoßen hatte. Ein Verschulden des Lastkraftfahrers war nicht ersichtlich, was ein eingeholtes Gutachten bestätigte. Das belegte mit Aufnahmen des Schadenbilds, das sich die Beschädigungen am Auto nicht etwa im hinteren Bereich, sondern an der linken Seite oberhalb des Hinterrads befanden. Daher sah es das Gericht als bewiesen an, dass es keineswegs zu dem behaupteten Auffahrunfall gekommen war. Und so kam es, wie es kommen musste: Bei Kollisionen zweier Fahrzeuge mit einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang eines Fahrstreifenwechsels spricht der Anscheinsbeweis für die Missachtung der Sorgfaltspflichten. Eine Tatsache, die nach entsprechender Haftungsabwägung regelmäßig zur Alleinhaftung des Spurwechslers führt – so auch in diesem Fall.

Hinweis: Grundsätzlich ist es richtig, dass gegen denjenigen, der auf ein Fahrzeug auffährt, der Beweis des alleinigen Verschuldens spricht. Allerdings lag im hier zu entscheidenden Fall aufgrund der Schadensbilder kein Auffahrunfall vor, sondern eine seitliche Streifkollision. Damit ergibt sich nicht der für einen Anscheinsbeweis erforderliche typische Geschehensablauf eines typischen Auffahrens.

Quelle: OLG München, Urt. v. 13.07.2018 – 10 U 1856/17

Thema: Verkehrsrecht