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Schlagwort: Fahrzeugführer

Haftungsausschluss nach Ausparkfehler: Wer bei einer Hilfestellung das eigene Fahrzeug beschädigt, verliert den Schadensersatzanspruch

Manche Gefälligkeit kann einem im Nachhinein leider teuer zu stehen kommen. So auch im folgenden Fall, den der Bundesgerichtshof (BGH) zu bewerten hatte und der sich um einen Ausparkfehler des Klägers drehte, der einem anderen eigentlich nur einen Gefallen tun wollte.

Auf einem Parkplatz kam es zum Unfall, als der spätere Kläger rückwärts aus einer abschüssigen Parklücke ein fremdes Fahrzeug ausparken wollte, das behindertengerecht umgebaut war und bei dem Gas- und Bremsfunktion im Handbetrieb betätigt werden. Er wollte hierbei dem späteren Beklagten, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, das Einsteigen in dessen Fahrzeug ermöglichen. Dabei verlor der Kläger die Kontrolle über den umgebauten Pkw und beschädigte auch sein eigenes, ebenfalls auf dem Parkplatz abgestelltes Fahrzeug.

Der BGH hat Schadensersatzansprüche des Klägers für die Beschädigung seines Fahrzeugs mit Hinweis auf einen gesetzlich geregelten Haftungsausschluss ausgeschlossen. Nach dieser Regelung ist eine Haftung dann nicht gegeben, wenn der Geschädigte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs (selbst) tätig war. Auch wenn der Kläger nach den Anweisungen des Beklagten das Fahrzeug in Betrieb gesetzt hatte, ändert dies an seiner Eigenschaft als Fahrzeugführer nichts, da er selbst die wesentlichen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient hatte. Der im Gesetz geregelte Haftungsausschluss erfasst auch den vom Kläger geltend gemachten Schaden aufgrund der Beschädigung seines eigenen Pkw. Der Kläger hat durch das Manövrieren sein von ihm selbst auf demselben Parkplatz abgestelltes eigenes Fahrzeug bewusst der Betriebsgefahr des von ihm selbst geführten Kraftfahrzeugs ausgesetzt.

Hinweis: Die Haftung des Halters – also hier des Beklagten – ist ausgeschlossen, wenn der betreffende Fahrer nur aus Gefälligkeit handelt. Der Grund hierfür liegt in dem Rechtsgedanken, dass der besondere Schutz der Gefährdungshaftung dem nicht zugutekommt, der den besonderen Gefahren des Kfz-Verkehrs nicht als ein am Kraftfahrbetrieb Unbeteiligter zwangsläufig unterworfen ist, sondern sich der Betriebsgefahr eines Kfz durch Beteiligung an seinem Betrieb freiwillig und bewusst in erhöhtem Maße aussetzt.
 
 

Quelle: BGH, Urt. v. 12.01.2021 – VI ZR 662/20

Thema: Verkehrsrecht

Tier- statt Betriebsgefahr: Verletzt ein Kraftfahrer eine unter seinem Fahrzeug versteckte Katze, haftet er nicht

Ein Dilemma für Katzenhalter ist immer wieder die Abwägung, ihre Vierbeiner ausschließlich im Haushalt zu halten oder ihnen den begehrten Freigang zu gewähren. Bei Letzterem sollten sich die Menschen aber auch immer bewusst sein, dass sie auch ein nicht unerhebliches Risiko eingehen – besonders im Straßenverkehr. Welche Pflichten die Verkehrsteilnehmer treffen – oder eben auch nicht -, stellte im Folgenden das Landgericht Krefeld (LG) fest.

Die Eigentümerin einer Katze verlangte Erstattung von Tierarztkosten aufgrund eines Verkehrsunfalls in einer Spielstraße. Der Fahrer eines Zugfahrzeugs nebst Materialanhänger hatte in einer Spielstraße für einen Kundenbesuch geparkt. Nach Beendigung des Termins verließ er die Spielstraße und fuhr dabei die Katze an. Die Eigentümerin rief den Fahrer noch während der Rückfahrt an und schilderte die Verletzungen ihres Tiers. Der Fahrer erklärte sinngemäß, dass sie mit der Katze in eine Tierklinik fahren solle. Auf den Behandlungskosten wollte die Dame allerdings nicht sitzen bleiben und verlangte vom Lkw-Fahrer Schadensersatz. Doch in diesen Katzenjammer konnte das LG rechtlich leider nicht einstimmen.

Entgegen des zunächst mit der Sache befassten Amtsgerichts hat das LG im Berufungsverfahren die Schadensersatzansprüche nämlich verneint. Ereignet sich ein Unfall zwischen einem Kraftfahrzeug und einem Tier, findet stets eine Abwägung der Betriebsgefahr des Fahrzeugs und der Tiergefahr statt. Im vorliegenden Fall habe sich die Tiergefahr verwirklicht, die sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten äußert. Gerade für Katzen, die als Freigänger unterwegs sind, ist es typisch, dass sie sich verstecken. Es ist jedoch im Ergebnis nicht berechenbar oder von Menschen steuerbar, ob und wo sich das Tier versteckt. Auch von einem Idealfahrer könne daher nicht verlangt werden, dass er vor Abfahrt kontrolliert, ob sich unter seinem Fahrzeug eine Katze aufhält – auch nicht in einem verkehrsberuhigten Raum wie einer Spielstraße. Selbst wenn dem Fahrer vor Abfahrt mitgeteilt wird, dass eine Katze frei herumläuft, ist er dazu nicht verpflichtet. So muss selbst ein Idealfahrer nicht damit rechnen, dass sich unter seinem Fahrzeug eine freilaufende Katze befindet.

Hinweis: Das Gericht wendet zutreffend die Vorschrift des § 17 Abs. 4 Straßenverkehrsgesetz an, wonach die Tier- und die Betriebsgefahr gegeneinander abzuwägen sind. Eine Mithaftung des Fahrzeugführers kam vorliegend nicht in Betracht, da ihm ein Verschulden nicht nachzuweisen war. Auch die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs tritt vollständig zurück, da nach allgemeiner Auffassung die Tiergefahr üblicherweise höher anzusetzen ist als die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs, da von Tieren für den Straßenverkehr höhere Gefahren ausgehen.

Quelle: LG Krefeld, Urt. v. 20.02.2020 – 3 S 8/19

Thema: Verkehrsrecht

Rechts(un-)sicherheit: Gerichte sind sich über Geschwindigkeitsmessungen ohne Rohmessdatenspeicherung uneins

Daran, ob auch ohne Speicherung von Rohmessdaten eine Geschwindigkeitsüberschreitung zu ahnden ist, scheiden sich die rechtlichen Geister. Dass es für eine sogenannte Rechtssicherheit an der Zeit ist, dass sich der Bundesgerichtshof (BGH) dieser Frage abschließend annimmt, zeigt das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLG).

Dem hier betroffenen Fahrzeugführer wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen. Gegen den ihm zugestellten Bußgeldbescheid verteidigte er sich mit Hinweis auf die kürzlich ergangene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes. Dieser hatte nämlich entschieden, dass Fotos von Geschwindigkeitsmessanlagen, die keine Rohmessdaten speichern, für eine Verurteilung nicht ausreichen. Dies gelte selbst dann, wenn die Geräte von der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB) zugelassen und geeicht seien. Ansonsten sei das Recht auf ein faires Verfahren des Betroffenen verletzt.

Doch dieser Auffassung wollte sich das OLG hier nicht anschließen. Auch Messungen ohne Datenspeicherung seien seiner Ansicht nach durchaus verwertbar. Der BGH habe für den Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten schließlich das standardisierte Messverfahren anerkannt. Die Bauartzulassung durch die PTB indiziere bei Einhaltung der Vorgaben der Bedienungsanleitung und Vorliegen eines geeichten Geräts nämlich die Richtigkeit des gemessenen Geschwindigkeitswerts. Bei Einhaltung der Voraussetzungen dieses Messverfahrens sei das Ergebnis nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH für eine Verurteilung ausreichend. Auch die Messung mit einer Laserpistole, bei der keine Daten gespeichert werden, habe der BGH anerkannt. Für eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Blitzgerät könne nach Meinung des OLG daher nichts anderes gelten.

Hinweis: Es wäre im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung, wenn nunmehr ein OLG durch Vorlage eine Entscheidung zu solchen Fallkonstellationen durch den BGH herbeiführen würde.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 09.09.2019 – 2 Ss (Owi) 233/19

Thema: Verkehrsrecht

Halter verweigert Mitwirkung: Eine Fahrtenbuchauflage ist auch dann rechtmäßig, wenn der Zugang des Anhörungsbogens unklar ist

Das man seine Mitwirkungspflichten bei Geschwindigkeitsverstößen, die mit dem eigenen Fahrzeug begangen wurden, ernst nehmen sollte, ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg (VG).

Mit einem auf einem Mann zugelassenen Fahrzeug wurde eine nicht unerhebliche Geschwindigkeitsübertretung begangen. Auf dem ihm übersandten Foto war jedoch eine weibliche Person abgebildet, und nachdem hierauf durch den Halter keine Mitteilung an die Behörde erfolgte, erging nach Verjährungseintritt eine Fahrtenbuchauflage. Dagegen setzte sich der Fahrzeughalter zur Wehr.

Der Mann berief sich darauf, dass er keinen Anhörungsbogen bekommen habe. Insoweit sei er nicht aufgefordert worden, die Fahrerin zu benennen. Wenn es der Behörde dann nicht gelänge, diese zu ermitteln, sei die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage seine Ansicht nach nicht gerechtfertigt. Die Behörde sah das jedoch anders: Im Rahmen der Fahrtenbuchauflage sei dem Betroffenen erneut Gelegenheit gegeben worden, sich zu äußern. Auch darauf erfolgte keine Reaktion. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass der Betroffene irgendwann mitwirkungswillig sei. Selbst wenn der Anhörungsbogen nicht zugegangen sei – was die Behörde bestreitet -, sei dieser Mangel dadurch geheilt. Und diese Auffassung wurde schließlich duch das VG auch bestätigt.

Das Gericht entschied, dass die Fahrtenbuchauflage gerechtfertigt war. Insbesondere war darauf abzustellen, dass es der Behörde nicht mit zumutbarem Aufwand möglich war, die Fahrerin zu ermitteln. Insoweit kommt es nicht auf ein gegebenenfalls zu sanktionierendes Verschulden des Fahrzeughalters an – dieser hatte nämlich zu keinem Zeitpunkt an der Feststellung des Fahrzeugführers mitgewirkt. Der Anhörungsbogen war nicht an die Behörde zurückgelangt. Ob der Halter dies zu verschulden hatte oder nicht, war hierbei nicht relevant, denn auch im weiteren Verlauf war seinerseits keine Stellungnahme erfolgt. Daher war nach Ansicht des VG die Verhängung der Fahrtenbuchauflage unabhängig von der Frage des Zugangs des Anhörungsbogens durchaus rechtmäßig.

Hinweis: Bei der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage handelt es sich um eine sicherheitsrechtliche Maßnahme zur Gefahrenabwehr – nicht um eine Maßnahme der Strafverfolgung. Eine Fahrtenbuchauflage kann immer dann angeordnet werden, wenn eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde, die mit „mindestens einem Punkt“ in Flensburg geahndet wird. Die für die Auferlegung der Fahrtenbuchauflage zuständige Behörde muss üblicherweise nur ihr zumutbare Ermittlungen anstellen, um den Fahrzeugführer festzustellen. Ist aus dem Verhalten des Fahrzeughalters darauf zu schließen, dass er an der Feststellung des Fahrzeugführers nicht mitwirken will, sind keine umfangreicheren Ermittlungen zur Feststellung erforderlich.

Quelle: VG Lüneburg, Urt. v. 03.12.2018 – 1 A 246/17

Thema: Verkehrsrecht

Zu lang geschwiegen: Auch nach einem verjährten Verkehrsverstoß kann eine Fahrtenbuchauflage verhängt werden

Benennt ein Fahrzeughalter nach einer begangenen Ordnungswidrigkeit den betreffenden Fahrzeugführer nicht so rechtzeitig der Behörde, dass diese Zuwiderhandlung geahndet werden kann, bleibt das für ihn nicht ohne Folgen.

Gegen die Halterin eines Pkw wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 30 km/h vom 24.05.2017 eingeleitet. Den Fahrer benannte die Halterin jedoch erst mit Schreiben vom 09.10.2017. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bußgeldbehörde das Verfahren bereits eingestellt, da der Fahrer nicht ermittelt werden konnte. Damit war der Fall jedoch nicht erledigt, denn anschließend wurde gegen die Halterin eine Fahrtenbuchauflage von einem Jahr verhängt.

Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) hat entschieden, dass die Fahrtenbuchauflage zu Recht erfolgte. Wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich ist, kann die zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen.

Eine solche Anordnung ist rechtmäßig, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Wird der Fahrzeugführer vom Halter jedoch erst nach Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist benannt, ermöglicht dies der Behörde nicht mehr die rechtzeitige Feststellung des Fahrzeugführers. Vielmehr muss der Fahrzeugführer vom Halter so rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist benannt werden, dass die begangene Verkehrsordnungswidrigkeit mit Aussicht auf Erfolg von der Bußgeldbehörde geahndet werden kann und daran etwa anknüpfende straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen eingeleitet werden können.

Hinweis: Der Fall zeigt, dass immer dann damit gerechnet werden muss, dass eine Fahrtenbuchauflage verhängt wird, wenn der Fahrzeugführer nicht rechtzeitig benannt wird. Das OVG weist auch darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung die Anordnung einer einjährigen Fahrtenbuchauflage auch dann nicht unverhältnismäßig ist, wenn die Halterin bisher verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten war.

Quelle: OVG Münster, Beschl. v. 26.03.2018 – 8 B 233/18

zum Thema: Verkehrsrecht