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Schlagwort: Grundgesetz

Autokorso als Demonstrationszug: Verwaltungsgericht bestätigt Auflagen zu Streckenverlauf, Lärmvermeidung und Verkehrssicherheit

Völlig unabhängig vom Anliegen der jeweils Demonstrierenden hält unser Grundgesetz seine schützende Hand über die Versammlungsfreiheit. Da klassische Demonstrationen während der Coronapandemie verboten sind, versuchen Bürgerinnen und Bürger daher, ihrem Unmut in Form von Autokorsos Ausdruck zu verleihen. Dass aber auch für diese Demonstrationsweise Regeln einzuhalten sind, verdeutlicht das Verwaltungsgericht Gießen (VG) in seinem folgenden Beschluss.

Ein Mann wollte einen Demonstrationszug mit Autokorsos durch verschiedene Städte und Gemeinden eines Landkreises durchführen. Der Landkreis verfügte daraufhin unter anderem eine geringfügige Änderung des Streckenverlaufs. Darüber hinaus seien die an der Versammlung teilnehmenden Fahrzeuge mit Aufklebern zur Kenntlichmachung ihrer Teilnahme zu versehen. Die Kraftfahrzeuge dürften zudem nur in verkehrssicherem Zustand an der Versammlung teilnehmen. Außerdem dürfe der Lärmpegel bei dem Einsatz von Fahrzeugen mit Lautsprechern 90 db (A) nicht überschreiten. Hupen mit der Fahrzeughupe und vergleichbare Schallzeichen aus dem Fahrzeug seien untersagt. Dagegen klagte der Mann vor dem VG.

Die Auflagen waren in Augen des VG-Senats jedoch rechtmäßig. Der Streckenverlauf war für die Richter in Ordnung. Die widerstreitenden Interessen der einzelnen Beteiligten waren zu berücksichtigen. Gleiches galt für die Lärmauflage und der Forderung nach verkehrssicheren Fahrzeugen. Ein Hupen war ebenfalls verboten, da dieses laut VG rechtlich nur zur Warnung, nicht zur akustischen Begleitung der Versammlung eingesetzt werden darf, auch wenn dies die Straßenverkehrsordnung so nicht vorsieht.

Hinweis: Das Grundgesetz schützt die Versammlungsfreiheit als besonderes Gut. Doch diese ist aufgrund der Coronapandemie derzeit häufig eingeschränkt. Was erlaubt ist und was nicht, ist im Einzelfall zu entscheiden.

Quelle: VG Gießen, Beschl. v. 18.02.2021 – 4 L 566/21.GI

Thema: Sonstiges

Generisches Maskulinum: Bundesverfassungsgericht erteilt Sparkassenkundin für gendergerechte Formularsprache eine Absage

Eine geschlechtergerechte Sprache erhitzt die Gemüter. Wie so oft, ist aller Anfang schwer – vor allem, wenn das eigene Sprachverhalten sich am sogenannten generischen Maskulinum reibt, das Formulierungen und Ansprachen generell in die männliche Form fasst. Eine Sparkassenkundin hatte mit eben jenem so große Probleme, dass sie den Weg durch alle Instanzen wagte – bis hin zur Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG).

Die Frau rügte, dass auf sämtlichen Bankformularen stets nur die männliche Form der Anrede enthalten war, sie also kontinuierlich als Kunde bezeichnet wurde, statt in der weiblichen Form angesprochen zu werden. Nachdem sie auch schon vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gescheitert war, zog sie vor das BVerfG und reichte eine Verfassungsbeschwerde ein.

Doch das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde wegen Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache in Sparkassenvordrucken und -formularen nicht zur Entscheidung angenommen. Der Grund: Die Verfassungsbeschwerde war nicht ordnungsgemäß begründet worden. Der BGH hatte bereits ausgeführt, dass auch das Grundgesetz lediglich das Maskulinum verwendet. Nicht nur mit diesem Argument hatte sich die Frau nicht befasst; sie hatte sich mit keinem der verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte intensiv auseinandergesetzt – und genau damit kam sie vor dem BVerfG nicht weiter.

Hinweis: Aktuell müssen also Formulare nicht geändert werden, die ausschließlich auf das männliche Geschlecht ausgerichtet sind. Die gesellschaftlichen Änderungen, mit denen sich zunehmend auch Presse und Politik sprachlich auseinandersetzen, könnten jedoch auch hier einen baldigen Wandel nahelegen. Warten wir es ab.

Quelle: BVerfG, Urt. v. 26.05.2020 – 1 BvR 1074/18

 Thema: Sonstiges

Bundesverfassungsgericht zieht Schlussstrich: Rechtsreferendarin darf als Repräsentantin der Justiz oder des Staates kein Kopftuch tragen

Wer meint, zum nachfolgenden Fall einer klagenden Rechtsreferendarin auf ihr Recht, im Dienst ein Kopftuch tragen zu dürfen, bereits vor einiger Zeit gelesen zu haben, liegt richtig. Nachdem sie dazu bereits 2017 mit ihrem Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Kopftuchverbot der hessischen Justiz gescheitert war, kam dasselbe Gericht – nämlich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) – nun zu einem abschließenden Urteil.

Nach den hessischen Gesetzen haben sich Rechtsreferendare im juristischen Vorbereitungsdienst gegenüber Bürgerinnen und Bürgern religiös neutral zu verhalten. Daher dürfen Rechtsreferendarinnen auch mit Kopftuch keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden könnten. Die Rechtsreferendarin mit deutscher und marokkanischer Staatsangehörigkeit wollte als gläubige Muslimin durchsetzen, nicht nur in der privaten Öffentlichkeit, sondern auch im Beruf ein Kopftuch tragen zu dürfen. Deshalb klagte sie gegen die hessischen Gesetze und Anordnungen bis zum BVerfG – ohne Erfolg.

Denn der Eingriff in ihre Religionsfreiheit war laut BVerfG verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Ausbildungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz war hierbei nicht verletzt. Und die vom Landesgesetzgeber verfolgten Ziele der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates, der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und des Schutzes der negativen Religionsfreiheit Dritter sind besonders gewichtige Gemeinschaftsbelange, die die Regelung rechtfertigen. Die hessischen Regelungen zum Verbot des Kopftuchs für Rechtsreferendarinnen sind daher verfassungsgemäß.

Hinweis: Ein Verbot, bei bestimmten dienstlichen Tätigkeiten im Rechtsreferendariat ein Kopftuch zu tragen, ist nach diesem Urteil verfassungsrechtlich gerechtfertigt und nicht zu beanstanden.

Quelle: BVerfG, Beschl. v. 14.01.2020 – 2 BvR 1333/17

Thema: Arbeitsrecht

Deutsch durch Abstammung: Die Staatsangehörigkeit kann durch eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung verloren gehen

Ein Kind erlangt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn es von einem Elternteil mit deutscher Staatsangehörigkeit abstammt. Eine solche einmal erlangte deutsche Staatsangehörigkeit kann nur ganz ausnahmsweise wieder entzogen werden. Liegt ein solcher Fall vor, wenn ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch seinen deutschen Vater erlangt hat, der in der Folge die Vaterschaft erfolgreich anficht? Diese heikle Frage hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu klären.


Das Kind einer serbischen Frau wurde von einem Deutschen als Vater schon vor der Geburt anerkannt. Damit erwarb das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit. Kurz nach der Geburt betrieb der Vater dann aber die Vaterschaftsanfechtung, die nach Einholung eines Abstammungsgutachtens erfolgreich beschieden wurde. Das Amtsgericht erkannte deshalb darauf, dass das Kind, ein Mädchen, nicht die Tochter des Mannes sei. Damit stammte sie auch nicht (mehr) von einem Deutschen ab. Das Kind klagte nun darauf festzustellen, dass es weiterhin Deutsche sei. Diese Klage wurde abgewiesen.

Eine Staatsangehörigkeit kraft Abstammung konnte das Kind nicht mehr für sich in Anspruch nehmen. Es argumentierte deshalb auch damit, dass nach dem Grundgesetz nur kraft Gesetzes die Staatsangehörigkeit entzogen werden könne – und auch nur dann, wenn es dadurch nicht staatenlos werde. Das Gericht folgte dem. Aber durch die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung war die Verwandtschaft zum Scheinvater von vornherein als nicht existent zu behandeln. Dieser gesetzlichen Grundlage entspricht es, dass das Kind von vornherein nicht durch Verwandtschaft Deutsche habe werden können. Wenn die Voraussetzungen für die Verwandtschaft rückwirkend entfallen, dann auch die für die Begründung der deutschen Staatsangehörigkeit. Staatenlos werde das Mädchen zudem nicht, nur weil es nicht mehr Deutsche ist.

Hinweis: Für die Vaterschaftsanfechtung ist eine Frist von drei Jahren ab dem Zeitpunkt zu wahren, zu dem Kenntnis erlangt über die Umstände wird, kraft derer Zweifel an der Vaterschaft bestehen.
 
 

Quelle: BVerwG, Urt. v. 19.04.2018 – 1 C 1.17

Thema: Familienrecht

Katar als „Krebsgeschwür“: Kritik an öffentlichen Missständen muss nicht auf die mildeste Äußerungsform zurückgreifen

Die Grenze zwischen Beleidigung und Meinungsäußerungsfreiheit ist nicht immer ganz einfach zu ziehen.

In einem vom Landgericht Düsseldorf (LG) entschiedenen Fall ging es um die Klage des offiziellen Fußballverbands des Staates Katar gegen ein früheres Mitglied des Exekutivkomitees der FIFA. Dieses hatte in einem Radio-Interview gesagt: „Ich habe immer klar gesagt, dass Katar ein Krebsgeschwür des Weltfußballs ist.“ Der beleidigte Verein zog vor Gericht und verlangte die Unterlassung. Das LG wies die Klage ab. Zwar bejahte es das Vorliegen einer Beleidigung, diese war jedoch vom Recht der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz gerechtfertigt. Lediglich die Vergabeentscheidung für die Fußballweltmeisterschaft nach Katar sei kritisiert worden. Insbesondere ist der Vergleich mit einem Krebsgeschwür keine Schmähkritik. Ganz klar habe nicht die Diffamierung, sondern die Rechtmäßigkeit und Überprüfung der Vergabeentscheidung für die Fußballweltmeisterschaft 2022 im Vordergrund gestanden. Und wer Kritik an öffentlichen Missständen übt, ist nicht auf das mildeste Mittel zur Verdeutlichung seines Standpunkts beschränkt.

Hinweis: Beleidigungen und Verleumdungen müssen immer im Zusammenhang des Gesagten gesehen werden. Dieselbe Aussage kann in einem anderen Gesamtzusammenhang strafbar sein und auch eine Unterlassungsklage rechtfertigen.

Quelle: LG Düsseldorf, Urt. v. 19.04.2016 – 6 O 226/15
Thema: Sonstiges

Kein deutscher Hoheitsakt: Deutschland haftet nicht für durch die Air Base Ramstein unterstützte Drohneneinsätze

Ein Luftangriff der US-Streitkräfte in Somalia hat die deutschen Gerichte beschäftigt.

Ein Somalier, dessen Vater 2012 bei einem Luftangriff der USA – mutmaßlich ausgeführt durch unbemannte Kampfdrohnen – als ziviles Opfer ums Leben gekommen war, hat vor dem Verwaltungsgericht Köln (VG) geklagt. Er warf der Bundesrepublik Deutschland vor, nicht alles ihr Mögliche getan zu haben, den Luftangriff und somit den Tod des Vaters zu verhindern. US-Drohneneinsätze in Afrika würden schließlich insbesondere von der Air Base Ramstein aus unterstützt. Trotz dieses Wissens ginge man nicht dagegen vor und habe daher die Schutzpflichten aus dem Grundgesetz verletzt. Das VG wies die Klage allerdings ab, da sie bereits an der fehlenden Klagebefugnis scheiterte.

Hinweis: Es fehlte ein hinreichender Bezug zu einer hoheitlichen Betätigung der Bundesrepublik. Allein die Überlassung von Immobilien an die US-Streitkräfte ist kein deutscher Hoheitsakt.

Quelle: VG Köln, Urt. v. 27.04.2016 – 4 K 5467/15
Thema: Sonstiges

Gewerkschaftsmitgliedschaft: Arbeitgeber dürfen Mitarbeiter nicht durch Prämienzahlungen zum Austritt bewegen

Ein Arbeitgeber darf Gewerkschaften nicht mit allen Mitteln bekämpfen.

Eine Arbeitgeberin führte Mitarbeitergespräche, in denen sie ihre Mitarbeiter fragte, ob diese Mitglieder der Gewerkschaft seien. In einem anschließenden Mitarbeiterbrief bot sie jedem Beschäftigten, der zu einem Austritt bereit war, eine einmalige „Mitarbeitertreueprämie“ von 50 EUR an. Außerdem ließ sie in einem Vorarbeiterbüro Vordrucke für den Austritt aus der Gewerkschaft auslegen. Die Gewerkschaft sah darin einen Verstoß gegen ihre Koalitionsfreiheit aus dem Grundgesetz und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das Gericht war derselben Auffassung und stellte sich auf die Seite der Gewerkschaft. Die Arbeitgeberin durfte weder Prämien für einen Gewerkschaftsaustritt versprechen und entsprechende Kündigungsformulare auslegen noch in der vorliegenden Konstellation ihre Beschäftigten nach einer Gewerkschaftsmitgliedschaft befragen.

Hinweis: Arbeitgeber dürfen ihren Beschäftigten also kein Geld für einen Gewerkschaftsaustritt versprechen.

Quelle: ArbG Gelsenkirchen, Beschl. v. 09.03.2016 – 3 Ga 3/16
Thema: Arbeitsrecht