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Schlagwort: Gutachten

Beschleunigen, Bremsen, Schlingern: Zulässige Anordnung eines ärztlichen Gutachtens bei Diabetes mellitus Typ I nach Fahrauffälligkeiten

Chronische Erkrankungen verursachen neben dem körperlichen Leiden auch Widrigkeiten im Alltag. Doch damit das eigene Leid nicht noch anderen schadet, muss das Gesetz so manches Mal schützend eingreifen. Wer zum Beispiel an Diabetes mellitus Typ I erkrankt ist, so dass es sich auf die Fahrweise auswirkt, muss damit rechnen, ein ärztliches Gutachten einer amtlichen Begutachtungsstelle vorzulegen, um die Fahreignung nachzuweisen. Das bestätigte im folgenden Fall der Verwaltungsgerichtshof München (VGH).

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Fitter als 1974: OLG bewertet Altersbegrenzung des BGH zu Haushaltsführungsschäden als überholt

Wie Schmerzensgeld und Schadensersatz kann auch der Haushaltsführungsschaden nach einem Verkehrsunfall geltend gemacht werden. Das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) soll Menschen den Rücken stärken, die aufgrund eines Unfalls einen solchen Schaden anmelden und diesen ohne Aussicht auf Linderung sogar dauerhaft ersetzt verlangen.

Nach einem unverschuldeten Unfall begehrte der hier Geschädigte neben Schmerzensgeld auch einen Haushaltsführungsschaden, da er nicht mehr in dem Umfang wie vor dem Unfall im Haushalt tätig sein konnte. Das bestätigte auch ein gerichtlich beauftragtes Gutachten, das dem Mann zudem keinerlei Besserung der durch den Unfall verursachten Beschwerden in Aussicht stellte. Das erstinstanzliche Landgericht (LG) verfügte daraufhin zwar die Zahlung des Haushaltsführungsschadens, lehnte aber einen entsprechenden (für die Zukunft) gestellten Feststellungsantrag ab.

Das sah das OLG als Folgeinstanz jedoch anders. Da das LG festgestellt hatte, dass der Geschädigte eine Dauerbeeinträchtigung hinsichtlich der Haushaltsführungstätigkeit erlitten habe, die sich auch nicht bessern wird, kann auch nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge davon ausgegangen werden, dass er in gleichem Umfang weiterhin eingeschränkt bleibt. Somit kann auch eine entsprechende Rente als Mindestaufwand durch ein Feststellungsurteil festgelegt werden. Das OLG hält auch eine Begrenzung des Haushaltsführungsschadens auf ein Höchstalter von 75 Jahren für nicht mehr zeitgemäß. Denn der als allgemein bekannt zu unterstellenden Tatsache, dass die Lebenserwartung der Bevölkerung und deren Selbständigkeit im Alter fortgehend ansteigt, muss auch hier Tribut gezollt werden. Demnach darf davon ausgegangen werden, dass der Geschädigte ohne das Schadensereignis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Haushalt auch nach seinem 75. Lebensjahr noch selbständig hätte führen können – so wie die weit überwiegende Zahl der Bevölkerung auch. Etwas anderes könne nur gelten, wenn ganz konkret in der Person des Geschädigten Umstände dazu führen würden, diese überwiegende Verlaufswahrscheinlichkeit in Zweifel zu ziehen. Doch hierfür muss zum gegebenen Zeitpunkt der Schädiger oder seine Haftpflichtversicherung gegebenenfalls eine Abänderungsklage bezogen auf die neuen Gegebenheiten erheben.

Hinweis: In einer Entscheidung aus dem Jahr 1974 hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Haushaltsführungsschaden auf die Vollendung des 75. Lebensjahres begrenzt. Die neue Rechtsprechung geht allerdings nicht mehr von dieser starren Grenze aus, sondern stellt auf die Prognose für den konkreten Einzelfall ab. Der Haushaltsführungsschaden ist als Rente im Voraus für drei Monate jeweils zu zahlen.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 24.03.2020 – 22 U 82/18

Thema: Verkehrsrecht

Fehlentscheidung der Einigungsstelle: Beschluss zur Mindestbesetzung im Krankenhaus wegen Kompetenzüberschreitung aufgehoben

In vielen Fällen, in denen sich der Betriebsrat mit seinem Arbeitgeber streitet, ist die sogenannte Einigungsstelle zuständig. Um sich nicht allein auf diese Instanz stützen zu müssen, kann deren Spruch dann noch vom Arbeitsgericht überprüft werden.

 

 

Eine Arbeitgeberin – eine Klinik – und ihr Betriebsrat stritten über die Frage der Mindestbesetzung im Pflegedienst auf bestimmten Stationen. Daher wurde eine Einigungsstelle zum Arbeits- und Gesundheitsschutz gebildet. Es wurden Vereinbarungen geschlossen und auch drei Gutachten zur Gefährdungssituation des Pflegepersonals eingeholt. Trotzdem konnten sich die Parteien nicht abschließend einigen, so dass die Einigungsstelle schließlich entscheiden musste. Der Spruch der Einigungsstelle sah dann eine Schichtbesetzung mit einer bestimmten Anzahl von Pflegekräften vor. Dagegen zog die Arbeitgeberin vor Gericht. Sie wollte die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs erreichen. Das ist dann der Fall, wenn die Einigungsstelle ihre Kompetenzen überschreitet – wie in diesem Fall.

Der Betriebsrat hat aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz. Eine Handlungspflicht des Arbeitgebers, deren Umsetzung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, besteht jedoch erst, wenn konkrete Gefährdungen festgestellt werden. Eine Einigungsstelle selbst darf aber das Bestehen einer Gefährdung nicht eigenständig feststellen. Selbst bei Annahme einer konkreten Gefährdung hatte die Einigungsstelle mit ihrem Spruch die Grenzen dessen, was erzwingbar ist, auch inhaltlich überschritten. Bei der Personalplanung kann der Betriebsrat nicht erzwingbar mitbestimmen. Der Überlastungsschutz muss durch andere Maßnahmen gewährleistet werden.

Hinweis: Eine Einigungsstelle kann also beim Gesundheitsschutz keinerlei Vorgaben an den Arbeitgeber zur personellen Mindestbesetzung beschließen. Die Arbeitgeberin hatte deshalb gewonnen, weil die Einigungsstelle ihre diesbezüglichen Kompetenzen hier überschritten hatte.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 26.04.2018 – 6 TaBV 21/17

Thema: Arbeitsrecht

Wohnungseigentumsanlage: Mängel, die eine zweckentsprechende Nutzung beeinträchtigen, erfordern eine sofortige Instandsetzung

Sind Wände in einer Wohnung feucht, muss gehandelt werden. Das gilt auch in einer Wohnungseigentumsanlage.


In einer Wohnungseigentumsanlage gab es in mehreren Wohnungen erhebliche Mängel, nämlich Feuchtigkeit im Mauerwerk. Zwei Gutachten kamen zum gleichen Ergebnis: Grund für die Feuchtigkeit seien eine fehlende Sockelabdichtung, eine fehlende Horizontalsperre und im Mauerwerk eingelagerte Salze. Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschloss daraufhin, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Dagegen klagten zwei Eigentümer betroffener Wohnungen. Sie verlangten zusätzlich eine gerichtliche Beschlussersetzung auf Durchführung einer Sanierungsmaßnahme. Und sie gewannen auf ganzer Linie, da eine Sanierungspflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft bestanden hatte.

Weist die Wohnungseigentumsanlage gravierende bauliche Mängel auf, die eine zweckentsprechende Nutzung von Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen, ist eine sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich. Dass die Sanierungskosten ca. 300.000 EUR betragen sollten, war dabei unerheblich.

Hinweis: Schäden müssen beseitigt werden. Weist das Gemeinschaftseigentum in einer Wohnungseigentumsanlage gravierende bauliche Mängel auf, ist eine sofortige Instandsetzung dringend anzugehen. Eigentlich sollte das ja selbstverständlich sein, doch durch dieses Urteil des Bundesgerichtshofs ist dieser Grundsatz nun bindend.

Quelle: BGH, Urt. v. 04.05.2018 – V ZR 203/17

Thema: Mietrecht

Anzeigenobliegenheit im Schadensfall: Wer als Versicherungsnehmer seine Pflichten kennt, sollte sie zwingend befolgen

Im Dezember 2015 wurde der Pkw des Versicherungsnehmers angefahren, der an seinem beschädigten Fahrzeug einen Zettel mit Namen und Telefonnummer vorfand. Der Schadensverursacher konnte in der Folgezeit dennoch nicht ermittelt werden. Im Januar 2016 ließ der Geschädigte sein Fahrzeug begutachten und anschließend reparieren.

Erst im Juni 2016 meldete er den Schaden seiner Kaskoversicherung und bat um Erstattung der Reparaturkosten. Doch diese lehnte die Versicherung mit der Begründung ab, dass der Mann seine Anzeigeobliegenheit verletzt habe. Nach den Allgemeinen Kraftfahrt-Bedingungen (AKB) muss eine Schadensmeldung nämlich innerhalb von einer Woche abgegeben werden. Außerdem bemängelte die Versicherung, dass das Schadensbild nicht plausibel sei und das vorgelegte Gutachten unbrauchbar.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm war der Kaskoversicherer in der Tat von seiner Leistungspflicht befreit, da sein Versicherungsnehmer seine Anzeigeobliegenheiten vorsätzlich verletzt hatte. Dieser Vorsatz setzt voraus, dass der Versicherte um seine Pflicht im Versicherungsfall kennt. Auch ein sogenannter bedingter Vorsatz ist dafür schädlich, zu seinem (vermeintlichen) Recht zu kommen. Von einem solchen bedingten Vorsatz ist dann auszugehen, wenn der Versicherte zwar seine Pflichten kennt und negative Konsequenzen bei Missachtung für möglich hält, diese aber billigend in Kauf nimmt, weil er nicht ernsthaft damit rechnet, mit seinem Anliegen auf Granit zu stoßen. Da der Versicherungsnehmer nicht bestritt, dass er seiner Obliegenheit zur Schadensmeldung nicht nachgekommen ist, geht das Gericht davon aus, dass ihm auch klar war, dass er den Schaden zeitnah hätte melden müssen. Außerdem hätte ihm klar sein müssen, dass der Versicherer durch die verspätete Schadensmeldung nur noch eingeschränkte Möglichkeiten haben würde, eigene Feststellungen zum Schaden und zur Leistungsfreiheit zu treffen. Dass der Versicherungsnehmer zuvor irrtümlich davon ausgegangen war, den Schaden vom letztendlich unauffindbaren Verursacher ersetzt zu bekommen, ist nach Ansicht des Gerichts im Ergebnis letztlich unerheblich.

Hinweis: Für den Versicherungsnehmer ergibt sich, dass er einen Schaden unmittelbar nach Feststellung seiner Kaskoversicherung melden muss. Diese muss nämlich die Möglichkeit haben, eine möglichst unmittelbare Überprüfung der Angaben ihres Versicherungsnehmers vorzunehmen.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2017 – 20 U 42/17
Thema: Verkehrsrecht

Schadengeringhaltungsverpflichtung: Das Verweisen des Versicherers auf eine Alternativwerkstatt ist nicht in jedem Fall zulässig

Ein Geschädigter muss sich nicht auf eine von der Versicherung genannte günstigere Alternativwerkstatt verweisen lassen, wenn der Reparaturkalkulation des Sachverständigen bereits durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt am Wohnort des Geschädigten zugrunde gelegt wurden.

Auf einem Parkplatz kam es zu einer Kollision zwischen zwei ausparkenden Fahrzeugen. Der Geschädigte wandte sich an einen Sachverständigen und ließ ein Gutachten erstellen. Der Sachverständige legte bei der Reparaturkostenkalkulation Stundenverrechnungssätze eines Eurogarant-Betriebs zugrunde, wobei es sich insoweit um durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt handelt. Die gegnerische Unfallversicherung verwies den Geschädigten auf eine noch günstigere Alternativwerkstatt, was von diesem nicht akzeptiert wurde. Er legte seiner Berechnung die Reparaturkostenkalkulation des von ihm beauftragten Sachverständigen zugrunde.

 

Nach Auffassung des Amtsgerichts Gelsenkirchen war die Berechnung des Geschädigten zur Höhe des Schadens nicht zu beanstanden. Ein Verweis auf eine noch günstigere Alternativwerkstatt war im vorliegenden Fall nicht zulässig, da der Reparaturkalkulation des vom Geschädigten eingeschalteten Sachverständigen bereits durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt zugrunde lagen. Es wurden dabei keine Preise einer markengebundenen Fachwerkstatt kalkuliert. Der Geschädigte hat somit nicht gegen seine Schadengeringhaltungsverpflichtung verstoßen. Er muss sich nicht auf die günstigsten erzielbaren Preise einer Alternativfachwerkstatt verweisen lassen, wenn bereits durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt kalkuliert wurden.

Hinweis: Nach § 249 BGB kann der Geschädigte den erforderlichen Schadenbeseitigungsaufwand vom Schädiger verlangen. Insoweit können ortsübliche und angemessene Kosten erstattet verlangt werden. Ortsüblich und angemessen sind die durchschnittlichen Stundenverrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt durchaus. Und wenn bereits solche Kosten kalkuliert sind, sind diese dann auch zugrunde zu legen.

Quelle: AG Gelsenkirchen, Urt. v. 14.02.2017 – 201 C 177/16

Thema: Verkehrsrecht

Fahrzeuggegenüberstellung: Geschädigte dürfen ihre eigenen Schadensgutachter hinzuziehen

Wenn ein Haftpflichtversicherer eine Gegenüberstellung der Unfallfahrzeuge verlangt, weil er vermutet, dass das bei ihm haftpflichtversicherte Fahrzeug nicht an dem Unfall beteiligt war, ist der Geschädigte berechtigt, seinen Schadensgutachter zu der Gegenüberstellung hinzuzuziehen und die Kosten hierfür ersetzt zu bekommen.

Nach einem unverschuldeten Unfall ließ die Geschädigte durch einen vereidigten Sachverständigen ein Gutachten zur Schadenshöhe erstellen. Auf Veranlassung der gegnerischen Versicherung sollte an der Unfallstelle eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge erfolgen. Die Geschädigte bat den von ihr zuvor beauftragten Sachverständigen, aus Gründen der Waffengleichheit bei der Gegenüberstellung dabei zu sein. Die hierfür vom Sachverständigen berechneten Kosten verlangte sie von der gegnerischen Haftpflichtversicherung erstattet, die dies jedoch ablehnte.

Das Landgericht Hamburg hat die Versicherung jedoch zur Erstattung der Kosten verurteilt. Denn es war aus Sicht der Geschädigten sinnvoll, den von ihr mit der Schadensermittlung betrauten Sachverständigen zu dem Ortstermin hinzuzuziehen. Die gegnerische Haftpflichtversicherung hatte nämlich den Unfallhergang in Zweifel gezogen und einen eigenen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragt. Genau hierfür war die Gegenüberstellung der Fahrzeuge an der Unfallstelle geplant. In diesem Fall war die Geschädigte berechtigt, ihren Schadensgutachter zu der Gegenüberstellung hinzuzuziehen, da eine unabhängige Expertise des von der Versicherung beauftragten Sachverständigen nicht zwingend erwartet werden kann. Es steht zu befürchten, dass durch den Versicherungsgutachter einseitige und später nicht rekonstruierbare Feststellungen getroffen werden.

Hinweis: Grundsätzlich ist der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall nicht verpflichtet, sich auf eine von der gegnerischen Haftpflichtversicherung veranlasste Gegenüberstellung der Fahrzeuge an der Unfallstelle einzulassen. Willigt der Geschädigte aber ein, ist er auch berechtigt, sich der Unterstützung seines eigenen Sachverständigen zu bedienen.

Quelle: LG Hamburg, Urt. v. 09.07.2015 – 323 S 13/15

Thema: Verkehrsrecht

Mieterhöhungsbegehren: Geringere Anforderungen an ein Sachverständigengutachten als bei Verfahren

Mieterhöhungen können mithilfe eines Sachverständigengutachtens begründet werden.

Eine Vermieterin klagte auf Zustimmung zur Mieterhöhung. Als Begründung für diese Erhöhung verwies sie auf das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Sämtliche Vorinstanzen hatten die Klage der Vermieterin zwar abgewiesen, der Bundesgerichtshof (BGH) hob die Entscheidungen nun allerdings auf.

Die erstinstanzlichen Gerichte hatten laut BGH verkannt, dass die hohen Anforderungen, die an ein im Gerichtsverfahren einzuholendes Sachverständigengutachten als Beweismittel zu stellen sind, nicht bereits für die Begründung des Mieterhöhungsbegehrens gelten. Das unter Bezugnahme auf das Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erfolgte Mieterhöhungsverlangen entsprach daher völlig den Anforderungen des Mietrechts.

Hinweis: Sachverständigengutachten ist eben nicht gleich Sachverständigengutachten. Für die Begründung der Mieterhöhung muss es nämlich nicht ganz so ausgefeilt und detailliert sein, wie es vielleicht später in einem Gerichtsverfahren der Fall ist.

Quelle: BGH, Urt. v. 03.02.2016 – VIII ZR 69/15
Thema: Mietrecht

Geschwindigkeitsüberschreitung: Zweifel aufgrund möglicher Messauslösung durch optischen Effekt

Wenn ein Sachverständiger in seinem Gutachten zu einer Geschwindigkeitsmessung zum Ergebnis kommt, dass ein äußerer optischer Effekt die Messung ausgelöst haben kann, ist es vertretbar, den Beklagten vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freizusprechen.

Dem Fahrer eines Pkw wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen. Er berief sich darauf, dass möglicherweise ein äußerer optischer Effekt die Messung ausgelöst habe, was der vom Gericht bestellte Sachverständige nicht ausschließen konnte. Das Amtsgericht (AG) sprach den Betroffenen deshalb vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung frei.

Das Oberlandesgericht Naumburg hat die Entscheidung des AG bestätigt. Auch wenn es sich bei der Messung mit dem verwendeten Geschwindigkeitsmessgerät (ESO 3.0) um ein standardisiertes Messverfahren handelt, führt dies nicht dazu, dass es einem Gericht untersagt ist, die von einem Sachverständigen geäußerten Zweifel zu teilen. Im hier zu entscheidenden Fall hat der Sachverständige festgestellt, dass sechs Messungen der Messreihe nicht nachvollzogen werden konnten. Damit ist die Vermutung korrekter und nachvollziehbarer Messungen hinsichtlich der gesamten Messreihe dieses Tages zumindest erschüttert. Wenn der Sachverständige weiterhin ausführt, im Fall des Fahrzeugs des Betroffenen sei nicht auszuschließen, dass ein äußerer optischer Effekt die Messung ausgelöst habe, ohne dass der Fahrer schuldhaft daran beteiligt war, ist es vertretbar, diesen freizusprechen.

Hinweis: Bei standardisierten Messverfahren können Gerichte grundsätzlich ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen davon ausgehen, dass die Messungen korrekt erfolgt sind, wenn durch den Betroffenen keine konkreten Einwendungen erhoben wurden. Wie der vorliegende Fall zeigt, muss das Gericht allerdings bei konkreten Anhaltspunkten die Geschwindigkeitsmessung durch einen Sachverständigen überprüfen lassen.

Quelle: OLG Naumburg, Beschl. v. 16.12.2014 – 2 Ws 96/14