Wie gut man fährt, wenn man eine Haftplichtversicherung hat, zeigt der folgende Fall, der vor dem Landgericht Koblenz (LG) landete. Eher schlecht gefahren ist hier der Schädiger mit dem Fahrstuhl – im Rahmen seines Umzugs mit so einigen sperrigen Einrichtungsgegenständen. Denn die zwei Kratzer, die er hinterließ, waren „klein, aber oho“.
In den seltenen Momenten, in denen einfach mal alles passt, sollte man sich im Leben glücklich schätzen. Gerichten allerdings kommen zu perfekte Umstände verdächtig vor, denn auch sie kennen das Leben und vor allem die Beweggründe, die Fremde vor eben jenen Gerichten zusammenführt, nur allzu gut. Mit einem solchen merkwürdig anmutenden Fall hatte kürzlich das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) zu tun, das einen Kraftfahrzeugschaden auf Betreiben der zuständigen Versicherung unter die Lupe nehmen musste.
Mietsachen sollten stets mit der gebotenen Vorsicht genutzt werden. Dass auch Tennisplätze eine solche Sorgfalt bei der Nutzung genießen sollten, zeigt der folgende Fall. Diesen konnte der Bundesgerichtshof (BGH) zwar nicht abschließend klären – dennoch zeigt die Sachlage deutlich, dass sich eine Haftpflichtversicherung lohnt. Denn auch Spaß und Freizeit können finanziell empfindliche Folgen nach sich ziehen, wenn am falschen Ende gespart wurde.
Bestanden laut Gutachten an einem durch einen Unfall beschädigten Fahrzeug Vorschäden, liegt die gegenteilige Beweislast beim betreffenden Halter. Beim Erstbesitz sollte dies ein Leichtes sein, doch wie verhält es sich mit der Beweis- und Darlegungslast, wenn das Fahrzeug zuvor einem anderen gehört hat? Das Oberlandesgericht Bremen (OLG) musste diese Zwickmühle lösen.
Verkehrszeichen dienen der Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer und müssen demnach schnell und vor allem einfach zu erkennen sein. So versucht man mithilfe von einfacher Bildsprache, auf alle redundanten Zusatzinformationen zu verzichten. Dass sogar erklärbare Missverständnisse nicht unbedingt vor Strafe schützen – schließlich steht vor Erteilung einer Fahrerlaubnis auch das Erlernen von Verkehrszeichen -, musste das Oberlandesgericht München (OLG) im Folgenden anhand des Verkehrszeichens 266 darlegen.
Das runde Verkehrszeichen 266 symbolisiert durch seine rote Umrandung ein Verbot. Darin ist ein schwarzer Lkw auf weißem Grund abgebildet. An seiner Unterseite symbolisieren zwei begrenzende, nach außen gerichtete Pfeile und eine Zahl die Gesamtlänge, ab der das Befahren der Straße verboten ist. Die Halterin eines Omnibusses wollte dieses Zeichen daher auch so verstanden wissen, dass es nur den Verkehr für Lkw ab der angegebenen Fahrzeuglänge beschränke – nicht aber ihr Fahrzeug. Eben jener Bus war nämlich an einer Spitzkehre einer bayerischen Bergstraße in einen Streifzusammenstoß mit einem bergab fahrenden Pkw verwickelt. Sie klagte zunächst wegen des Zusammenstoßes gegen den Halter des Pkw und dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadensersatz.
Das Landgericht Kempten (LG) nahm daraufhin eine Haftungsverteilung von 60 % zu 40 % zu Lasten der Klägerin vor. Da der Beklagte nachweislich nicht in ausreichendem Maße seinen rechten Fahrstreifen benutzte, war ihm zwar eine Mitschuld (§ 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 StVO) anzurechnen. Jedoch habe der Fahrer des Busses den Unfall überwiegend verschuldet. Denn er habe die Straße entgegen dem Zeichen 266 befahren. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein. Dass das Verkehrszeichen 266 die Straßennutzung auf Fahrzeuge mit maximal zwölf Metern Gesamtlänge beschränkt habe, wollte die Dame, deren Bus ganze 13 Meter Länge aufwies, so nicht stehen lassen. Sie bestand darauf, dass es nur für Lkws gelte.
Doch das OLG bestätigte die Entscheidung des LG. Das Zeichen 266 gelte für alle Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen, die die auf dem Zeichen angegebene tatsächliche Länge überschreiten. Aus der Verwendung des Symbols eines Lkw ergebe sich nach Ansicht des Senats nichts anderes.
Hinweis: Das Verkehrszeichen 266 limitiert alle Fahrzeugkombinationen durch deren Gesamtlänge. Es soll vermeiden, dass überlange Kraftfahrzeuge beim Befahren kritischer Bereiche ein Risiko für den entgegenkommenden Straßenverkehr darstellen. Letztlich besteht das Kollisionsrisiko hierbei allein durch die Fahrzeuglänge für Omnibusse, Lkws und sogar für Pkws, die mit einem Anhänger die maximal zulässige Fahrzeuglänge übersteigen.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 26.04.2021 – 24 U 111/21
Grundsätzlich müssen sich auch Kinder im Straßenverkehr ihrer Reife entsprechend so verhalten, dass sie Gefahrenquellen erkennen und Gefährdungen entsprechend vermeiden können. Im folgenden Verkehrsunfall, den das Oberlandesgericht Celle (OLG) zu bewerten hatte, kam es aber wie so oft auf das komplexe Gesamtbild an. Und das sprach hier letztendlich gegen den erwachsenen Beteiligten.
Im Dezember 2012 überquerte die damals elfjährige Schülerin gegen 8 Uhr als letztes von vier Kindern im Dunkeln eine Straße in der Nähe ihrer Schule. Eines der vorausgehenden Kinder trug eine gelb reflektierende Jacke. Dieser Gruppe näherte sich ein Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von mindestens 55 km/h statt der erlaubten 50 km/h. Kurz bevor die Schülerin den Bürgersteig erreichte, erfasste das Fahrzeug sie, wodurch sie erheblich verletzt wurde. Sie verlangte von dem Fahrer und der Haftpflichtversicherung des Unfallfahrzeugs nun unter anderem Schmerzensgeld.
Das OLG hat der Schülerin in vollem Umfang Recht gegeben und entgegen der Vorinstanz ein Mitverschulden nicht angenommen. Der Fahrer des Kraftfahrzeugs hat den Unfall überwiegend verschuldet, da er sein Fahrverhalten sofort hätte anpassen müssen, als er die Kinder im Straßenbereich wahrnahm. Darüber hinaus hätte er den Unfall auch verhindern können, wenn er die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätte. Zwar hatte sich das Kind ebenfalls falsch verhalten, weil es beim Überqueren der Straße den vorfahrtsberechtigten Fahrzeugverkehr nicht ausreichend beachtet hatte. Nach der Überzeugung des OLG traf das Mädchen jedoch insoweit kein Verschulden. Denn hier bezog das Gericht auch das Alter und die Gesamtsituation ein: Das Kind war in nachvollziehbarer Weise überfordert, da es sich bereits auf der Straße befand, als es das Fahrzeug wahrnahm, sowohl Entfernung als auch Geschwindigkeit des Fahrzeugs in der Dunkelheit falsch einschätzte und reflexhaft die falsche Entscheidung traf, der Gruppe hinterherzulaufen. Der Fahrer des Kraftfahrzeugs habe sich auch nicht darauf verlassen dürfen, dass sich das Kind richtig verhalten werde.
Hinweis: Nach § 3 Abs. 2a der Straßenverkehrsordnung muss sich ein Fahrzeugführer so verhalten, dass eine Gefährdung – insbesondere von Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen – ausgeschlossen ist. Zudem ist das (Mit-)Verschulden von Kindern und Jugendlichen in der Regel geringer zu bewerten als das entsprechende (Mit-)Verschulden eines Pkw-Fahrers.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 19.05.2021 – 14 U 129/20
Fiktive Abrechnungen sind nach Unfallschäden immer wieder Fälle für die Gerichte. Auch in diesem Fall musste sich das Landgericht Magdeburg (LG) mit der Frage befassen, wann sich Geschädigte auf eine Reparaturmöglichkeit in einer Vertragswerkstatt des Herstellers in der Nähe seines Wohnorts verweisen lassen müssen.
Nach einem unverschuldeten Unfall ließ der Geschädigte ein Sachverständigengutachten zur Höhe der Reparaturkosten erstellen. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers verwies ihn allerdings auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer in seiner Nähe befindlichen Vertragswerkstatt. Der Geschädigte ließ das Fahrzeug dennoch in einer freien Werkstatt reparieren und legte eine Reparaturkostenrechnung nicht vor. Die Haftpflichtversicherung zahlte den sich aus dem Prüfbericht ergebenden Nettoreparaturkostenbetrag. Der Geschädigte klagte die Differenz zu den sich aus dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten resultierenden Nettoreparaturkosten ein.
Das LG hat die Klage abgewiesen, da der fiktiv abrechnende Geschädigte mit der Zahlung der Reparaturkosten laut Prüfbericht bereits vollständig entschädigt wurde. Da der Geschädigte auf eine Vertragswerkstatt verwiesen wurde, liegt auch eine technische Gleichwertigkeit bezüglich der im von ihm eingeholten Gutachten ermittelten Reparaturkosten vor. Der von der Versicherung vorgenommenen Schadenabrechnung wurden die konkreten Lohnkosten und Stundenverrechnungssätze zugrunde gelegt. Die Versicherung musste ihm auch nicht ein konkret annahmefähiges Angebot zur Reparatur seines Fahrzeugs vorlegen. Die Vorlage eines Prüfberichts reiche völlig aus.
Hinweis: Grundsätzlich ist es so, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Geschädigter eines zum Unfallzeitpunkt nicht mehr als drei Jahre alten Fahrzeugs sich nicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Werkstatt verweisen lassen muss. Die Besonderheit in diesem Fall liegt jedoch darin, dass der Verweis auf eine vom Wohnort des Geschädigten 18 km entfernte Vertragswerkstatt erfolgte. Ob allerdings die vom LG vertretene Rechtsansicht vor der obergerichtlichen Rechtsprechung Bestand haben wird, bleibt abzuwarten.
Quelle: LG Magdeburg, Urt. v. 19.03.2021 – 1 S 213/20
Der erlittene Schaden nach einem Unfall kann auch auf die eigene Haushaltsführung Einfluss nehmen. Dass dabei aber auch exakt dargelegt werden muss, welche Tätigkeiten genau nicht mehr durch eigene Leistung durchgeführt werden können, wenn man nicht mit einem Pauschalbetrag abgespeist werden möchte, zeigt das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (OLG).
Die Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall verletzt und machte gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung auch einen Haushaltsführungsschaden geltend, ohne dabei konkret darzulegen, welcher Schaden ihr hierbei genau entstand. Stattdessen verwies die Frau nur allgemein auf eine bestimmte prozentuale Minderung der Erwerbsfähigkeit und der Fähigkeit zur Haushaltsführung. Die gegnerische Versicherung zahlte ihr daher nur einen Pauschalbetrag, mit dem sich die Geschädigte nicht zufrieden gab und klagte.
Das OLG entschied jedoch, dass ein über den zuerkannten Betrag hinausgehender Anspruch auf Ersatz des behaupteten Haushaltsführungsschadens nicht besteht. Die Geschädigte habe nicht substantiiert dargelegt, welcher Schaden ihr durch die erlittenen Verletzungen in Bezug auf den Haushaltsführungsschaden entstanden sei. Eine pauschale Bezugnahme auf Tabellenwerke zur Darlegung des unfallbedingt entstandenen Haushaltsführungsschadens erfülle dabei nicht die Anforderungen an die Darlegung eines konkreten Schadens.
Hinweis: Zur Darlegung eines Haushaltsführungsschadens muss der Geschädigte im Einzelnen nachweisen, welche Tätigkeiten, die vor dem Unfall im Haushalt verrichtet wurden, unfallbedingt nicht mehr oder nicht mehr vollständig ausgeübt werden können. Ein bloßer allgemeiner Verweis auf eine bestimmte prozentuale Minderung der Erwerbsfähigkeit oder der Fähigkeit zur Haushaltsführung genügt nicht.
Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 11.09.2020 – 9 U 96/20
Dieser Fall aus dem Verkehrsrecht befasst sich mit der Frage, was passiert, wenn man seinen neuen Job unfallbedingt erst gar nicht antreten kann. Ob dem unverschuldet Geschädigten hier nach einem Aufhebungsvertrag ein Verdienstausfall von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zusteht, musste das Oberlandesgericht München (OLG) klären.
Bei einem Verkehrsunfall wurde ein Motorradfahrer verletzt. Fünf Tage nach dem Unfall sollte dieser als angestellter Betriebsleiter seine Arbeit bei einer Firma beginnen. Aufgrund der unfallbedingten Verletzungen konnte er diese Tätigkeit jedoch nicht aufnehmen, weshalb er einen Aufhebungsvertrag schloss. Von der gegnerischen Haftpflichtversicherung verlangte er daraufhin den ihm entstandenen Verdienstausfallschaden. Da die Versicherung nicht zahlte, erhob er Klage. Das erstinstanzlich befasste Landgericht wies die Klage bezüglich des geltend gemachten Verdienstausfallschadens ab, da der Geschädigte den hierdurch entstandenen Schaden durch Abschluss des Aufhebungsvertrags selbst verursacht habe – doch das OLG sah dies in nächster Instanz anders.
Dem Geschädigten steht trotz Abschlusses eines Aufhebungsvertrags der ihm entstandene Verdienstausfallschaden durchaus zu, solange dieser aufgrund unfallbedingter Verletzungen und der folglichen temporären Arbeitsunfähigkeit vereinbart wurde. Gegenteiliges müssten der Schädiger bzw. seine Haftpflichtversicherung beweisen. Der diesbezüglich vernommene Zeuge habe aber bestätigt, dass der Aufhebungsvertrag nur im Hinblick auf die erlittenen Verletzungen geschlossen wurde.
Hinweis: Die Entscheidung des OLG entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Relevant ist demnach, ob der Aufhebungsvertrag seine Grundlage in einer eigenverantwortlichen und außerhalb des Unfalls liegenden Entscheidung des Geschädigten hat. Erfolgte der Abschluss aufgrund unfallbedingter Verletzungen und einer temporären Arbeitsunfähigkeit, steht diesem ein Verdienstausfallschaden zu.
Quelle OLG München, Urt. v. 09.09.2020 – 10 U 1690/20
Zwischen einem Unfall und der daraufhin zu erfolgenden Versicherungsleistung kann bekanntlich einige Zeit liegen. Was aber passiert, wenn der Versicherungsnehmer seinerseits länger mit der Ersatzbeschaffung bzw. der Reparatur seines Fahrzeugs wartet, weil ihm zur Vorauslage die finanziellen Mittel fehlen, musste das Oberlandesgericht München (OLG) kürzlich bewerten.
Nach einem unverschuldeten Unfall machte der Geschädigte dieses Falls auch Nutzungsausfall geltend. Dass er aber rund drei Monate mit der entsprechenden Ersatzbeschaffung wartete, war für die Versicherung nicht akzeptabel. Welcher Zeitraum ihm dafür hätte zugestanden werden müssen, konnte außergerichtlich nicht geklärt werden, so dass diese Frage vor dem OLG landete.
Nach Auffassung der Richter steht Geschädigten die Nutzungsausfallentschädigung für einen Zeitraum von 100 Tagen zu. Zudem kann von einem fortbestehenden Nutzungswillen ausgegangen werden, wenn der Geschädigte konkret nachweisen kann, dass ihm die finanziellen Mittel für eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung fehlen. Angesichts der vom Geschädigten vorgetragenen eigenen Finanzsituation war diesem unter Berücksichtigung von Überlegungszeiten ein angemessener Zeitraum für die Durchführung einer Ersatzbeschaffungsmaßnahme zuzubilligen – solange der Geschädigte über keine gesicherte Finanzierung für eine Ersatzbeschaffung verfügte, konnte er eine solche nicht vornehmen. Ferner ist ein passendes Fahrzeug auf dem Markt zu suchen. Somit kann für den Nachweis eines Nutzungswillens auch nicht verlangt werden, dass eine Ersatzbeschaffung unverzüglich vorzunehmen ist.
Hinweis: Dem Geschädigten gebührt grundsätzlich eine Nutzungsausfallentschädigung, wenn er sein Kraftfahrzeug während der Reparaturzeit benutzen wollte und hierzu in der Lage war. Kann er eine Reparatur oder die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs finanziell nicht vor Auszahlung der ihm zustehenden Entschädigungssumme bewerkstelligen, muss er die gegnerische Haftpflichtversicherung hierüber bereits bei Geltendmachung seiner Ansprüche hinweisen.
Quelle: OLG München, Urt. v. 27.05.2020 – 10 U 6795/19