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Schlagwort: Interessenabwägung

Abmahnung ausreichend: Keine zwingende Kündigung von Pflegekraft nach Impfunfähigkeitsbescheinigung aus Internet

Nicht immer geht es für Arbeitnehmer so glimpflich aus, wenn sie vom Arbeitgeber beim Lügen oder Betrügen erwischt werden. Denn wer sich dabei versucht, riskiert die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dass das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) hier die Kündigung nicht bestätigte, lag an einem Detail, das in vielen Fällen gegen die Entlassung spricht.

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Trotz abgelehnter Ersatzwohnung: Attestierte Suizidgefahr kann Räumung einer Mietwohnung auch bei berechtigtem Eigenbedarf hemmen

Dass mit einer Suizidgefahr nicht zu scherzen ist, haben auch Vermieter bereits gerichtlich lernen müssen, wenn es um Eigenbedarfsansprüche geht. Nicht ohne Grund gehört die Androhung des Freitods bei Verlustangst der eigenen vier Wände zu jenen Härtegründen, die einen Auszug verhindern können. Ob dieser Grund dadurch zunichte gemacht wird, wenn der betreffende Mieter eine angemessene Ersatzwohnung ablehnt, musste final der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

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Teilzeitanspruch in Elternzeit : Verfügungsanspruch steht behauptetem Beschäftigungsmangel des Arbeitgebers entgegen

Sicherlich kann in einem Jahr betrieblich viel passieren – auch wenn sich Angestellte in Elternzeit befinden. Den Anspruch auf begehrte Teilzeitarbeit von Arbeitnehmern in Elternzeit abzuwehren, ist jedoch nicht ganz so einfach. Und dass Arbeitnehmer diesen Anspruch auch gerichtlich durchsetzen können, zeigt im Folgenden ein Fall, der kürzlich vor dem Landesarbeitsgericht Köln (LAG) landete.

Eine Arbeitnehmerin hatte nach der Geburt ihres Kindes für etwa zwei Jahre Elternzeit beantragt. Nach einem Jahr beantragte sie fristgerecht eine Teilzeitbeschäftigung in Elternzeit im Umfang von 30 Wochenstunden. Die Arbeitgeberin lehnte den Beschäftigungsantrag jedoch mit der Begründung ab, dass sie keine Beschäftigungsmöglichkeit habe.

Das LAG sah das anders, und als Ergebnis muss die Arbeitnehmerin nun auch in Teilzeit beschäftigt werden. Es bestand in den Augen des Gerichts nämlich ein sogenannter Verfügungsanspruch, weil die Arbeitnehmerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit glaubhaft gemacht hatte. Zwar kann die Arbeitgeberin grundsätzlich dringende betriebliche Gründe entgegenhalten. Hierzu genügt allerdings nicht die bloße Behauptung, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit. Die Arbeitgeberin hätte die genauen Tatsachen bezeichnen müssen – ähnlich wie beim Wegfall von Arbeitsplätzen bei einer Kündigungsschutzklage. Der Verfügungsgrund bestand zudem darin, dass eine umfassende Interessenabwägung ergab, dass die Arbeitnehmerin ohne die Teilzeit beruflich auf das Abstellgleis geraten könne.

Hinweis: Der Anspruch auf eine Teilzeit während der Elternzeit muss genauso wie ein allgemeiner Teilzeitanspruch schriftlich gestellt werden. Äußert sich der Arbeitgeber dazu dann nicht binnen einer bestimmten Frist, gilt der Antrag als genehmigt.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 04.06.2021 – 5 Ta 71/21

Thema: Arbeitsrecht

Aus Ehewohnung ausgesperrt: Gewohnheitsmäßig längerer Auslandsaufenthalt ist auch nach Trennung keinem Auszug gleichzusetzen

Wem in Krisen- oder Trennungsfällen untersagt werden kann, die eheliche Wohnung oder das eheliche Haus zu betreten, ist im Gesetz sehr streng geregelt. Ob Besonderheiten gelten, wenn einer der Ehegatten erst einmal von sich aus das Feld räumt, musste kürzlich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) klären.


Bei beabsichtigter oder bereits laufender Trennung kann ein Ehegatte verlangen, dass der andere die eheliche Wohnung verlässt, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Dabei hat eine einzelfallbezogene umfassende Interessenabwägung stattzufinden. Im Ergebnis bleibt es eher die Ausnahme, einem Ehegatten den Zugang zu verwehren, weil es objektiv im beschriebenen Maße unzumutbar ist, dass beide weiterhin in der Ehewohnung leben. Zieht ein Ehegatte aber nach der Trennung aus und erklärt nicht binnen sechs Monaten ernsthaft, wieder einziehen zu wollen, steht das alleinige Nutzungsrecht durchaus nur noch dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten zu.

In diesem Fall brach einer der Ehegatten nach der Trennung zu einem mehrmonatigen Verwandtenbesuch ins Ausland auf. Nach dessen Rückkehr passte sein Schlüssel nicht mehr. Vor Gericht ging er gegen die Aussperrung vor. Damit kam er auch durch. Denn das OLG schenkte einer Besonderheit besonderes Augenmerk: Bereits in der Vergangenheit hatte sich der Ehegatte regelmäßig über mehrere Monate bei seinen Verwandten im Ausland aufgehalten. Unter Berücksichtigung dieses Umstands sei der Ehegatte folglich auch nicht ausgezogen. Eine unbillige Härte lag somit nicht vor, ebenso wenig das Recht auf Aussperrung, die entsprechend rückgängig zu machen sei.

Hinweis: Die Eigentumsverhältnisse an der Ehewohnung spielen in der Trennungszeit eine allenfalls untergeordnete Rolle. Anders ist dies erst, wenn sich die Frage stellt, wer nach der Scheidung in der bisherigen Ehewohnung verbleibt.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.03.2019 – 4 UF 188/18

Thema: Familienrecht

Erzwungener Wohnungswechsel II: Emotional erträglicher Umzug für schwerkranken Altmieter ermöglicht Eigenbedarf

Das zweite Urteil dieser Monatsausgabe zu Härtefallregelungen musste das Landgericht München I (LG) fällen. Unter welchen Bedingungen es seiner Meinung nach durchaus zulässig ist, einen alten und zudem kranken Mieter wegen Eigenbedarfs zu kündigen, lesen Sie hier.

In dem Fall ging es um einen 88-jährigen Mieter, der aufgrund einer schweren Herzerkrankung nur noch über eine sehr eingeschränkte Mobilität verfügte; dabei beispielsweise nur ein halbes Stockwerk steigen oder 100 Meter zu Fuß gehen konnte. Als die Vermieter dem Mann trotzdem eine Eigenbedarfskündigung aussprachen, boten sie ihm zugleich eine vergleichbare Wohnung in unmittelbarer Umgebung an. Zudem wollten sie die Umzugskosten und den Organisationsaufwand übernehmen. Als der Mieter trotzdem nicht auszog, legten die Vermieter eine Räumungsklage ein – mit Erfolg.

Zwar stellte die Beendigung des Mietverhältnisses auf Seiten des Mieters auch nach Meinung des LG eine Härte dar. Diese war jedoch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters gerechtfertigt. Laut Sachverständigengutachten war dem Mieter ein Umzug auch in Anbetracht seiner gesundheitlichen Einschränkungen möglich. Im Rahmen der Interessenabwägung hat das Interesse eines schwer herzkranken, seit 45 Jahren in der Wohnung lebenden Mieters in sehr hohem Alter hinter dem Erlangungsinteresse der sich auf Eigenbedarf berufenden Vermieter zurückzustehen – wenn dem Mieter eine gleichwertige, in der unmittelbaren Umgebung gelegene Ersatzwohnung zu identischen Konditionen vom Vermieter angeboten wird und dieser zudem die Kosten sowie die gesamte Umzugsorganisation übernimmt.

Hinweis: Wer als Vermieter einen alten Baum so behutsam verpflanzen will, dass selbst der hinzugezogene Gutachter keine Einwände hat, sollte sein Recht auf Eigentum auch durchsetzen können. Selten genug liest man über ein solch kooperatives Entgegenkommen bei Eigenbedarfskündigungen.

Quelle: LG München I, Urt. v. 22.03.2019 – 14 S 5271/17

Thema: Mietrecht

Klarnamenpflicht: Unter Pseudonym geführte Facebook-Konten bleiben vorerst weiterhin untersagt

Facebook hat in Deutschland etwa 26 Mio. Nutzer. Nunmehr hat das Hamburger Oberverwaltungsgericht (OVG) entschieden, dass von Facebook nicht verlangt werden kann, ein Konto unter einem Pseudonym zu veröffentlichen.

Facebook hatte das unter einem Pseudonym geführte Konto einer Nutzerin gesperrt. Daraufhin zog der sogenannte Hamburgische Datenschutzbeauftragte vor Gericht und ließ Facebook verpflichten, der Betroffenen die Nutzung ihres Facebook-Kontos unter ihrem Pseudonym zu ermöglichen. Die Verpflichtung erging gegenüber der Facebook Ireland Ltd., die für die Verarbeitung personenbezogener Daten der Facebook-Nutzer in Europa zuständig und zugleich der Hauptgeschäftssitz des Facebook-Konzerns außerhalb von Nordamerika ist. Die in Hamburg ansässige Facebook Germany GmbH ist lediglich im Bereich der Werbung tätig.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat auf Antrag von Facebook Ireland in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass der Bescheid des Datenschutzbeauftragten einstweilen nicht vollzogen werden darf. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das OVG zurück. Es führte im Wesentlichen aus, dass es offen ist, ob die Verfügung des Datenschutzbeauftragten zu Recht ergangen war. Denn das hängt wiederum von der Auslegung der EU-Datenschutzrichtlinie ab. Schon das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu in einem anderen, ebenfalls Facebook betreffenden Verfahren den Europäischen Gerichtshof um Klärung gebeten. Laut OVG überwiegt das Interesse des Datenschutzbeauftragten und der Nutzerin an einer sofortigen Nutzung des Facebook-Kontos unter einem Pseudonym bei der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht.

Hinweis: In dieser Frage dürfte noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Denn insbesondere die Befugnis des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten gegenüber Facebook Ireland Ltd. ist noch unklar und dürfte weitere Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen. Bis dahin allerdings gilt weiterhin die Klarnamenpflicht.

Quelle: OVG Hamburg, Beschl. v. 30.06.2016 – 5 Bs 40/16

Thema: Sonstiges