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Schlagwort: KG

Illoyalität: Einseitige Ausübung des Kapitalwahlrechts ist als versorgungsfeindlich anzusehen

Wie der regelmäßigen Leserschaft weitestgehend bekannt, werden bei einer Scheidung die innerhalb der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften hälftig geteilt. Besonderheiten gelten dabei für solche Lebensversicherungsverträge mit einem Wahlrecht. Eine solche Konstellation hatte im Folgenden auch das Berliner Kammergericht (KG) zu beurteilen.

Die Ehegatten hatten unter anderem einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen, der bei Fälligkeit auf die Zahlung einer Rente gerichtet war. Beide vereinbarten eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich, nach der jeder den jeweiligen Lebensversicherungsvertrag für sich behalten solle. Den hierzu erforderlichen Notartermin sagte der Mann dann allerdings kurzfristig ab, übte stattdessen das versicherungstypische Kapitalwahlrecht aus und ließ sich das Guthaben auszahlen. Zwei Wochen später wurde der Scheidungsantrag zustellt. Damit unterlag nur noch das Anrecht aus dem Lebensversicherungsvertrag der Frau dem Versorgungsausgleich. Das Verhalten des Mannes nannte die Frau illoyal, und dass es grob unbillig sei, wenn nun der Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung ihres Lebensversicherungsvertrags durchgeführt werde. Schließlich habe man anderes besprochen und auch regeln wollen.

Das KG war da ganz auf Seiten der Geschädigten. Es ist nach der Rechtsprechung nicht vorgesehen und wäre auch gar nicht machbar, den Fall nun so zu behandeln, als hätte der Mann bezüglich seines Vertrags das Kapitalwahlrecht nicht ausgeübt. Denn die entsprechenden Versicherungsleistungen, die somit zu erbringen wären, sind zum einen kaum berechenbar und werden zum anderen auch ganz einfach nicht erbracht. Stattdessen ist diese Lage als grobe Unbilligkeit anzusehen. Das Gericht beließ der Frau deshalb – wie im Vorhinein zwischen den Ehegatten vereinbart – ihre Versicherung in vollem Umfang.

Hinweis: Das infolge der Ausübung des Kapitalwahlrechts zufließende Vermögen kann güterrechtlich bedeutsam sein. Deshalb sollte ein möglicher Zufluss nur unter fachlicher Beratung erfolgen.

Quelle: KG, Beschl. v. 02.03.2020 – 13 UF 184/19

Thema: Familienrecht

Erbensuche im Erbscheinsverfahren: Bleiben umfangreiche Nachforschungen erfolglos, darf ein Aufgebotsverfahren nicht abgelehnt werden

Das Nachlassgericht kann eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung von Erbrechten erlassen. Von dieser Möglichkeit wird zum Beispiel dann Gebrauch gemacht, wenn der Aufenthaltsort von Erbberechtigten nicht ermittelt werden kann. Mit den Voraussetzungen, die hierfür jedoch erfüllt sein müssen, hat sich kürzlich das Kammergericht Berlin (KG) beschäftigt.

Im konkreten Fall verstarb die Erblasserin, ohne dass etwas über das Schicksal oder den Aufenthalt ihres Sohns bekannt war. Ein Kontakt zur Familie bestand seit 1952 nicht mehr. Die weiteren Abkömmlinge, die einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt haben, beantragten im Wege eines öffentlichen Aufgebotsverfahrens, den Ausschluss dieses grundsätzlich vorrangig berechtigten Erben feststellen zu lassen. Alle Ermittlungsmaßnahmen zum Aufenthalt des Sohns blieben erfolglos – und diese waren durchaus umfangreich. Ausweislich der Geburtsurkunde des Sohns der Erblasserin waren lediglich dessen Name und Geburtsdatum bekannt. Das Melderegister beim Landeseinwohneramt enthielt keinerlei Angaben zum Gesuchten, auch Anfragen beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes und bei den gesetzlichen Rentenversicherungen blieben erfolglos. Die Vermutung, der Sohn habe sich in den 1950er Jahren der Fremdenlegion angeschlossen, wurden durch das französische Verteidigungsministerium nicht bestätigt. Ein Antrag auf Todeserklärung wurde durch das zuständige Amtsgericht jedoch abgewiesen, da auch nach 65 Jahren nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Sohn verstorben sei. Dennoch wies das Nachlassgericht den Antrag auf öffentliche Aufforderung ab.

Dieser Entscheidung konnte sich das KG allerdings nicht anschließen. Aufgrund der bereits umfangreich durchgeführten Ermittlungen durfte das Nachlassgericht die Durchführung des Aufgebotsverfahrens nicht ablehnen ohne aufzuzeigen, welche weiteren erfolgversprechenden Ermittlungsmöglichkeiten die Beteiligten unter Ausschöpfung welcher Erkenntnisquellen noch angehen sollten, um den Wegfall des vorrangig erbberechtigten Sohnes der Erblasserin (bzw. seiner Abkömmlinge) nachzuweisen. Zweifel am Tod des Erbberechtigten reichen dann alleine nicht mehr aus, das Aufgebotsverfahren abzulehnen, da anderenfalls praktisch keine andere Möglichkeit besteht, einen Erbschein zu erteilen.

Hinweis: Im Aufgebotsverfahren bestimmt das Gericht die Art der Bekanntmachung, zum Beispiel durch Aushang bei Gericht, sowie eine Frist, innerhalb der sich ein Berechtigter zur Anmeldung von Ansprüchen bei Gericht melden kann. Sofern innerhalb der Frist kein weiterer Berechtigter Erbansprüche anmeldet, wird kraft Gesetzes zunächst unterstellt, dass kein weiterer Erbberechtigter vorhanden ist.

Quelle: KG, Beschl. v. 03.01.2020 – 6 W 56/19

Thema: Erbrecht

Gerichtliche Zuständigkeitsfragen: Verstirbt ein Erblasser fernab des Wohnorts, ist ein Verweisungsbeschluss für alle Verfahren bindend

In Erbschaftssachen kann unter Umständen nicht nur die Ermittlung der Erbfolge problematisch sein, sondern auch die Frage, welches Gericht für die Streitigkeit zuständig ist. Das Kammergericht in Berlin (KG) musste in einer solchen Sache Licht ins Dunkel bringen.

Eine Frau verstarb nach drei Tagen in einem Hospiz, das sich im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts (AG) Brandenburg an der Havel befand. Zuvor hatte die nun verstorbene Berlinerin im Gerichtsbezirk des AG Spandau gelebt. Beide Gerichte erklärten sich für die Eröffnung des Testaments für unzuständig, so dass in nächster Instanz das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) über die Zuständigkeit entscheiden musste. Dieses bestimmte, dass das AG in Spandau durchaus zuständig sei. Weiterhin strittig war dann jedoch, welches Gericht für das Erbscheinsverfahren zuständig ist, worüber schließlich das KG zu entscheiden hatte.

Das KG entschied, dass das Spandauer AG auch für das Erbscheinsverfahren zuständig ist. Es stellte klar, dass für den Fall, dass in einer Nachlasssache die örtliche Zuständigkeit durch ein OLG bestimmt wurde, diese Bestimmung auch für sonstige Verfahren maßgebend ist, die denselben Erblasser betreffen und an dieselbe Zuständigkeitsnorm anknüpfen.

Hinweis: In Erbschaftssachen ist grundsätzlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt des Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Bei Aufenthalten in Hospizen kann die Festlegung, wo der Verstorbene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, schwierig sein und muss dann im Einzelfall ermittelt werden. Um Zuständigkeitsstreitigkeiten zu verhindern, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Verweisungsbeschluss eines Gerichts immer verbindlich – selbst wenn dieser inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Das Gericht, an das verwiesen wurde, ist damit automatisch zuständig. Dies gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn der Verweisungsbeschluss willkürlich war.

Quelle: KG, Beschl. v. 16.09.2019 – 1 AR 38/19

Thema: Erbrecht

Kommunikations- und Kooperationsbasis: Bei gestörtem Verhältnis und ungleicher Betreuungsverteilung liegt kein Wechselmodell vor

Ein vollständiges Wechselmodell liegt dann vor, wenn die gemeinsamen Kinder wirklich jeweils zur Hälfte beim einen und beim anderen Elternteil leben. Was passiert, wenn diese 50%ige Aufteilung nicht exakt gelebt wird, musste im Folgenden das Berliner Kammergericht (KG) entscheiden.

Das minderjährige Kind dieses Falls wurde von den getrennt lebenden Eltern statt im 50:50-Verhältnis im Wesentlichen zu 55 % durch die Mutter und zu 45 % vom Vater betreut. Entsprechend verlangte die Mutter für das Kind vom Vater Unterhalt. Dieser wehrte sich dagegen mit dem Argument, dass schließlich ein Wechselmodell vorläge.

Für die Lösung dieser Frage musste das KG erst einmal die Frage beantworten, ob die Mutter das Kind überhaupt im Verfahren vertreten konnte. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge setzt nämlich die Vertretung des Kindes voraus, dass es sich in der Obhut (nur) des Elternteils befindet, der den Kindesunterhalt als Vertreter verlangt. Wenn das Kind aber gleichermaßen bei beiden Elternteilen lebt, fehle es an dieser Voraussetzung. Der Senat ging bei der vorliegenden 55:45-Situation aber davon aus, dass das Kind in einem solchen Umfang bei der Mutter lebt, der diese Vertretung durch sie zulässt. Dann stellte das KG fest, dass die Eltern eine gestörte Kommunikations- und Kooperationsbasis hatten. Und diese gegenseitige Verständigkeit ist eine Grundvoraussetzung für das Wechselmodell. Diese lag den Umständen zufolge hier somit nicht vor. Die Mutter konnte deshalb den Kindesunterhalt geltend machen – und bekam ihn auch zugesprochen.

Hinweis: Bei der Frage, ob ein Wechselmodell vorliegt, ist auch die Qualität der wechselseitigen Betreuung zu bewerten. Es ist deshalb immer auch darauf zu achten, wer die Elternabende, Arztbesuche usw. wahrnimmt und wie es um die Betreuung in besonderen Situationen (Krankheit usw.) bestellt ist.

Quelle: KG, Beschl. v. 15.04.2019 – 13 UF 89/16

Thema: Familienrecht

Handy am Steuer: In Berlin wird der Funktionstest eines heruntergefallenen Handys bereits als Benutzung gewertet

Wann ein Mobiltelefon im Sinne der Straßenverkehrsordnung in Benutzung ist oder nicht, darüber sind sich sogar die Gerichte (noch) nicht einig. Den folgenden Fall über einen Funktionstest am Steuer hatte nun das Kammergericht Berlin (KG) zu entscheiden.

Dem Betroffenen fiel sein Handy während der Fahrt auf den Fahrzeugboden. Um sicherzustellen, dass das Mobiltelefon noch funktioniert, betätigte er eine Taste auf dem Smartphone. Hierbei wurde er beobachtet – mit der Folge, dass ein Bußgeldverfahren gegen ihn eingeleitet wurde. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Mann daraufhin zu einer Geldbuße von 100 EUR. Gegen die Entscheidung legte der Betroffene Rechtsmittel ein.

Doch damit kam der Mann beim KG nicht weit. Dessen Senat sieht die Frage, ob das Betätigen einer Funktionstaste eines Mobiltelefons ein verbotswidriges „Benutzen“ im Sinne der Straßenverkehrsordnung (StVO) darstellt, als nicht klärungsbedürftig, sondern nach dem Wortlaut und dem Zweck der Regelung als selbstverständlich zu bejahen an. Dies gilt auch dann, wenn der Vorgang wie hier nicht unmittelbar der Kommunikation diente, sondern klären sollte, ob das Gerät noch funktioniere. Denn das verwendete Gerät muss gerade nicht im konkreten Fall der „Kommunikation, Information oder Organisation“ dienen, sondern nur dazu geeignet sein.

Hinweis: Die Frage, ob nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO bereits das bloße Halten eines elektronischen Geräts ausreicht, um den Bußgeldtatbestand zu verwirklichen, ist gegenwärtig ständiges Thema in der Rechtsprechung. In vorherigen Ausgaben hatten wir auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Celle (OLG) und des KG bereits hingewiesen. Anders als das OLG legt das KG ganz klar strengere Maßstäbe an.

Quelle: KG, Beschl. v. 14.05.2019 – 3 Ws (B) 160/19, 122 Ss 66/19

Thema: Verkehrsrecht

Trotz genutzter Freisprecheinrichtung: In Berlin führt bereits das ledigliche Halten eines Handys während der Fahrt zum Bußgeld

„Am Steuer Hände weg vom Handy!“ So einfach dieser Satz klingt, so heikel ist die Umsetzung in der Rechtsprechung. Dass selbst die Gerichte unterschiedliche Auslegungen darüber haben, ob ein Handy schon dann genutzt wird, wenn es lediglich bei der Fahrt in der Hand gehalten wird, zeigt das folgende Urteil des Kammergerichts Berlin (KG). Denn das widerspricht einem erst vor kurzem ergangenen Beschluss von Rechtskollegen aus Celle.


Im aktuellen Fall in Berlin hielt der betroffene Autofahrer sein heiß gelaufenes Handy während der Fahrt vor den Lüfter, um es so zu kühlen und das laufende Telefonat während der Fahrt über die aktivierte Freisprechanlage fortsetzen zu können. Hierbei wurde er beobachtet, so dass ein Bußgeld gegen ihn festgesetzt wurde.

Das KG bestätigte, dass der Bußgeldbescheid zu Recht ergangen ist. Nach der anzuwendenden Vorschrift stellt das Verhalten des Betroffenen zum einen eine Tätigkeit dar, die verhinderte, dass ihm beide Hände für die eigentliche Fahraufgabe zur Verfügung standen. Zum anderen erforderte es – wie das Führen eines Telefonats auch – eine erhöhte Konzentration. Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift komme es nicht darauf an, ob das Mobiltelefon für die Benutzung grundsätzlich in der Hand gehalten werden muss, sondern ob es tatsächlich in der Hand gehalten wird. Der Verordnungsgeber wollte mit der gesetzlichen Neuregelung gerade auch jene Fälle erfassen, in denen das Gerät in der Hand gehalten wird, obwohl dies – etwa dank einer Freisprechanlage – nicht erforderlich ist

Hinweis: Die Frage, ob nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO bereits das bloße Halten eines elektronischen Geräts ausreicht, um den Bußgeldtatbestand zu verwirklichen, ist umstritten. In der Maiausgabe hatten wir auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (OLG) hingewiesen, wonach das ledigliche Halten eines Handys nicht bereits als Ordnungswidrigkeit geahndet wurde (Beschl. v. 07.02.2019 – 3 Ss (OWi) 8/19). Das OLG argumentierte, dass über das bloße Halten hinaus eine Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen muss. Das KG hat nun jedoch anders entschieden. Eine zeitnahe Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist daher wünschenswert.

Quelle: KG, Beschl. v. 13.02.2019 – 3 Ws (B) 50/19 – 162 Ss 20/19

Thema: Verkehrsrecht

Vermögenslage bei Trennung: Für den Auskunftsanspruch ist die exakte Bestimmung des Trennungszeitpunkts entscheidend

Beim Zugewinnausgleich wird das Vermögen der Ehegatten bei Zustellung des Scheidungsantrags (Endvermögen) dem Vermögen gegenübergestellt, das bei Eheschließung (Anfangsvermögen) vorhanden war. Die Differenz ist der sogenannte Zugewinn und muss von dem, der mehr erworben hat, dem anderen gegenüber geleistet werden. Doch wie der folgende Fall des Kammergerichts Berlin (KG) zeigt, kann bei unredlichem Verhalten in der Trennungszeit die beliebte Ausnahme der Regel eintreten – sofern die Voraussetzungen stimmen.

Bei der Eheschließung verfügte die Ehefrau über keinerlei Vermögen, woran sich auch im Laufe der gesamten Ehezeit nichts änderte. Der Mann besaß zwar auch kein Vermögen, als die Ehe geschlossen wurde, verwaltete aber das während der gesamten Ehezeit entstandene Vermögen der Familie und legte es allein auf seinen Namen an. Dann kam es zur Trennung und zum Trennungsjahr, das einzuhalten war, bis der Scheidungsantrag eingereicht werden konnte. Dadurch befürchtete die Frau, dass der Mann in diesem Trennungsjahr das Vermögen ganz oder teilweise „verschwinden“ lassen könnte. Die Frau verlangte deshalb Auskunft über die Vermögenslage zum Zeitpunkt der Trennung. Dieser Anspruch stand ihr zu, und er ist wichtig.

Wenn das Vermögen des Mannes während des Trennungsjahres weniger wird, muss dies die Frau zwar erst einmal nicht kümmern. Denn dann liegt es am Mann, nachzuweisen, dass der Vermögensschwund nicht unredlich von ihm herbeigeführt wurde. Hat er aber keine plausible Erklärung, wird zugunsten der Frau mit dem höheren Vermögen gerechnet, wie es bei der Trennung noch vorhanden war. Doch nun kommt wie so oft das große „Aber“. Dieses liegt in dem Umstand, dass taggenau gesagt und nachgewiesen werden muss, wann exakt die Trennung erfolgt ist. Und genau an dieser Voraussetzung scheiterte die Frau, die prüfen wollte, ob der Mann in der Trennungszeit Geld illoyal verwendet hatte. Den Nachweis konnte sie nicht erbringen. Somit konnte sie den Anspruch auf Auskunft über das Vermögen bei Trennung vor dem KG nicht durchsetzen.

Hinweis: Durch eine rechtzeitige Beratung kann Vorsorge getroffen werden, um den Zeitpunkt der Trennung beweisen zu können.

Quelle: KG, Beschl. v. 14.12.2018 – 13 UF 155/17

Thema: Familienrecht

Auslegung eines Testaments: Selbst bei scheinbar klarem Wortlaut können die Umstände anderes ergeben

Die Unterscheidung zwischen der Anordnung einer Voll- und einer Vorerbschaft durch ein Testament ist zuweilen schwierig, da ein Vorerbe nicht im gleichen Ausmaß über das Erbe verfügen kann wie ein Vollerbe. Dass aus diesem Umstand heraus häufig Streitigkeiten entstehen, war Grundlage des folgenden Falls, den das Kammergericht Berlin (KG) zu entscheiden hatte.

Ein Ehepaar hatte sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt und ihre gemeinsamen Kinder zu Erben des Letztversterbenden. Der Sohn sollte dabei zudem „unbedingt“ ein bestimmtes Grundstück erhalten. Nach dem Tod des Mannes stritten die Kinder darüber, ob ihre Mutter lediglich Vorerbin oder Vollerbin war. Der Sohn befürchtete, dass die Mutter das Grundstück unentgeltlich auf den Sohn seiner Schwester übertragen wollte, und argumentierte daher, dass sie als Vorerbin dazu nicht berechtigt sei.

Das KG ging zunächst davon aus, dass die Ehefrau lediglich befreite Vorerbin war. Es stellte klar, dass der Wortlaut hier zwar eher für eine Vollerbschaft spricht – stellte aber gleichsam klar, dass es sich bei der Auslegung des Testaments auch bei einer ihrem Wortlaut nach scheinbar eindeutigen Willenserklärung an den Wortlaut nicht gebunden sieht. Denn hier hat sich aus den Umständen heraus ergeben, dass der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hatte, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht.

Nach der Beweisaufnahme befand das KG abschließend, dass es der Wille des Ehepaars gewesen war, dass der als Alleinerbe eingesetzte überlebende Ehepartner in seiner Verfügungsbefugnis über das Grundstück weitgehend unbeschränkt sein sollte, soweit es um die eigene finanzielle Absicherung der zukünftigen Lebensgestaltung geht. Mit dem Testament sollte jedoch zugleich der Zweck erreicht werden, dass der Sohn das Grundeigentum am gesamten Grundstück erhalten sollte, weil er auf dem Grundstück seinen Lebensmittelpunkt und die Schwester unstrittig kein Interesse an dem Grundstück hatte. Das Grundstück sollte innerhalb der Familie an den Sohn weitergegeben werden, sofern der überlebende Ehepartner nicht aus Gründen der Beschaffung finanzieller Mittel das Grundstück veräußern wolle.

Hinweis: Bei handschriftlichen Testamenten kann die Ermittlung des wahren Erblasserwillens häufig schwierig sein. Selbst scheinbar klare Formulierungen können aus juristischer Sicht anderes bedeuten, als der Erblasser beabsichtigt hat. Daher empfiehlt es sich entweder, fachkundigen Rat einzuholen und/oder die Beweggründe für eine Entscheidung im Testament mit aufzunehmen.

Quelle: KG, Beschl. v. 16.11.2018 – 6 W 54/18

Thema: Erbrecht

„Nichtehelicher“ Unterhalt: Auch bei jungen Müttern mit erst kurzer Laufbahn kann das Einkommen als Bemessungsgrundlage dienen

Der Unterhalt eines verheirateten Partners richtet sich ganz wesentlich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Solche gibt es nicht, wenn zwei Menschen zwar ehegleich zusammengelebt haben, aber eben nicht verheiratet waren. Haben sie ein gemeinsames Kind, kommt natürlich dennoch ein Unterhaltsanspruch der Kindesmutter in Betracht. Wie der bemessen wird, klärte das Berliner Kammergericht (KG) mit dem folgenden Fall.

 

Ist die Mutter eines gemeinschaftlichen, aber unehelichen Kindes wegen der Schwangerschaft bzw. der Entbindung nicht erwerbstätig, hat ihr der Kindesvater Unterhalt zu bezahlen. Dieser richtet sich in seiner Höhe statt an den (nicht vorhandenen) ehelichen Lebensverhältnissen an dem aus, was die Kindesmutter verdient hätte, wäre sie nicht schwanger geworden. Werden die Kinder von einer jungen Frau zur Welt gebracht, die erst am Anfang der beruflichen Karriere steht, ist die Frage, was das in der Praxis bedeutet. Denn in diesem Fall machte der Kindesvater geltend, dass das Einstiegsgehalt der Frau durch ihre erst vor kurzem begonnene Berufstätigkeit als so ungefestigt zu gelten hätte, dass folglich ein geringerer Verdienst in Ansatz zu bringen sei.

Das KG lehnte dieses Argument in dem Fall, in dem die Mutter kurz vor der Geburt des Kindes 2.600 EUR netto als gerade approbierte Psychotherapeutin verdiente, jedoch ab. Ihre Probezeit war schließlich abgelaufen, wodurch ihr Arbeitsvertrag also unbefristet bestand. Zudem entsprach der berufliche Werdegang der Frau und Mutter gradlinig ihrer Ausbildungs- und Berufsbiografie. Das tatsächliche Einkommen lag zudem im Rahmen des üblichen Einstiegsgehalts einer Psychotherapeutin. Dass die Frau insgesamt noch nicht lange berufstätig war, war nicht relevant. Das Gericht stellte jedoch gleichwohl klar, dass nicht alle der genannten Kriterien in jedem Fall erfüllt sein müssen. Immer sei der konkrete Einzelfall zu sehen.

Hinweis: Auch wenn die Partner der nichtehelichen Partnerschaft viele Jahre zusammengelebt haben, bevor es zur Trennung kam und in jeglicher Hinsicht wie verheiratet gemeinsam gewirtschaftet haben, wird auf gemeinsame wirtschaftliche Verhältnisse für die Unterhaltsbestimmung nur abgestellt, wenn die Partner verheiratet waren.

Quelle: KG, Beschl. v. 24.09.2018 – 13 UF 33/18

Thema: Familienrecht

Das verschwundene Original: Auch die Kopie eines Testaments kann als Nachweis ausreichen

Immer wieder kommt es zu Streitigkeiten darüber, ob der Erblasser ein Testament verfasst hat und wenn ja, mit welchem Inhalt. Ist das Testament nicht mehr auffindbar, kann der Nachweis des Willens des Erblassers schwierig sein. So auch im folgenden Fall des Berliner Kammergerichts (KG).

Nach dem Tod eines Mannes beantragten seine zwei Söhne einen Erbschein, der sie als  aufgrund der gesetzlichen Erbfolge auswies. Ihre Stiefschwester legte jedoch die Kopie eines handschriftlichen Testaments vor, in dem Erblasser sie zur Alleinerbin eingesetzt hatte. Das Originaltestament war nicht mehr auffindbar.

Das KG entschied, dass in diesem Fall die Kopie ausreichend ist und somit die Stieftochter zur Alleinerbin wurde. Die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung wird nicht dadurch berührt, dass die Testamentsurkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verlorengegangen oder sonst nicht auffindbar ist. Errichtung und Inhalt eines Testaments können in diesen Fällen mit Hilfe anderer Beweismittel dargetan werden, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind. Da die Sachverständigenbegutachtung der Kopie ergeben hatte, dass der Erblasser das Originaltestament mit großer Wahrscheinlichkeit selbst verfasst hatte, war der Beweis hier für das Gericht erbracht. Es wies auch darauf hin, dass die Söhne hätten beweisen müssen, dass das Testament deshalb verschwunden war, weil der Erblasser es vernichtet hatte, um es zu widerrufen – und das ist ihnen nicht gelungen.

Hinweis: Bei handschriftlichen Testamenten besteht immer die Gefahr, dass diese verlorengehen oder durch Unberechtigte vernichtet werden. Daher ist es (zumindest bei werthaltigen Nachlässen) empfehlenswert, das Testament in amtliche Verwahrung zu geben. Für den Nachweis einer Erbschaft ist grundsätzlich das Originaltestament vorzulegen. Andernfalls muss der Berechtigte nicht nur beweisen, dass der Erblasser ein formgültiges, rechtswirksames Testament mit dem von ihm behaupteten Inhalt errichtet hat – er ist auch dafür beweispflichtig, dass es sich nicht um einen bloßen Entwurf gehandelt hat. Dies kann in der Praxis sehr schwierig sein.

Quelle: KG, Beschl. v. 03.08.2018 – 6 W 52/18

Thema: Erbrecht