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Schlagwort: Kindeswohlgefährdung

Einstweilige Anordnung: Häufige Wohnortwechsel sollen Kindern auch bis zur Hauptsacheentscheidung erspart werden

Der Streit über den Aufenthalt der Kinder kann bei den Emotionen, die hierbei in mehrfacher Hinsicht einfließen, zum wahren Gezerre werden. Aufgabe der entscheidenden Gerichte ist es dabei, bei allen verletzten Gefühlen der Erwachsenen vor allem das Kindeswohl stets im Auge zu behalten. Dass dies auch für die Zeit gilt, bis es zur finalen Entscheidung zum Kindesverbleib kommt, zeigt das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg (OLG).

Hier war die Mutter mit den Kindern im Zuge der Trennung aus der bisherigen Wohnung und dem sozialen Umfeld weggezogen. Nach einiger Zeit zog sie mit den Kindern zwar zurück zum schwer erkrankten Vater ihrer Kinder, jedoch kam es dann erneut zur Trennung. Nun wollte der Vater die Kinder nicht erneut ziehen lassen, so dass der Streit, zu wem die Kinder dauerhaft kommen, gerichtlich gelöst werden musste. Im Wege der einstweiligen Anordnung wurde daher auch entschieden, dass die Kinder bis zur Entscheidung der Hauptsache vorerst beim Vater verbleiben sollen, wogegen die Mutter Rechtsmittel einlegte.

Das OLG hat als Beschwerdeinstanz die Einwände der Mutter jedoch zurückgewiesen. Wenn der Senat der Beschwerde folgen würde – also das Aufenthaltsbestimmungsrecht bis zur Entscheidung in der Hauptsache der Kindesmutter zuspräche -, käme es zu einem erneuten Wohnsitzwechsel der Kinder. Und dabei könnte es sich – abhängig vom Ausgang des Gesamtverfahrens – womöglich nicht um den letzten Ortswechsel handeln. Genau dies sei aber nicht im Sinne der Kinder, die in besonderem Maße unter jedem Wohnsitzwechsel leiden. Um ein solches „Hin und Her“ zu vermeiden, hat ein Gericht immer zu prüfen, ob die durch die Beschwerde beanstandete Regelung kindeswohlgefährdend ist. Liegt wie hier im Ergebnis keine Kindeswohlgefährdung vor, hat im Interesse einer gewissen Kontinuität im Leben der Kinder die Ausgangsentscheidung Bestand.

Hinweis: Kindschaftssachen sind mitunter hoch emotional. Sie können weitestgehend auch ohne anwaltliche Begleitung geführt werden – sinnvoll ist das nicht immer. Denn der rechtliche Rahmen, in dem sich diese Verfahren bewegen, ist von ganz besonderer Natur.

Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.05.2020 – 9 UF 97/20

Thema: Familienrecht

Einstweiliges Anordnungsverfahren: Gericht darf kein paritätisches Wechselmodell von Amts wegen anordnen

Aus unterschiedlichen Motiven halten Eltern bezüglich der Betreuung ihrer Kinder das Wechselmodell für den richtigen Weg. In der täglichen Praxis sind sie dann mitunter unterschiedlicher Auffassung über die Brauchbarkeit einer solchen Regelung. Spätestens wenn ein Elternteil dann eine Änderung einer entsprechenden Vereinbarung anstrebt, können sich erhebliche juristische Probleme ergeben – so auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Eltern hatten gerichtlich ein paritätisches Wechselmodell vereinbart. Die Söhne (ein und fünf Jahre alt) waren danach am Montag und Dienstag beim Vater, wechselten am Mittwoch zur Mutter und blieben dort bis Freitag. An den Wochenenden lebten die Kinder dann im Wechsel bei einem der beiden Elternteile. Diese Regelung wollte die Mutter gegen den Willen des Vaters ändern und rief dazu das Gericht an. Als es zu keiner Lösung kam und Gutachten einzuholen waren, erließ das Familiengericht von Amts wegen eine einstweilige Anordnung, wonach künftig die Kinder im Wochenrhythmus zwischen den Eltern wechseln sollten. Keiner der Elternteile hatte diese Regelung gewünscht.

Genau aus diesem Grund kippte das OLG auch die Entscheidung, da diese den Bereich der elterlichen Sorge betreffe. In solchen Fällen darf ein Gericht von Amts wegen nur aktiv werden, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Und da dies hier nicht der Fall sei, habe das Gericht deshalb ohne Antrag eines Elternteils keine Befugnis, aktiv zu werden.

Hinweis: Der Bundesgerichtshof hat Regelungen zum Wechselmodell nicht als solche der elterlichen Sorge bezeichnet, sondern solche des elterlichen Umgangs. Zum Umgang kann das Gericht von Amts wegen wie hier tätig werden. Somit fällt auf: Wenn es um das Wechselmodell geht, so ist etliches unklar. Intensive Beratung ist im Einzelfall vonnöten – aber auch bedachtsames Vorgehen, da mitunter auch Gerichte in dieser Grauzone überfordert sind.
 
 

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.02.2020 – 2 UF 301/19

Thema: Familienrecht

Zwangsmittel aussichtlos: Willensstarke 14-Jährige bringt Oberlandesgericht in Sachen Schulpflicht zur Resignation

In Deutschland besteht Schulpflicht, und deshalb haben Eltern ihre Kinder auch anzuhalten, dieser entsprechend nachzukommen. Dass ein sich hartnäckig weigernder Teenager jedoch nicht immer zum Schulbesuch gezwungen werden kann, musste das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) im folgenden Fall einsehen.

Die Eltern des betreffenden minderjährigen Mädchens, das bei seiner Mutter lebt, waren geschieden. Die Mutter, von Beruf Gymnasiallehrerin, hatte den Beruf nach kurzer Tätigkeit aufgegeben und arbeitet heute als freie Sängerin und „Coach zur Persönlichkeitsentwicklung über Stimme“. Der Kindesvater hat seine Habilitation abgeschlossen und arbeitet. Die gemeinsame Tochter besuchte nach der Grundschule das Gymnasium, aber nur bis zur sechsten Klasse. Seither weigert sie sich, zur Schule zu gehen. Es kam zur Schrägversetzung in die siebte Klasse einer Gemeinschaftsschule. Auch diese Schule besucht die junge Frau aber nicht. Ausführlich begründet hat sie gegenüber dem Ministerium und dem Gericht, dass sie die „selbstbestimmte Bildung“ bevorzuge. Das Gericht hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob Maßnahmen gegen die Mutter zu ergreifen sind, die anders als der Vater das Verhalten der Tochter toleriert.

Für das OLG liegt ein Fall der Kindeswohlgefährdung vor, denn die dazu erforderliche geistige wie seelische Beeinträchtigung des Kindes sei gegeben. Freies Lernen stehe im Alter dieses Kindes hinter einer Bildung durch die Schule zurück. Auch fehle es zu sehr an der Möglichkeit, das Gemeinschaftsleben in der Gesellschaft zu erlernen, wenn der Schulbesuch unterbliebe. Dennoch sah sich das OLG zu keinem Einschreiten veranlasst und übertrug die elterliche Sorge für den Bereich schulische Belange auf die Mutter allein. Die 14,5 Jahre alte Tochter habe zu stark zum Ausdruck gebracht, sich durch nichts davon abbringen zu lassen, ihre selbstbestimmte Bildung fortzusetzen. Zwangsmittel gegen die Mutter festzusetzen, werde das Verhalten der Tochter daher nicht beeinflussen und habe deshalb zu unterbleiben. Das Gericht hat sich also dem eisernen Willen des Kindes gebeugt.

Hinweis: Es bleibt stark zu hoffen, dass dieser Ausnahmefall nicht Schule macht.

Quelle: OLG Schleswig, Beschl. v. 27.12.2018 – 10 UF 176/18

Thema: Familienrecht

Elterliche Sorge: Wann muss ein Kind nicht mehr bei den Eltern leben?

Uneinigkeiten zwischen Eltern und ihren Kindern sind normal und sogar wichtig für den Reifeprozess Letzterer. Zu Auseinandersetzungen kommt es besonders häufig in der Pubertät. Aber was passiert eigentlich, wenn sich ein Kind in dieser Situation an das Jugendamt oder das Gericht wendet, um nicht mehr zu Hause bei den Eltern leben zu müssen?

Eltern haben das Sorgerecht für ihre minderjährigen Kinder. Sie können deshalb verlangen, dass die Kinder bei ihnen leben. Dieses Recht haben sie jedoch nicht mehr, wenn das Zusammenleben für die Kinder unzumutbar ist und ihr Verhalten zu einer Kindeswohlgefährdung führt. Dann kann Eltern die elterliche Sorge ganz oder teilweise entzogen werden, so dass die Kinder nicht mehr bei ihnen leben müssen.

Zur Beantwortung der Frage, ob die Spannungen zwischen den Eltern und ihren Kindern so groß sind, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, ist zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Kindes und dem Elternrecht, die Kindeserziehung frei und nach eigener Vorstellung zu gestalten, abzuwägen.

Bei der Abwägung ist zu beachten, dass ein Eingriff in das zugunsten der Eltern bestehende Sorgerecht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nur ganz ausnahmsweise erfolgen darf – nämlich dann, wenn dies unumgänglich ist; also eine akute und unmittelbare Gefahr besteht. Das ist allenfalls in ganz seltenen Ausnahmesituationen der Fall. Die Abwägung ist normalerweise im Hauptsacheverfahren vorzunehmen, in dem alle Umstände des konkreten Einzelfalls genau betrachtet und abgewogen werden.

Hinweis: Verfahren, in denen es um die Frage geht, ob ein Kind bei den Eltern bleibt oder in eine sogenannte Fremdunterbringung kommt, sind insbesondere für die Entwicklung des Kindes von großer Bedeutung. Wichtig ist es, in einer solchen Situation Hilfsangebote zu suchen und in Anspruch zu nehmen.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 22.06.2015 – II-4 UF 16/15

Thema: Familienrecht