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Schlagwort: Kindschaftssachen

Ausreichende Interessenvertretung: Im Umgangsverfahren wird kein Kindesanwalt zusätzlich zum Verfahrensbeistand benötigt

In sogenannten Kindschaftssachen erhalten die am Verfahren beteiligten Kinder in fast allen Fällen einen Verfahrensbeistand, dessen Aufgabe es ist, das Kindeswohl zu sichern. Wie Fälle zu klären sind, in denen das Kind aus Sicht eines Elternteils zusätzlich einen Rechtsbeistand erhalten soll, der andere Elternteil aber dagegen ist, war im folgenden Fall Aufgabe des Bundesgerichtshofs (BGH).

Nach seiner 2004 erfolgten Eheschließung ließ sich ein Paar zehn Jahre später wieder scheiden. Die elterliche Sorge über die im März 2004 und Februar 2007 geborenen Kinder teilten sich beide Elternteile gemeinsam, wobei die Kinder beim Vater lebten. Schließlich strengte die Mutter ein gerichtliches Verfahren an, um mehr Umgang mit ihren Kindern zu erhalten. Den Kindern wurde für dieses Verfahren ein Verfahrensbeistand bestellt. Der Vater wollte, dass die Kinder zudem von einem Rechtsanwalt vertreten werden. Die Mutter war dagegen.

Die Frage der Beauftragung eines Rechtsanwalts für die Kinder ist von erheblicher Bedeutung. Sie betrifft den Kernbereich der elterlichen Sorge. Aus diesem Grunde kann sie nicht von einem Elternteil allein entschieden werden, sofern beide Eltern die elterliche Sorge innehaben. In solchen Fallen ermöglicht das Gesetz dem Elternteil, der eine Entscheidung zur elterlichen Sorge von erheblicher Bedeutung gegen den Willen des anderen treffen will, dass er hierfür eine gerichtliche Entscheidung zur Erteilung einer entsprechenden Befugnis herbeiführen kann. Ein solches Verfahren hatte der Vater laut BGH korrekt eingeleitet.

Allerdings erklärte der BGH auch, dass es in Kindschaftssachen wie dieser durchaus genügt, wenn die Kinder einen Verfahrensbeistand erhalten. Einen Anwalt würden sie zu ihrer sachgerechten Interessenvertretung nicht auch noch benötigen. Daher sah der BGH im Ergebnis keine Notwendigkeit, dem Vater tatsächlich die gewünschte Entscheidungsbefugnis zu übertragen.

Hinweis: Auch Kindschaftssachen sind komplex. Eltern sollten sich auch dabei anwaltlich begleiten lassen.

Quelle: BGH, Beschl. v. 27.06.2018 – XII ZB 46/18

Thema: Familienrecht

Zähes Sorgerechtsverfahren: Beschleunigungsbeschwerde des Vaters scheitert wegen mangelnder Entscheidungsreife

Kindschaftssachen sind bei Gericht vorrangig und beschleunigt durchzuführen. Andernfalls kann eine sogenannte Beschleunigungsrüge erhoben werden. Aber was heißt denn überhaupt „vorrangig und beschleunigt“?

Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hatte über genau diese Frage zu entscheiden: In einer kaum mehr zu überblickenden Anzahl von Verfahren stritten die verheirateten Eltern in nahezu jeglicher Hinsicht miteinander vor Gericht. Eine Fülle von Verfahren betraf dabei die Frage nach dem Umgang und der elterlichen Sorge hinsichtlich der zwei minderjährigen Kinder. Beide lebten bei der Mutter, und diese warf den Verwandten des Mannes – nicht ihm – den sexuellen Missbrauch der Kinder vor. Viele Details machten hierbei die ganze Sache zusätzlich heikel: So hatten die Ehegatten beispielsweise nach der Trennung und während der laufenden Verfahren sexuellen Kontakt, bei dem die Frau schwanger wurde, ferner versteckte die Mutter bei einem Besuch einen Spionagestick in der Hose eines der Kinder, lehnte im gerichtlichen Verfahren erfolglos einen Sachverständigen ab und wechselte zudem irgendwann ihren Anwalt. So zog sich der Fall entsprechend hin.

Das OLG wies jedoch die vom Kindesvater eingelegte Beschleunigungsrüge zurück. Es gibt im Gesetz keine Frist, innerhalb derer in Kindschaftssachen eine Entscheidung ergangen sein muss. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nimmt zum Beispiel bei einer Verfahrensdauer von vier Jahren und zehn Monaten einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot an, das Bundesverfassungsgericht bereits nach 17 Monaten. Es kommt also auf den Einzelfall an und dabei – und dies unterstreicht nun das OLG besonders – darauf, ob die Verzögerung auf ein Verhalten des Gerichts oder der Beteiligten zurückzuführen sei. Da es vorliegend vor allem die Kindesmutter war, die mit erheblichen Vorwürfen und ihrem Verhalten dafür sorgte, dass das Gericht noch nicht entscheiden konnte, hatte die Rüge des Vaters nach einer Verfahrensdauer von etwas mehr als einem Jahr keinen Erfolg.

Hinweis: Das OLG hat dem Mann in seiner Entscheidung vorgeworfen, sich zu wenig um den Erlass einer einstweiligen Anordnung gekümmert zu haben. Die rechtlich relevanten Schritte zu gehen, bedarf der anwaltschaftlichen Unterstützung.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.03.2017 – 17 WF 31/17

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