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Schlagwort: Kleinbetrieb

Kündigung im Kleinbetrieb: Verstöße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben können zur Wiedereinstellung führen

Auch nach dem Ausspruch einer – an sich rechtmäßigen – Kündigung kann Arbeitnehmern ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen. Wie das im Kleinbetrieb aussieht, zeigt dieser Fall.

Der Angestellte einer Apotheke hatte ebenso wie sämtliche Kolleginnen und Kollegen von seinem bisherigen Arbeitgeber, der seinen Betrieb schließen wollte, die Kündigung erhalten. Dann führte der Arbeitgeber den Betrieb jedoch noch einige Wochen weiter, und ein anderer Arbeitgeber übernahm den Betrieb sowie drei der bisherigen Arbeitnehmer – aber nicht den Beschäftigten dieses Falls. Deshalb klagte dieser auf eine Weiterbeschäftigung bei dem neuen Arbeitgeber.

Das Bundesarbeitsgericht wies darauf hin, dass ein Wiedereinstellungsanspruch nur Arbeitnehmern zustehen kann, die zum Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung den Kündigungsschutz laut Kündigungsschutzgesetz genossen. In einem kleinen Betrieb kann sich ein solcher Wiedereinstellungsanspruch im Einzelfall aus dem sogenannten „Grundsatz von Treu und Glauben“ aus § 242 BGB ergeben. Hiermit hätte der Arbeitnehmer womöglich auch gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber eine Chance auf Wiedereinstellung gehabt, der die Apotheke noch einige Wochen fortgeführt hatte. Da der Mann jedoch mit dem neuen Apothekenbetreiber schlicht und ergreifend den Falschen verklagt hatte und in den Folge auch nicht mehr gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber vorgegangen war, verlor er damit seine Klage.

Hinweis: Arbeitnehmer in Kleinbetrieben haben keinen allgemeinen Kündigungsschutz. Allerdings gibt es immer für solche Fälle noch ein Auffangbecken: den Grundsatz von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte.

Quelle: BAG, Urt. v. 19.10.2017 – 8 AZR 845/15

Thema: Arbeitsrecht

Altersdiskriminierende Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam

Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam.


Die am 20. Januar 1950 geborene Klägerin war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013 wegen Veränderungen im Laborbereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Dabei führten sie an, die Klägerin sei „inzwischen pensionsberechtigt“. Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. 

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Kündigung verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und ist deshalb unwirksam. Die Beklagte hat keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, kann noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Zu: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Juli 2015 – 6 AZR 457/14

Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 37/15

Rainer Tschersich – Fachanwalt für Arbeitsrecht