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Schlagwort: krankengeld

Neue Handhabung: Bundessozialgericht ändert seine Meinung zur Berechnung des Arbeitslosengeldes nach Freistellung

Dass auch Gerichte ihre einst getroffene Rechtsprechung überdenken und entsprechend ändern, ist in dem folgenden Fall eine erfreuliche Nachricht für Arbeitnehmer. Denn die neue Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) wirkt sich auf die Berechnung des Arbeitslosengeldes nach einer erfolgten Freistellung durchaus positiv aus.

Eine Arbeitnehmerin hatte sich mit ihrem Arbeitgeber auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt. Sie wurde für ein Jahr gegen Fortzahlung der Vergütung freigestellt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezog sie dann Krankengeld und beantragte schließlich die Zahlung von Arbeitslosengeld. Die Bundesagentur für Arbeit zahlte das Arbeitslosengeld, ließ jedoch das eine Jahr der Freistellung bei der Bemessung der Entgelthöhe außer Betracht. Dagegen klagte die Arbeitnehmerin – und bekam Recht.

Das BSG meinte ebenfalls, dass die Frau einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte und ihr ein Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt unter Einbeziehung der bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlten Vergütung zustand. Maßgebend für die Arbeitslosengeldbemessung ist der Begriff der Beschäftigung im versicherungsrechtlichen Sinn. Soweit das BSG in älteren Entscheidungen Freistellungsphasen als keine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne angesehen hatte, hält es an dieser Entscheidung nun nicht mehr fest.

Hinweis: Die während der Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlte und abgerechnete Vergütung ist demnach bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes als Arbeitsentgelt mit einzubeziehen. Ein gutes Urteil für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Quelle: BSG, Urt. v. 30.08.2018 – B 11 AL 15/17 R

Thema: Sonstiges

Arbeitsunfähigkeit als Kündigungsgrund: Arbeitgeber müssen bei einer Kündigung eines in der Probezeit Erkrankten Vorsicht wahren

Dass Arbeitnehmer oftmals über mehr Ansprüche verfügen, als sie selbst wissen, zeigt der folgende Fall des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg.

Ein Arbeitnehmer wurde neu in einer Spedition eingestellt. Anfang Juli begann der Arbeitnehmer. Ab dem 18.07. erkrankte er, und am 26.07. wurde die Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit bis zum 12.08. festgestellt. Sein Arbeitgeber kündigte ihm daher noch am 26.07. zum 10.08. Der Arbeitgeber stellte mit dem 10.08. die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ein, der Arbeitnehmer beantragte Krankengeld.

Die zahlende Krankenkasse machte nun einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Krankengeldes gegen die Spedition geltend. Sie berief sich dabei auf § 8 Entgeltfortzahlungsgesetz, in dem Folgendes steht: „Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts wird nicht dadurch berührt, daß der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlaß der Arbeitsunfähigkeit kündigt.“ Hier hatte der Arbeitgeber aus Sicht der Richter tatsächlich das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit gekündigt. Dafür genügte es, dass die Kündigung ihre objektive Ursache in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und diese den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben hatte. Dabei muss die Arbeitsunfähigkeit zwar nicht alleiniger Grund für die Kündigung sein – sie muss den Kündigungsentschluss aber wesentlich beeinflusst haben. Kann ein Arbeitgeber das Gegenteil nicht beweisen, muss er zahlen, wie in diesem Fall.

Hinweis: Die Pflicht zur Entgeltfortzahlung endet für den Arbeitgeber also nicht mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 01.03.2018 – 10 Sa 1507/17

Thema: Arbeitsrecht

Wegfall des Krankengeldanspruchs

Mit folgendem, häufig auftretenden Problem hatten sich einige Sozialgerichte wie auch das Bundessozialgericht (BSG) in den letzten Jahren zu befassen:


Ein Arbeitnehmer ist arbeitsunfähig erkrankt und erhält Krankengeld. Während des Krankengeldbezugs wird dann irgendwann das Arbeitsverhältnis beendet. Die Krankenversicherung mit Krankengeld läuft in diesem Fall gesetzlich weiter. Der Versicherte reicht bei seiner Krankenkasse jeweils neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein. Jedoch ergibt sich irgendwann eine Lücke bzw. die erneute Krankmeldung erfolgt erst einen Tag verspätet. Die Krankenkasse hebt die Versicherung mit Krankengeld auf.

Die Rechtslage sieht so aus, dass die gesetzliche Krankenversicherung eines ausgesteuerten Arbeitnehmers solange erhalten bleibt, wie der Anspruch auf Krankengeld besteht (§ 192 Abs. 1 Ziff. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V). Der Anspruch auf Krankengeld entsteht wiederum grundsätzlich von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 Ziff. 2 SGB V).

Umstritten ist hierbei, ob der Versicherte sein Krankengeld weiter laufend erhalten kann, wenn er sich nicht bereits am letzten Tag der Krankschreibung wieder erneut für den Folgetag krankschreiben lässt. Das Bundessozialgericht (BSG) handhabt dies für Versicherte sehr strikt: Wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beispielsweise für den 23.02.-25.02.2015 ausgestellt ist, muss der Versicherte am 25.02.2015 seinen Arzt erneut aufsuchen und ab dem 26.02.2015 wieder krankschreiben lassen. Ansonsten entfällt der Anspruch auf Krankengeld. Gleichzeit erlischt auch die nach § 192 SGB V fortgeführte Mitgliedschaft. Der Versicherte ist dann nur noch „bürgerversichert“, wobei allerdings kein Anspruch auf Krankengeld mehr besteht.

Einige Sozialgerichte haben dieser Sichtweise mit guten Argumenten widersprochen, beispielsweise das SG Mainz, das SG Speyer und das SG Trier.

Das SG Detmold (v. 15.10.2014 – S 5 KR 518/12) hat kürzlich allerdings wie das BSG entschieden:

Im Fall fiel der letzte Tag der zuletzt ausgestellten Bescheinigung auf einen Brückentag. Wider Erwarten war die Praxis der Ärztin an diesem Freitag nicht geöffnet, so dass sich der Betroffene erst am darauffolgenden Montag bei seiner Ärztin vorstellte, um erneut die Arbeitsunfähigkeit (AU) bescheinigen zu lassen. Daraufhin stellte die beklagte Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes ein. Das SG Detmold gab der Krankenkasse Recht. Eine Lücke in der Bescheinigung von AU könne zum Wegfall des Krankengeldanspruchs führen. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn der Arzt im Rahmen seiner (schriftlichen) Prognoseentscheidung davon ausgehe, dass die AU dauerhaft oder zumindest für einen längeren Zeitraum gegeben ist.

In solchen Fällen ist daher dringend auf eine rechtzeitige erneute AU-Bescheinigung zu achten. Sofern die Krankenkasse die Versicherung mit Krankengeld aufhebt, sollte gegen den Bescheid jedenfalls Widerspruch eingelegt werden. Gerne vertreten wir Betroffene im Widerspruchsverfahren sowie auch im Klageverfahren. Mit den richtigen Argumenten kann u.U. eine für Betroffene günstigere Entscheidung herbeigeführt werden. Welcher Sichtweise sich das unter anderem für Wuppertal zuständige Sozialgericht Düsseldorf anschließt, ist noch offen, da bislang keine Entscheidung des SG Düsseldorf zu dieser Frage veröffentlich ist.

Autor: Matthias Juhre, Rechtsanwalt für Sozialrecht in Wuppertal