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Schlagwort: Kreuzungsbereich

Vertrauensgrundlage beim Abbiegen: Wer das Fahrverhalten anderer lediglich interpretiert und nicht abwartet, haftet empfindlich mit

Wohl jeder Verkehrsteilnehmer ist schon einmal dem irreführenden Blinkvorgang eines anderen aufgesessen. Wohl denen, die dennoch abgewartet haben, bis der angezeigte Abbiegevorgang auch tatsächlich durchgeführt wurde. Der kurze Ärger über den anderen mag dabei nämlich weniger schmerzhaft zu Buche schlagen als eine Kollision. Dass man sich dann nämlich nicht so einfach auf einen sogenannten Vertrauenstatbestand berufen kann, zeigt im Folgenden der Fall des Oberlandesgerichts Dresden (OLG).

Hier beabsichtigte eine Motorradfahrerin, an einer Kreuzung nach links abzubiegen, wobei sie aufgrund eines Stoppschilds wartepflichtig war. Obwohl ein Pkw herankam, bog die Motorradfahrerin ab. Im Kreuzungsbereich kam es zum Unfall, wobei sie sich verletzte. Sie behauptete, der Pkw-Fahrer habe nach rechts geblinkt, so dass sie sich entschloss, abzubiegen.

Das OLG hat vorliegend eine Haftungsverteilung von einem Drittel zu zwei Dritteln zu Lasten der Motorradfahrerin vorgenommen. Der Beweis des ersten Anscheins spreche grundsätzlich für ihr alleiniges Verschulden, da sie wartepflichtig war. Dass der Pkw-Fahrer nach rechts abbiegen wollte, konnte sie nicht beweisen. Dieser hatte zudem behauptet, dass er sich auf der Heimfahrt befunden und damit auch keinerlei Veranlassung gehabt hätte, nach rechts abzubiegen. Für die Motorradfahrerin lag auch keine sogenannte Vertrauensgrundlage dahingehend vor, dass der Pkw-Fahrer bei der Annäherung an den Kreuzungsbereich mit einer herabgesetzten Geschwindigkeit gefahren sei, um mutmaßlich abzubiegen. Das allein vermag den Vertrauenstatbestand nicht begründen, denn ein Herannahen mit langsamer Geschwindigkeit kann nicht als Vorbereitungshandlung zur tatsächlichen Durchführung des Abbiegevorgangs gleichgesetzt werden. Selbst wenn der Pkw-Fahrer sich der späteren Kollisionsstelle mit einer unter dem Tempolimit liegenden Geschwindigkeit von 40 km/h angenähert hätte, dürfe allein hieraus noch nicht darauf vertraut werden, er würde rechts abbiegen.

Hinweis: Ein Wartepflichtiger kann nur dann auf ein Abbiegen des Vorfahrtberechtigten vertrauen, wenn über ein bloßes Betätigen des Blinkers hinaus eine Vertrauensgrundlage geschaffen worden ist, die es im Einzelfall rechtfertigt, davon auszugehen, das Vorrecht werde nicht (mehr) ausgeübt.

Quelle: OLG Dresden, Beschl. v. 10.02.2020 – 4 U 1354/19

Thema: Verkehrsrecht

Mit Rechtsabbieger kollidiert: Auch bei Grünlicht dürfen Linksabbieger ihre Sorgfaltspflicht nicht vernachlässigen

Der alte Spruch „Bei Rot bleibe steh’n, bei Grün kannst du geh’n“ ist für den Straßenverkehr nur bedingt gültig. Denn dass Verkehrsteilnehmer selbst bei Grünlicht nicht unbedingt freie Fahrt haben, zeigt das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (OLG), das eine Linksabbiegerin traf.

Der Geschädigte dieses Falls befuhr innerorts eine mehrspurige Fahrbahn und beabsichtigte, auf der linken der beiden Rechtsabbiegerspuren nach rechts abzubiegen. Eine Linksabbiegerin kam ihm aus der Gegenrichtung entgegen und so kam es im Bereich, in dem die Rechtsabbiegerspuren in die Seitenstraße übergehen, auf dem linken Fahrstreifen zur seitlichen Streifkollision der beiden. Der Rechtsabbieger behauptete, die Entgegenkommende sei bei für sie geltender Gelbphase abgebogen und habe seinen Vorrang missachtet. Demgegenüber behauptet die Frau, bei für sie bestehendem Grünlicht abgebogen zu sein – mit der Folge, dass der Geschädigte bei für ihn bestehendem Rotlicht abgebogen sein müsse.

Das OLG widersprach der Erstinstanz, die eine je hälftige Schadensverteilung vorgenommen hatte: Es entschied, dass die Linksabbiegerin allein für die Folgen des Unfalls haftet. Von besonderer Bedeutung für die Entscheidung war, dass im Kreuzungsbereich kein grüner Linksabbiegerpfeil vorhanden war, sondern lediglich „Grünlicht“. Nach Auffassung des Gerichts ist ein Linksabbieger somit zur besonderen Sorgfalt verpflichtet, da er – anders bei als bei einem grünen Linksabbiegerpfeil – verpflichtet ist, den Gegenverkehr genau zu beobachten. Das OLG geht daher vielmehr davon aus, dass dem Rechtsabbieger der Vorrang geblieben ist. Da auf dessen Seite kein Mitverschulden festzustellen und somit auch nicht zu berücksichtigen war, traf die Linksabbiegerin das alleinige Verschulden an dem Unfall.

Hinweis: Die vom Gericht vorgenommene Unterscheidung zwischen grünem Linksabbiegerpfeil und Grünlicht ist nachvollziehbar und ergibt sich aus den Regelungen des § 9 Straßenverkehrsordnung (StVO). Für Linksabbieger gilt die Vorschrift des § 9 Abs. 4 Satz 1 StVO, wonach er beim Abbiegen den Gegenverkehr in jedem Fall zu beachten hat.

Quelle OLG Hamm, Urt. v. 11.10.2019 – I-9 U 37/18

Thema: Verkehrsrecht

Fußgänger auf Radwegen: Ein Unfall zwischen Fußgänger und Radfahrer kann zur hälftigen Haftungsverteilung führen

Führt ein farblich markierter Radweg um eine Lichtzeichenanlage herum, müssen Fußgänger beim Überqueren des Radwegs auf Fahrradfahrer Rücksicht nehmen.


Eine Fußgängerin wollte bei Grün eine Straße überqueren, als es beim Überqueren des farblich abgehobenen Radwegs zu einer Kollision mit einem Fahrradfahrer kam. Dieser hatte den rechts neben dem Gehweg verlaufenden Radweg genutzt. Dieser führte um die Lichtzeichenanlage herum, um einen flüssigen Radverkehr für rechtsabbiegende Radfahrer zu ermöglichen – natürlich ohne dass das Grünlicht der querenden Fußgänger auch für die Radler gilt.

Das Oberlandesgericht Hamm hat vorliegend eine Haftungsverteilung von 50 : 50 vorgenommen. Den Fahrradfahrer traf ein Verschulden von 50 %, weil er mit überhöhter und somit nicht angepasster Geschwindigkeit im Kreuzungsbereich gefahren war. Die Fußgängerin traf ein Verschulden deshalb, weil sie beim Überqueren der Fahrbahn – zu der auch der Radweg gehört – nicht auf den bevorrechtigten Radfahrer geachtet hatte.

Hinweis: Die Entscheidung macht deutlich, welche besonderen Sorgfaltsanforderungen Fußgänger beim Überqueren von Fahrbahnen haben, zu denen auch Radfahrerwege gehören. Diese sind nämlich Bestandteil der öffentlichen Straßen. Dementsprechend gelten die Sorgfaltspflichten beim Überschreiten von Fahrbahnen auch für das Überschreiten von Radwegen.

Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 19.01.2018 – 26 U 53/17

Thema: Verkehrsrecht