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Schlagwort: Kündigungsschutzklage

Betriebsbedingte Kündigung: Leiharbeiter müssen bei Auftragsrückgängen zuerst gehen

Leiharbeiter sind bei Arbeitgebern wegen der unternehmerischen Flexibilität sehr beliebt. Dass dieser Umstand nicht auf Kosten der festangestellten Arbeitnehmerschaft gehen darf, wird hier und dort gern vergessen. Doch der folgende Fall zeigt, dass es sich lohnen kann, wenn Festangestellte auf ihre Rechte pochen. So musste das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) einem Unternehmen in Zeiten von Auftragsrückgängen die rote Karte bei der Bevorzugung von Leiharbeitnehmern zeigen.

Ein Automobilzulieferer beschäftigte neben seiner Stammbelegschaft auch Leiharbeitnehmer. Sein Auftraggeber drosselte dann die Produktion von 1.300 auf 1.150 Autos pro Tag. Deshalb benötigte der Automobilzulieferer nur noch 66 statt 74 Produktionsmitarbeiter. Sechs Arbeitnehmern sollten daher gekündigt werden. Zwei der sechs Gekündigten legten eine Kündigungsschutzklage ein. Sie trugen vor, dass in den knapp zwei Jahren vor Ausspruch der Kündigungen der Automobilzulieferer sechs Leiharbeitnehmer fortlaufend mit nur wenigen Unterbrechungen eingesetzt hatte. Deshalb seien die Kündigungen in ihren Augen nicht rechtmäßig.

Das sahen die Richter des LAG genauso. Die beiden Festangestellten hätten auf den Arbeitsplätzen der Leiharbeitnehmer weiterbeschäftigt werden können, da diese als freie Arbeitsplätze anzusehen sind.

Hinweis: Die Arbeitnehmer haben gewonnen. Das LAG hat zwar die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, es spricht jedoch vieles dafür, dass die Entscheidung richtig ist. Denn bevor die Stammbelegschaft entlassen wird, müssen erst einmal die Leiharbeitnehmer gehen.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 02.09.2020 – 5 Sa 295/20 und 5 Sa 14/20

Thema: Arbeitsrecht

Beharrliche Arbeitsverweigerung: Verwehrung vertraglich geschuldeter Arbeitsleistung kann fristlose Kündigung zur Folge haben

Auch wenn ein Arbeitnehmer denkt, er würde rechtmäßig seine Arbeit verweigern, kann ihm gekündigt werden. Der Fall des Sächsischen Landesarbeitsgerichts (LAG) zeigt auf, welche Fallen die falsche Annahme in sich birgt, Weisungen ignorieren und sich stattdessen auf Arbeitszeiten und Zuständigkeiten berufen zu können.

Eine Justizbeschäftigte sollte morgens eine „eilige“ Akte des Amtsgerichts bearbeiten. Sie weigerte sich jedoch und begründete die Nichtbearbeitung und Rückgabe der Akte damit, dass es ihr nicht möglich sei, die Schreibarbeit bis zum Ende ihrer Arbeitszeit um 13 Uhr fertigzustellen. Außerdem sei die konkrete Akte nach dem Organisationsplan der Behörde bereits einer anderen Mitarbeiterin zugewiesen worden. Gegen 10:30 Uhr erhielt sie dafür eine Abmahnung. Trotzdem bearbeitete sie die Akte nicht. Deshalb erhielt sie noch am selben Tag eine Kündigung. Gegen die Kündigung erhob sie eine Kündigungsschutzklage.

Das LAG sah die Kündigung jedoch als sozial gerechtfertigt an. Der Justizbeschäftigten waren die Interessen der Arbeitgeberin völlig aus dem Blick geraten. Die Behörde musste dringend handeln, was ihr jedoch völlig egal gewesen war. Ihre beharrliche Weigerung, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, war geeignet, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

Hinweis: Ob ein Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, trägt er selbst das Risiko, dass sich seine Rechtsauffassung als falsch herausstellt. Er sollte sich also, bevor er eine Arbeit ablehnt und die Ausführung verweigert, genau informieren.

Quelle: Sächsisches LAG, Urt. v. 31.07.2020 – 2 Sa 398/19

Thema: Arbeitsrecht

Einstweilige Verfügung aussichtslos: Wer Urlaub nach gekündigtem Arbeitsverhältnis durchsetzen will, kann auf Rechtskosten sitzen bleiben

Wer seine Arbeitnehmerrechte gerichtlich durchsetzen möchte bzw. muss, sollte tunlichst darauf achten, sich nicht selbst unnötig ein Beinchen zu stellen. Der folgende Fall des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (LAG) zeigt recht anschaulich, wie man sich unnötigen finanziellen Schaden zufügen kann.

Eine Callcenteragentin beantragte Urlaub für die Zeit vom 27.07.2019 bis zum 09.08.2019. Die Arbeitgeberin gewährte jedoch lediglich den Urlaub für die erste Woche bis zum 02.08.2019 und kündigte zudem das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.07.2019. Nicht nur gegen die Kündigung klagte die Arbeitnehmerin – sie wollte zusätzlich mit einer einstweiligen Verfügung erreichen, dass die Arbeitgeberin verurteilt wird, ihr auch für den Zeitraum vom 05.08.2019 bis 09.08.2019 Urlaub zu gewähren. Im Gerichtsverfahren verglichen sich die Parteien, so dass hier nur noch offenblieb, wer die Gerichtskosten des Rechtsstreits, insbesondere in der Berufungsinstanz, zu tragen hatte.

Und in dieser Frage entschied das LAG zu Lasten der Callcenteragentin. Diese hatte die Gerichtskosten zu tragen, da sie den Rechtsstreit voraussichtlich verloren hätte. Einstweilige Verfügungen seien schließlich nur zulässig, wenn durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Für einen solchen Fall hätte der Arbeitnehmerin jedoch ein Urlaubsanspruch im August 2019 zustehen müssen. Mit der Kündigung zum Ende Juli war aber nicht nur das Arbeitsverhältnis, sondern auch der entsprechende Urlaubsanspruch nichtig. Wer sich in der rechtlichen Logik so verheddert, dass ein gerichtlicher Erfolg aussichtslos wird, muss leider auch für die entstandenen Kosten geradestehen.

Hinweis: Hat ein Arbeitnehmer also eine Klage gegen eine Kündigung erhoben, kann er in der Regel nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung für einen Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist einen Urlaubsanspruch durchsetzen – auch nicht, wenn er eine Kündigungsschutzklage eingereicht hat.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 12.09.2019 – 5 SaGa 6/19

Thema: Arbeitsrecht

Ordentlicher Ablauf entscheidet: Eine späte Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung macht die Kündigung nicht gleich unwirksam

Vor jeder Kündigung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen hat ein Arbeitgeber seine Schwerbehindertenvertretung anzuhören. Der folgende Fall zeigt, dass es dabei noch einigen Klärungsbedarf gibt, wie schnell das zu passieren hat. Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist zwar nicht final geklärt, wann nun genau diese Anhörung zu erfolgen hat – klar ist aber, wie schnell sie keineswegs erfolgen muss, um Kündigungsschutzklagen zu verhindern.

Eine Arbeitgeberin hatte die behördliche Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einer einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Arbeitnehmerin beantragt. Das Integrationsamt erteilte die Zustimmung. Erst danach hörte die Arbeitgeberin ihren Betriebsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung zu der Kündigung an. Im Anschluss wurde dann das Arbeitsverhältnis gekündigt. Die Arbeitnehmerin hielt nun die Kündigung wegen der späten Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung für unwirksam und erhob Kündigungsschutzklage. Zwei Instanzen gaben ihr dabei Recht, doch vor dem BAG war – zumindest vorübergehend – damit Schluss.

Zunächst stellte das BAG klar, dass eine Kündigung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung selbstverständlich unwirksam ist. Der erforderliche Inhalt der Anhörung und die Dauer der Frist für eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung richten sich dabei nach den für die Anhörung des Betriebsrats geltenden Grundsätzen. Die Kündigung war allerdings nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichtet oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht unverzüglich mitgeteilt hatte. Das BAG hat deshalb das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Hinweis: Ein Arbeitgeber darf erst die Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt beantragen und dann den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung anhören.

Quelle: BAG, Urt. v. 13.12.2018 – 2 AZR 378/18

Thema: Arbeitsrecht

Unter Drogenverdacht: Vor einer Kündigung muss der mutmaßlich abhängige Arbeitnehmer stets angehört werden

Drogen und Alkohol haben am Arbeitsplatz bekanntlich nichts zu suchen. Dass ein reiner Verdacht den Arbeitgeber nicht zu einer Kündigung veranlassen sollte, zeigt der folgende Fall des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (LAG).

 

Ein Mann wurde während seiner Arbeit von einem Kollegen dabei beobachtet, wie er ein weißes Pulver zu sich genommen haben soll. Der Arbeitgeber kündigte seinem unter dem Verdacht des Drogenkonsums stehenden Mitarbeiter daraufhin fristlos und ordentlich fristgerecht. Angehört wurde der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber allerdings nicht. Gegen die Kündigung legte der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage ein.

Das LAG entschied, dass die Kündigung in der Tat rechtswidrig war. Der Drogenkonsum eines Arbeitnehmers kann zwar grundsätzlich auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen – und dabei macht es noch nicht einmal einen Unterschied, ob der Drogenkonsum in der Freizeit oder während der Arbeitszeit erfolgt. Ein solcher Konsum muss durch den Arbeitgeber aber auch dargelegt und bewiesen werden können. Die Tatsache, dass der Arbeitnehmer ein weißes Pulver zu sich genommen hatte, reicht für eine Kündigung nicht aus. Selbst eine reine Verdachtskündigung bleibt unwirksam, solange der Arbeitnehmer nicht zuvor angehört worden ist.

Hinweis: Die Kündigung eines abhängigen und süchtigen Arbeitnehmers ist stets schwierig. Grundsätzlich kann der Drogenkonsum eines Arbeitnehmers eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss aber den Drogenkonsum des Arbeitnehmers darlegen und beweisen können.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.08.2018 – 2 Sa 992/18

Thema: Arbeitsrecht

Haftdauer als Kündigungsgrund: Ist keine Haftentlassung vor Ablauf von zwei Jahren absehbar, darf der Arbeitgeber kündigen

Für die meisten Menschen ist eine Strafhaft mit hoher Wahrscheinlichkeit höchst unangenehm. Aber auch deren Arbeitgeber freuen sich nicht gerade darüber, wenn ein Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheinen kann, weil er im Bau sitzt. Wie es sich mit dessen Weiterbeschäftigung verhält, mussten die Richter des folgenden Falls bewerten.

Ein Arbeitnehmer wurde wegen seiner Beteiligung an einem versuchten Raubüberfall zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Nach seinem Haftantritt erhielt der Häftling auch noch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dagegen erhob er in Haft Kündigungsschutzklage. Er war nämlich der Auffassung, wegen seiner günstigen Sozialprognose vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden. Das interessierte das Gericht allerdings nicht.

Ein Arbeitgeber darf eine Kündigung aussprechen, wenn damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer länger als zwei Jahre ausfallen wird. Zum Zeitpunkt des Haftantritts stand nämlich nicht sicher fest, ob der Arbeitnehmer seine Strafe vollständig verbüßen oder gar früh in den offenen Vollzug wechseln würde. Umstände, die sich während der Vollzugszeit ergeben und erst nach der Kündigung eintreten, sind für die Beurteilung daher unerheblich.

Hinweis: Ein Arbeitgeber darf ein Arbeitsverhältnis also kündigen, wenn sein Arbeitnehmer eine mehr als zweijährige Haftstrafe vor sich hat und eine vorzeitige Entlassung nicht mit Sicherheit feststeht.

Quelle: LAG Hessen, Urt. v. 21.11.2017 – 8 Sa 146/17

Thema: Arbeitsrecht

Dumm, dümmer, arbeitslos: Holocaust-Leugnern darf außerordentlich gekündigt werden

Viele Menschen lernen einfach nur schwer dazu. Einige von ihnen sind sogar unverbesserlich – selbst wenn es sie den Arbeitsplatz kostet, wie im folgenden Fall.

Im Dienstwagen eines Außendienstlers wurden mehrere Musik-CDs mit rechtsradikaler Musik gefunden. Aus diesem Anlass kam es im Betrieb zwischen dem Arbeitnehmer und einer Kollegin zu einem Gespräch über den Holocaust. Dabei leugnete der Arbeitnehmer den Holocaust und machte obendrein noch weitere volksverhetzende Äußerungen. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer erhob dagegen Kündigungsschutzklage – vergeblich. Denn die außerordentliche Kündigung war in der Tat wirksam.

 

Der Arbeitnehmer hatte seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin verletzt, indem er in der Betriebsöffentlichkeit volksverhetzende und den Betriebsfrieden störende Äußerungen getätigt hatte. Eine vernommene Zeugin hatte sogar bestätigt, dass der Arbeitnehmer gesagt hatte, dass die Judentransporte nicht in dem Maße stattgefunden hätten und Juden nicht vergast worden seien.

Hinweis: Die Verleugnung oder Relativierung des Holocaust in der Betriebsöffentlichkeit rechtfertigt also eine fristlose Kündigung. Das sollten sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber wissen.

Quelle: ArbG Hamburg, Urt. v. 18.10.2017 – 16 Ca 23/17

Thema: Arbeitsrecht

Belästigung am Arbeitsplatz: Eine sexuelle Motivation des Täter ist nicht entscheidend – die Würde des Opfers schon

Bei jeder Form der sexuellen Belästigung steht für einen Arbeitnehmer der Bestand des Arbeitsverhältnisses auf dem Spiel.

In einem Stahlwerk waren neben der Stammbelegschaft unter anderem zwei Leiharbeiter eingesetzt. Dann geschah etwas Unfassbares: Einer der Arbeitnehmer aus der Stammbelegschaft, bereits seit 1991 beschäftigt, griff einem der Leiharbeiter schmerzhaft von hinten in den Genitalbereich. Dann sagte er zu ihm, dass er dicke Eier habe. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem Täter. Gegen die Kündigung legte der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage ein und meinte, er habe lediglich unabsichtlich das Hinterteil des Leiharbeiters berührt.

Das Bundesarbeitsgericht sagte deutlich, dass ein solches Verhalten grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen kann. Denn es lag eine zweifache sexuelle Belästigung vor – einmal durch den Griff und einmal durch den anschließenden Spruch des Arbeitnehmers. Dabei muss ausdrücklich keine sexuelle Motivation des Täters vorliegen, es kommt nur darauf an, ob das Verhalten die Würde des Betroffenen verletzt. Letztendlich muss das Landesarbeitsgericht nochmals über die Angelegenheit entscheiden und auch eine ordnungsgemäße Interessenabwägung vornehmen.

Hinweis: Bei der absichtlichen Berührung von Geschlechtsteilen kommt es also nicht auf eine sexuelle Motivation des Täters an.

Quelle: BAG, Urt. v. 29.06.2017 – 2 AZR 302/16
Arbeitsrecht

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