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Schlagwort: LAG Hessen

Fiktive Beförderung: Nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied bekommt mehr Gehalt zugesprochen

Die Vergütung von freigestellten Betriebsräten führt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern. Hier ging es um ein nichtfreigestelltes Mitglied, das folglich zwei Aufgabenbereiche gleichzeitig zu bewerkstelligen hatte: seine Arbeit und die Betriebsratstätigkeit. Ob sich diese Doppelbelastung auf die übliche Beförderungspraxis zum Nachteil des Mitarbeiters niederschlagen darf, entschied das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG).

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Haftdauer als Kündigungsgrund: Ist keine Haftentlassung vor Ablauf von zwei Jahren absehbar, darf der Arbeitgeber kündigen

Für die meisten Menschen ist eine Strafhaft mit hoher Wahrscheinlichkeit höchst unangenehm. Aber auch deren Arbeitgeber freuen sich nicht gerade darüber, wenn ein Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheinen kann, weil er im Bau sitzt. Wie es sich mit dessen Weiterbeschäftigung verhält, mussten die Richter des folgenden Falls bewerten.

Ein Arbeitnehmer wurde wegen seiner Beteiligung an einem versuchten Raubüberfall zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Nach seinem Haftantritt erhielt der Häftling auch noch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dagegen erhob er in Haft Kündigungsschutzklage. Er war nämlich der Auffassung, wegen seiner günstigen Sozialprognose vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden. Das interessierte das Gericht allerdings nicht.

Ein Arbeitgeber darf eine Kündigung aussprechen, wenn damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer länger als zwei Jahre ausfallen wird. Zum Zeitpunkt des Haftantritts stand nämlich nicht sicher fest, ob der Arbeitnehmer seine Strafe vollständig verbüßen oder gar früh in den offenen Vollzug wechseln würde. Umstände, die sich während der Vollzugszeit ergeben und erst nach der Kündigung eintreten, sind für die Beurteilung daher unerheblich.

Hinweis: Ein Arbeitgeber darf ein Arbeitsverhältnis also kündigen, wenn sein Arbeitnehmer eine mehr als zweijährige Haftstrafe vor sich hat und eine vorzeitige Entlassung nicht mit Sicherheit feststeht.

Quelle: LAG Hessen, Urt. v. 21.11.2017 – 8 Sa 146/17

Thema: Arbeitsrecht

Recht am gesprochenen Wort: Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein

Wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zum Personalgespräch einlädt, rechnet er nicht damit, dass das Personalgespräch vom Arbeitnehmer aufgezeichnet wird.

Ein Arbeitnehmer soll Kolleginnen und Kollegen beleidigt und bedroht haben. Er wurde deshalb zuerst abgemahnt und dann zu einem Personalgespräch geladen. Dieses Gespräch zwischen dem Arbeitnehmer, seinem Vorgesetzten und einem Vertreter des Betriebsrats zeichnete der Arbeitnehmer mit seinem Smartphone auf, ohne das den anderen mitzuteilen. Als der Arbeitgeber davon erfuhr, kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos. Die dagegen eingelegte Kündigungsschutzklage war erfolglos.

Ein solcher heimlicher Mitschnitt eines Personalgesprächs ist grundsätzlich geeignet, sowohl eine ordentliche verhaltensbedingte als auch eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei kommt es nämlich auf die damit verbundene Verletzung der Interessen des Arbeitgebers an. Das heimliche Mitschneiden des Gesprächs durch den Arbeitnehmer ist rechtswidrig, weil aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht das Recht auf die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Worts folgt. Dazu gehört in bestimmten Grenzen das Recht am gesprochenen Wort. Deshalb darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und von wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf. Das Grundgesetz schützt die Befugnis des Menschen, selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig seinem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen.

Hinweis: Es steht also glasklar fest, dass einem Arbeitnehmer, der ein Personalgespräch heimlich mit seinem Smartphone aufnimmt, fristlos gekündigt werden darf. 
  
 

Quelle: LAG Hessen, Urt. v. 23.08.2017 – 6 Sa 137/17

Thema: Arbeitsrecht

Einschränkung der Arbeitgebermöglichkeiten: Landesarbeitsgericht widerspricht bei sachgrundloser Befristung der ständigen Rechtsprechung

Laut Gesetzeslage ist eine dreimalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zwar bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren möglich. Das gilt dies jedoch nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Diesem Wortlaut entsprechend wandte sich das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG) nun gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG).

Ein Arbeitnehmer war in den Jahren 2005 bis 2008 bei einem Arbeitgeber beschäftigt und wurde dann ab Juli 2014 nochmals durch eine sachgrundlose Befristung eingestellt. Er meinte nun, die Befristung sei unwirksam, und hatte eine entsprechende Entfristungsklage erhoben. Bei seiner Entscheidung folgte das LAG ausdrücklich nicht der Rechtsprechung des BAG, wonach das Anschlussverbot zeitlich begrenzt ist und Arbeitnehmer erneut sachgrundlos beschäftigt werden dürfen, die nicht in den letzten drei Jahren beschäftigt worden waren. Denn nach Auffassung des LAG verstößt die Auslegung des BAG gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut. Zu der Frage wird das BAG nun Stellung nehmen.

Hinweis: Dieses Urteil wird nicht das Aus für befristete Arbeitsverträge ohne Sachgrund sein – es schränkt die Möglichkeiten des Arbeitgebers jedoch weiter ein. Ob dieses tatsächlich auch im Sinne der Arbeitnehmer ist, bleibt abzuwarten.

Quelle: LAG Hessen, Urt. v. 11.07.2017 – 8 Sa 1578/16

zum Thema: Arbeitsrecht

Technikbedarf des Betriebsrats: Arbeitgeber muss erfoderliche Informations- und Kommunikationsmittel bereitstellen

Die Kosten des Betriebsrats hat der Arbeitgeber zu übernehmen, in dessen Interesse es dann natürlich liegt, diese Kosten möglichst klein zu halten. Und so entsteht regelmäßig Streit darüber, welche technische Ausrüstung der Betriebsrat benötigt.

Ein Betriebsrat wollte von seinem Arbeitgeber ein Smartphone nebst Schutzhülle, Nummer, Netzverbindung und Internetzugang erhalten. Als der Arbeitgeber – ein Krankenhaus mit mehreren Betriebsstätten – sich weigerte, zog der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht. Da es sich bei den meisten Arbeitnehmern um Angestellte in Schichtdienst, Wochenendarbeit und Nachtarbeit handelte, meinte der Betriebsrat, nur mit einem Smartphone seine ständige Erreichbarkeit gewährleisten zu können.

 

Das Gericht beschloss, dass der Betriebsrat hier durchaus einen Anspruch auf das Smartphone hatte. Denn der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung Informations- und Kommunikationsmittel in erforderlichem Umfang zur Verfügung zu stellen. Ob ein Smartphone zur Erledigung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist oder nicht, liegt im Beurteilungsspielraum des Betriebsrats. Er muss die betrieblichen Verhältnisse, seine gesetzlichen Aufgabenbereiche und das Interesse des Arbeitgebers berücksichtigen.

Hinweis: Streitigkeiten zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber über technische Einrichtungen wurden schon häufig geführt. Als Maßstab kann dabei häufig gelten, dass der Betriebsrat all die Dinge benutzen darf, die der Arbeitgeber auch nutzt.

Quelle: LAG Hessen, Beschl. v. 13.03.2017 – 16 TaBV 212/16

zum Thema: Arbeitsrecht

Schützenhilfe beim Personalgespräch: Arbeitgeber müssen die unangekündigte Anwesenheit eines Betriebsratsmitglieds hinnehmen

Ein Arbeitnehmer darf seinen Betriebsrat zu Personalgesprächen mitnehmen. Doch muss das vorher angekündigt werden?

Jeder Arbeitnehmer darf bei einem Personalgespräch ein Betriebsratsmitglied hinzuziehen. Ein Unternehmen hatte seinem Betriebsrat mitgeteilt, dass Reisen zu Personalgesprächen nicht mehr bezahlt würden, wenn der Betriebsrat die Teilnahme am Personalgespräch nicht vorher ankündigt. Der Betriebsrat beantragte daher beim Arbeitsgericht, dem Arbeitgeber zu untersagen, das Personalgespräch bei einer Teilnahme des Betriebsrats nur nach vorheriger Ankündigung durchzuführen. Und natürlich bekam der Betriebsrat Recht, denn sämtliche Störungen der Betriebsratstätigkeit sind verboten.

Hinweis: Das Gericht hat es dem Arbeitgeber übrigens auch untersagt, das Gespräch bei einer Teilnahme des Betriebsrats ohne vorherige Ankündigung abzubrechen.

Quelle: LAG Hessen, Beschl. v. 07.12.2015 – 16 TaBV 140/15

Thema: Arbeitsrecht

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: „Deutsch als Muttersprache“ stellt ein diskrimierendes Ausschreibungsmerkmal dar

Nun gibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schon seit fast zehn Jahren. Einige Arbeitgeber scheinen aber nichts dazugelernt zu haben.

Ein Arbeitgeber hatte eine befristete Stelle als Bürohilfe ausgeschrieben. Es ging um die Unterstützung eines Buchprojekts. Die Stellenausschreibung beinhaltete die Anforderung „Deutsch als Muttersprache“. Ein Bewerber mit der Muttersprache Russisch hatte sehr gute Deutschkenntnisse und war objektiv für die Stelle geeignet. Als seine Bewerbung abgelehnt wurde, klagte der Arbeitnehmer eine angemessene Entschädigung ein. Das Landesarbeitsgericht Hessen verurteilte den Arbeitgeber nach § 15 Abs. 2 AGG zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von zwei Monatsgehältern.

Hinweis: Die Ausschreibung verstieß gegen § 7 Abs. 1 AGG, weil sie Bewerber, die Deutsch nicht als Muttersprache erlernt haben, wegen ihrer ethnischen Herkunft gem. § 1 AGG benachteiligt hatte. Diese Bewerber wurden wegen ihrer Nichtzugehörigkeit zur deutschen Ethnie unabhängig von ihren faktischen Sprachkenntnissen ausgeschlossen.

Quelle: LAG Hessen, Urt. v. 15.06.2015 – 16 Sa 1619/14
Thema: Arbeitsrecht