Mit dem Widerrufsrecht ist es so eine Sache: Generell gibt es ein solches nicht. Wer also einen Vertrag abschließt, sollte sich im Vorhinein darüber klar sein, dass er bindend ist. Doch da der Begriff „generell“ in der Rechtskunde ein Bruder von „allgemein“ und „jedenfalls“ ist, sollte der regelmäßigen Leserschaft klar sein: Es gibt Ausnahmen. Und dass die Ausnahme von der Regel, die bei Fernabsatz- und Haustürgeschäften eintreten kann, auch auf fremde Geschäftsräume übertragen werden kann, zeigt der folgende Fall des Landgerichts Münster (LG).
Mit Zulassung der E-Scooter war klar: Da kommen neben allen hitzigen Diskussionen auch so einige Verfahren auf die deutschen Gerichte zu. Das folgende Urteil des Landgerichts Münster (LG) zeigt, dass es hier noch so einigen Klärungsbedarf zur Haftungsfrage geben wird. Doch lesen Sie selbst.
Innerorts kam es zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Pkw und einem E-Scooter. Die Fahrerin des Pkw fuhr zuvor mit erlaubten 50 km/h auf eine ampelgeregelte Fußgängerquerung zu. Dort kam es zu einem Unfall mit einem E-Scooter Fahrer, der behauptete, die Autofahrerin habe das für sie maßgebliche Rotlichtzeichen missachtet. Diese behauptet ihrerseits, der E-Scooter-Fahrer habe bei für ihn bestehendem Rotlicht die Fahrbahn überquert.
Das LG hat der Pkw-Fahrerin keinen Schadensersatz zugesprochen und führte aus, dass eine Haftung des E-Scooter-Fahrers laut Straßenverkehrsgesetz ausgeschlossen ist. Dies sei dann der Fall, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, dass auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren kann. Nach der Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung sind Fahrzeuge im Sinne dieser Verordnung Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h. Genau darunter fallen eben auch E-Scooter. Ein Anspruch aus verschuldensabhängiger Haftung besteht deshalb nicht, weil die beweisbelastete Pkw-Fahrerin nicht beweisen konnte, dass der E-Scooter-Fahrer bei für ihn bestehendem Rotlicht die Fahrbahn überquert hatte. Insofern blieb auch nach Zeugenanhörungen Aussage gegen Aussage bestehen.
Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Hierbei handelt es sich – soweit ersichtlich – um eine erste veröffentlichte Entscheidung zu der Frage der Haftung von E-Scootern. Zutreffend weist das Gericht darauf hin, dass E-Scooter der Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung unterfallen. Insofern ist also eine Haftung wie bei Fahrradfahrern auch nur dann gegeben, wenn dem E-Scooter-Fahrer ein Verschulden eindeutig nachgewiesen wird. Und diese Beweislast trägt die Person, die Schadensersatzansprüche geltend machen will.
Quelle: LG Münster, Urt. v. 09.03.2020 – 8 O 272/19
Zu dem Nachlass eines Verstorbenen gehören heutzutage immer mehr auch digitale Inhalte, die in Social-Media-Konten oder Cloud-Diensten gespeichert sind. Ob sich Betreiber dieser Dienste jedoch immer wieder sperren dürfen, den Erben die entsprechenden Zugänge zu erteilen, hat das Landgericht Münster (LG) im Folgenden noch einmal klargestellt.
Nach dem Tod eines Mannes während einer Auslandsreise erhoffte sich die Familie Aufklärung durch die Inhalte, die in dessen iCloud gespeichert waren. Apple verweigerte ihnen als Anbieter der Cloud jedoch den Zugang. Das LG gab den Hinterbliebenen jedoch Recht und verpflichtete Apple dazu, den Erben Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto des Erblassers und den darin vorgehaltenen Inhalten zu gewähren.
Hinweis: Im letzten Jahr hatte der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit einem Facebook-Konto entschieden, dass auch digitale Inhalte grundsätzlich an die Erben fallen. In diesem Fall wurde diese Rechtsprechung konsequenterweise auf einen anderen Online-Account übertragen. Da sich Apple in diesem Verfahren jedoch nicht vertreten und keine Gegenargumente vortragen ließ, handelt es sich dabei nur um ein Versäumnisurteil mit einer entsprechend knappen Urteilsbegründung.
Quelle: LG Münster, Urt. v. 16.04.2019 – 014 O 565/18
Dass Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule nicht zwingend Folgeschäden von Unfällen sein müssen, sondern ebenso bei unfallunabhängigen Erkrankungen der Halswirbelsäule auftreten können, ist das Kernthema im folgenden Fall des Landgerichts Münster (LG).
Die Geschädigte wurde als Beifahrerin in einen Auffahrunfall verwickelt. Noch am Unfalltag ließ sie sich in einem Krankenhaus untersuchen. Hier diagnostizierte ihr der behandelnde Arzt Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule sowie Druckschmerzen im Bereich der Halswirbelkörper und der Schultermuskulatur. Folglich verlangte die Frau von der gegnerischen Haftpflichtversicherung Schmerzensgeld, das jedoch von der Versicherung mit der Behauptung abgelehnt wurde, der Unfall sei nicht geeignet gewesen, die beschriebenen Verletzungen hervorzurufen.
Das LG hat die darauf gerichtete Klage der Frau abgewiesen. Denn erstens sind die geschilderten Beschwerden unspezifisch und zweitens können diese sowohl bei unfallabhängigen als auch bei unfallunabhängigen Erkrankungen der Halswirbelsäule auftauchen. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger hatte außerdem die Anprallgeschwindigkeit beim Unfall mit lediglich sechs bis neun Stundenkilometern bemessen. Und der vom Gericht beauftragte medizinische Gutachter konnte nicht feststellen, dass diese Aufprallgeschwindigkeit geeignet sei, die von der Geschädigten beschriebenen Verletzungen hervorzurufen. Dies stützte er sowohl auf eine eigene als auch auf eine computergestützte Ultraschalluntersuchung der Halswirbelsäule. Er konnte hierbei keine ausgeprägten Funktionsbeeinträchtigungen feststellen.
Hinweis: Immer wieder wird von Versicherungen eingewandt, das beim Verkehrsunfall erlittene und vom Arzt diagnostizierte Halswirbelschleudertrauma sei nicht unfallbedingt. Gerichte holen deshalb oftmals – so wie hier – ein sogenanntes interdisziplinäres Gutachten ein; ein technisches und ein medizinisches Gutachten, in dem zum einen die Aufprallgeschwindigkeit und zum anderen im Anschluss hieran die behaupteten Unfallverletzungen überprüft werden. Andere Gerichte verzichten hierauf, hören sich den erstbehandelnden Arzt an und entscheiden danach, ob sie von einer Verletzung ausgehen oder eben nicht.
Quelle: LG Münster, Urt. v. 20.07.2018 – 8 O 289/16
Tritt ein Fahrgeräusch immer nur unter bestimmten Umständen auf und ist es für einen Insassen nur nach vorherigem Hinweis wahrnehmbar, liegt ohne Vorliegen eines technischen Mangels auch kein Grund vor, die Rücknahme des Fahrzeugs zu verlangen. Das gilt nicht nur für Kleinwagen, sondern durchaus auch für Fahrzeuge der höheren Preiskategorie.
Ein Autokäufer verlangte von seinem Autohaus gegen Rückzahlung des Kaufpreises die Rücknahme seines SUV eines deutschen Herstellers. Nach seiner Behauptung weise das Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von ca. 70 bis 80 Stundenkilometern ungewöhnliche Geräusche auf. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger bestätigt zwar die Geräusche, konnte dabei jedoch keinen technischen Mangel feststellen.
Das Landgericht Münster hat entschieden, dass der Käufer kein Recht zur Rückgabe des Fahrzeugs hat, da kein erheblicher Mangel vorlag. Bei dem beanstandeten Geräusch handelte es sich nicht um einen erheblichen Fehler, der den Wert des gekauften Fahrzeugs oder seine Eignung zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung aufhebt. Dabei war für das Gericht auch von Bedeutung, dass das Geräusch bei eingeschaltetem Radio oder Klimaanlage nicht oder zumindest kaum hörbar war.
Hinweis: In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass nur gelegentliche, unter ganz bestimmten Umständen kurzzeitig auftretende Veränderungen des Motorgeräuschs auch bei einem Fahrzeug der Spitzenklasse nicht als Mangel angesehen werden kann. Abzustellen ist hierbei nicht auf die Wahrnehmungen und Empfindungen eines durchschnittlichen, nicht besonders für das Geräusch sensibilisierten Fahrzeugführers oder -insassen.
Quelle: LG Münster, Urt. v. 15.11.2016 – 15 O 152/15