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Schlagwort: Nachlassverwaltung

Mietverhältnis eines Verstorbenen: Die unterlassene Kündigung macht Mietschulden nicht zu Nachlasserbenschulden

Wohnungsmietverhältnisse enden nicht automatisch mit dem Tod des Mieters. Treten weder Ehegatten, Lebenspartner oder Kinder in das Mietverhältnis ein, wird das Mietverhältnis mit den Erben fortgesetzt. Im Folgenden hatte der Bundesgerichtshof (BGH) darüber zu urteilen, inwieweit diesbezügliche Erben bei Mietrückständen haften, wenn diese zuvor schon eine Nachlassverwaltung des überschuldeten Nachlasses angeordnet haben.

Nachdem ein Mann verstorben war, nahm sein Bruder die Erbschaft an. Der Vermieter des Verstorbenen kündigte nach einigen Monaten das Mietverhältnis und verlangte von dem Bruder als Erben die Zahlung der Mieten für die Monate nach dem Tod sowie die Räumung und Herausgabe der Wohnung. Kurze Zeit später wurde auf Antrag des Bruders für den überschuldeten Nachlass die Nachlassverwaltung angeordnet. Diese führt dazu, dass der Erbe für Erblasserschulden nicht mehr mit seinem eigenen Vermögen haftet, sondern sich die Haftung auf den Nachlass beschränkt. Der Vermieter ließ die Wohnung zwangsräumen und machte seine Forderungen weiterhin vor Gericht gegen den Erben geltend.

Der BGH stellte fest, dass das Mietverhältnis mit dem Bruder als Erben fortgesetzt worden war und dieser für die aus dem Mietverhältnis resultierenden Verbindlichkeiten – vor und nach dem Tod des Erblassers – haftet. Durch die Nachlassverwaltung hatte der Bruder zwar seine Haftung auf den Nachlass beschränkt. Die Haftungsbeschränkung erstreckt sich jedoch nicht auf Forderungen, für die der Erbe nicht nur als solcher, sondern (auch) persönlich haftet. Dies ist der Fall bei Nachlasserbenschulden, also Verbindlichkeiten, die der Erbe bei der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses selbst begründet hat und für die er deshalb (auch) selbst haftet. Für diese kann der Erbe trotz angeordneter Nachlassverwaltung in Anspruch genommen werden.

Der BGH entschied, dass hier keine solchen Nachlasserbenschulden vorliegen. Das unterlassene Gebrauchmachen des Erben von seinem Recht zur außerordentlichen Kündigung begründet keine persönliche Haftung, da es sich um ein Recht und nicht um eine Pflicht handle. Das Gericht wies noch darauf hin, dass eine persönliche Haftung jedoch durchaus eintritt, wenn der Erbe nach wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses seiner Pflicht zur Räumung und Herausgabe der Mietsache nicht nachkäme. Denn dieses Unterlassen habe Handlungsqualität, wenn für den Erben eine Rechtspflicht zum Handeln bestünde und er hiergegen verstieße. In diesem Fall hatte die Vorinstanz jedoch nicht ausreichende Feststellungen dazu getroffen, ob und wann der Räumungsanspruch fällig war, so dass die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen wurde.

Hinweis: Der BGH hat hier die lange umstrittene Frage entschieden, ob Ansprüche aus dem Mietverhältnis, die nach dem versäumten Kündigungstermin fällig werden, auch Eigenverbindlichkeiten der Erben sind, für die diese persönlich haften.

Quelle: BGH, Urt. v. 25.09.2019 – VIII ZR 138/18

Thema: Erbrecht

Motivirrtum beim Erben: Wer den Nachlasswert nur vermutet hat, hat keine Aussicht auf Anfechtung der Erbschaftsannahme

Ist ein Nachlass überschuldet, ist es häufig für die Erben vorteilhafter, das Erbe auszuschlagen. Ist die Ausschlagungsfrist jedoch abgelaufen, bleibt nur die Möglichkeit, die Annahme der Erbschaft aufgrund eines Irrtums anzufechten – so wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Brandenburg (OLG).

Ein Mann beantragte nach dem Tod seiner Mutter einen Erbschein, nach dem er selbst zu einem Drittel, sein Bruder ebenfalls zu einem Drittel und zwei Urenkel der Erblasserin zu je einem Sechstel Erben geworden sind. Ihm war hierbei bekannt, dass zuvor zahlreiche potentielle weitere (gesetzliche) Erben das Erbe ausgeschlagen hatten. Kurz nach Erteilung des Erbscheins erklärte er die Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft und schlug die Erbschaft aus. Er gab dabei an, dass er erst vor kurzem im Zusammenhang mit dem Verkauf eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks erfahren habe, dass die Nachlassschulden den Grundstückswert wahrscheinlich übersteigen. Vorher hatte sich sein inzwischen verstorbener Bruder allein um die Verwaltung des Nachlasses gekümmert, der ihm trotz Aufforderung keine Auskünfte über die Zusammensetzung des Nachlasses erteilt hatte.

Das OLG sah trotz der vorgebrachten Sachlage hier jedoch keine Grundlage für eine Anfechtung. Es wies darauf hin, dass der Mann sich nach eigenen Angaben nicht um den Nachlass gekümmert und dies dem Bruder überlassen hatte. Zu dem Zeitpunkt, als er sich für die Annahme der Erbschaft entschied, hatte er daher keine konkreten Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses und keine Informationen über die zum Nachlass gehörenden Aktiva und Passiva. Er handelte daher nicht aufgrund von Tatsachen, sondern aufgrund von Hoffnungen oder Befürchtungen, die das Motiv seines Handelns bildeten. Ein bloßer Irrtum im Motiv berechtigt jedoch nicht zur Anfechtung

Hinweis: Die Überschuldung der Erbschaft stellt eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar. Ein Irrtum über diese Eigenschaft kann nach dem Gesetz zur Anfechtung berechtigen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses beruht. Nicht zur Anfechtung berechtigt ist, wer nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zur Entscheidung gelangt war, die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen, sondern seine Entscheidung auf spekulativer – bewusst ungesicherter – Grundlage getroffen hat.

Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.07.2019 – 3 W 55/19

Thema: Erbrecht

Erbrechtliche Haftungsbeschränkungen: Von Abgaben, die nach dem Tod des Erblassers entstehen, befreit eine Nachlassinsolvenz nicht

Erben erhalten nicht nur die Vermögenswerte aus einem Nachlass, sie müssen auch für die Schulden des Erben einstehen. Wenn sie das Erbe trotz überschuldetem Nachlass nicht ausschlagen möchten, besteht die Möglichkeit, die Haftung der Erben auf den Nachlass selbst zu beschränken, indem sie eine sogenannte Nachlassinsolvenz beantragen. Sie müssen dann für Nachlassverbindlichkeiten nicht ihr eigenes Vermögen einsetzen. Dass dies jedoch nicht bedeutet, dass die Erben in einem solchen Fall von sämtlichen Zahlungspflichten rund um das Erbe befreit sind, zeigt der folgende Fall des Verwaltungsgerichtshofs München (VGH).

Eine Frau erbte von ihrem verstorbenen Ehemann zusammen mit anderen Erben ein Grundstück. Sie erhielt daraufhin einen Bescheid zur Begleichung von Abfallgebühren für dieses Grundstück für die Zeit nach dem Tod des Mannes. Darin war angegeben, dass die Erbengemeinschaft gesamtschuldnerisch für diese Gebühren hafte und man sich entschieden habe, gegen sie als Schuldnerin vorzugehen. Die Frau wehrte sich jedoch dagegen und gab an, dass ein Nachlassinsolvenzantrag gestellt worden sei und sie nicht mit ihrem Privatvermögen hafte, sondern die Haftung auf den Nachlass beschränkt sei.

Der VGH stellte klar, dass die Abgabenschuld nach dem Tod des Mannes bei dessen Witwe als Miterbin und Miteigentümerin selbst entstanden war und sie diese nicht etwa von ihrem Mann geerbt hatte. Daher kann sie sich nicht auf erbrechtliche Haftungsbeschränkungen berufen, sondern muss – wie für andere eigene Schulden auch – mit ihrem Vermögen einstehen.

Hinweis: Nachlassverbindlichkeiten sind Schulden des Erblassers und Verbindlichkeiten, die infolge des Erbfalls entstehen, wie auszuzahlende Pflichtteilsansprüche oder Vermächtnisse, Beerdigungskosten oder Kosten der Testamentsvollstreckung. Die Haftungsbeschränkungen gelten nur für „reine“ Nachlassverbindlichkeiten, also Verbindlichkeiten, die im Zuge einer Nachlassverwaltung entstanden und nicht gleichzeitig auch eigene Schulden sind.

Quellen: VGH München, Beschl. v. 12.07.2018 – 4 C 18.1134

Thema: Erbrecht

Ausschlagung der Erbschaft: Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung entscheidet über den Fristablauf

Ist eine Erbschaft überschuldet, kann es für die Erben finanziell vorteilhaft sein, sie auszuschlagen, um nicht für die Schulden haften zu müssen. Für eine solche Ausschlagung müssen jedoch grundsätzlich Fristen beachtet werden.

Ein Mann erfuhr erst durch den Bescheid des Finanzamts, dass er vor ungefähr 40 Jahren seine Tante beerbt hatte. Da der Nachlass überschuldet war, wollte er die Erbschaft nun ausschlagen.

Das Gericht musste entscheiden, ob eine Ausschlagung noch möglich war. Grundsätzlich muss die Ausschlagung innerhalb einer Frist von sechs Wochen erfolgen. Die Ausschlussfrist beginnt jedoch erst, wenn der Erbe vom Erbfall Kenntnis erlangt hat. In diesem Fall sprach nichts dafür, dass der Neffe bereits vorher Kenntnis über die Erbschaft erhalten hatte. Da der Mann in diesem Fall nicht im Haushalt des Erblassers gelebt hatte und als juristischer Laie nicht wissen musste, dass er auch als Neffe als gesetzlicher Erbe in Betracht kommt, musste das Gericht davon ausgehen, dass er erst durch den Bescheid des Finanzamts von dem Erbfall erfahren hatte. Somit war seine Ausschlagung auch nach 40 Jahren durchaus noch rechtzeitig.

Hinweis: Durch eine Ausschlagung der Erbschaft werden alle Rechte an dem Erbe, aber auch alle damit verbundenen Pflichten aufgegeben. Die Ausschlagung kann zur Niederschrift gegenüber dem Nachlassgericht oder in öffentlich beglaubigter Form vor einem Notar fristgerecht erklärt werden. Die Frist beträgt grundsätzlich sechs Wochen und erweitert sich auf sechs Monate, sofern der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland gehabt hatte oder sich der Erbe bei Fristbeginn im Ausland aufhält. Die Ausschlagungsfrist beginnt jedoch erst, wenn der Erbe Kenntnis von dem Erbfall erlangt hat, und nicht vor Eröffnung des Testaments. Wird die Erbschaft nicht fristgerecht ausgeschlagen, gilt sie als angenommen. Bestehen Unklarheiten darüber, ob der Nachlass überschuldet ist, sollte vor einer übereilten Ausschlagung über eine Nachlassverwaltung nachgedacht werden, mit der eine Haftungsbeschränkung des Erben erreicht werden kann.

Quelle: OLG Naumburg, Beschl. v. 11.04.2006 – 10 Wx 1/06
Thema: Erbrecht