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Schlagwort: OLG Celle

Einfädeln von der Beschleunigungsspur: Wer den fließenden Verkehr gefährdet oder behindert, trägt im Schadensfall die Hauptlast

Die Angst des Autofahrers vor dem Einfädeln in eine Autobahnspur kommt jener des Torwarts vor dem Elfmeter oftmals gleich. Nicht ganz zu unrecht, wie der folgende Fall des Oberlandesgerichts Celle (OLG) zeigt, bei dem es bei einem solchen Vorgang zu einer Kollision mit einem bereits rechts fahrenden Lkw kam.

Der Kläger wollte sich mit seinem Fahrzeug via Beschleunigungsspur auf eine zweispurige Bundesautobahn einfädeln. Doch dem Plan „stand“ ein auf der rechten Fahrspur fahrender Lkw entgegen, mit dem der Mann mit seinem Pkw in der Folge kollidierte. Daraufhin begehrte der Mann Schadensersatz und landete mit seinem Wunsch vor dem OLG.

Doch nach Auffassung des Gerichts hat der Kläger lediglich Anspruch auf Erstattung seines Schadens von 25 %. Die überwiegende Haftung trifft den Kläger nämlich selbst, weil der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt hat – und genau dazu gehören Beschleunigungsstreifen eben nicht. Auf die Beachtung dieser Regelung darf der Benutzer der durchgehenden Fahrbahn auch vertrauen. Der einfahrende Verkehr ist daher wartepflichtig und darf nur so einfahren, dass er den durchgehenden Verkehr nicht gefährdet oder behindert. Der Kläger hatte den Unfall dadurch verursacht, dass er trotz des erkennbaren Risikos, von dem Beklagten übersehen zu werden, auf dessen rechte Fahrspur eingefahren ist, ohne Blickkontakt zum Lkw-Fahrer aufzunehmen bzw. sich ansonsten sicher gewesen zu sein, wahrgenommen worden zu sein. Der Lkw hat seinerseits allerdings wegen Bauart und Größe eine erhöhte Betriebsgefahr inne, die sich aufgrund der dadurch resultierenden Sichtbeschränkung auch konkret ausgewirkt hat und hier mit 25 % bewertet wurde.

Hinweis: Alle Einfahrenden müssen sich mit größter Sorgfalt eingliedern. Wenn es in dieser Situation zu einem Zusammenstoß zwischen einem die durchgehende Fahrbahn benutzenden Kraftfahrzeug und einem einfädelnden Verkehrsteilnehmer kommt, spricht für das Verschulden des Einfädelnden grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 23.06.2021 – 14 U 186/20

Wissen um einen Erben: Bevor der Fiskus erbt, muss das Nachlassgericht einer erhöhten Ermittlungspflicht nachkommen

Sind nach dem Tod des Erblassers keine Erben bekannt, und können auch innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist keine Erben ermittelt werden, hat das Nachlassgericht festzustellen, dass der Fiskus Erbe geworden ist. Bevor das Gericht eine solche Feststellung machen kann, müssen Ermittlungen über mögliche vorhandene Erben angestellt werden. Und der Umfang eben solcher Ermittlungen war Gegenstand des folgenden Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG).

Die Erblasserin ist im Februar 2021 tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden. Im Zentralen Testamentsregister existierte ein Eintrag über eine Tochter der Frau. Das örtlich zuständige Standesamt und Einwohnermeldeamt teilten dem Nachlassgericht auf dessen Anfrage hin mit, dass die Tochter dort nicht gemeldet sei. Auch bei dem für die Bestattung zuständigen Ordnungsamt waren keine Erkenntnisse über Angehörige vorhanden. Weitere Nachforschungen unterblieben. Das Nachlassgericht stellte daraufhin fest, dass das Land Niedersachsen Erbe nach der Erblasserin geworden sei.

Doch diese Entscheidung hob das OLG wieder auf. Da bekannt war, dass die Erblasserin eine Tochter hatte, sind höhere Anforderungen an die Ermittlungspflicht des Nachlassgerichts zu stellen. Als Faustformel gibt das OLG an, dass mindestens Anfragen an Sterberegister, Eheregister und Geburtenregister der feststellbaren Lebensmittelpunkte eines Erblassers gerichtet werden müssen.

Hinweis: Allein der Umstand, dass der Nachlass eventuell überschuldet sei, befreit nicht von der Ermittlungspflicht des Nachlassgerichts.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 20.04.2021 – 6 W 60/21

Thema: Erbrecht

Schadensminderungspflicht nach Verkehrsunfall: Vor Feststellung eines Erwerbsschadens stehen Bemühungen zur Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt

Unfälle können bekanntlich weitaus schlimmere Konsequenzen nach sich ziehen als einen Sachschaden. Wenn Personenschäden nicht mehr ausheilen, kann es sein, dass bei einer Erwerbsunfähigkeit die gegnerische Versicherung hier erheblich zur Kasse gebeten werden kann. Welche Voraussetzungen in solchen Fällen zu beachten sind, stellte im folgenden Fall das Oberlandesgericht Celle (OLG) klar.

Bei einem Verkehrsunfall wurde eine Frau so schwer verletzt, dass sie ihren Arbeitsplatz als Bürokauffrau verlor. Sie nahm deshalb ihre Versicherung in Anspruch, die ihr unter anderem eine Rente zahlte. Denn die Frau sei nunmehr in ihrer Erwerbsfähigkeit so stark eingeschränkt, dass sie in der konkreten Arbeitsmarktsituation kein Erwerbseinkommen erzielen könne. Die Versicherung nahm deshalb die Haftpflichtversicherung des Schädigers in Anspruch und verlangte Regress.

Das OLG wies die Klage jedoch ab, weil die Geschädigte und das Versicherungsunternehmen gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen haben. Aufgabe der Versicherung wäre es gewesen, zu prüfen, ob der Geschädigten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen sei oder nicht. Erst wenn bewiesen sei, dass der Geschädigten erfolglos eine Tätigkeit, Qualifizierungsmaßnahme oder Umschulungsmaßnahme angeboten wurde, kann angenommen werden, dass die Geschädigte keine Aussicht mehr auf eine erfolgreiche Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt habe. Nur wenn derartige Bemühungen gescheitert sind, kann der Versicherer sich mit Erfolg darauf berufen, dass der Arbeitsmarkt der Geschädigten verschlossen ist.

Hinweis: Um einen Erwerbsschaden nach einem Verkehrsunfall erfolgreich geltend zu machen, muss sich der Geschädigte unverzüglich einer geeigneten Weiterbildung oder Umschulung in einen anderen Beruf, der seinen Einschränkungen gerecht wird, unterziehen, wenn damit sein ansonsten eintretender Erwerbsschaden gemindert werden kann.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 07.04.2021 – 14 U 134/20

Thema: Verkehrsrecht

Schuldfrage bei Kindern: Autofahrer dürfen nicht darauf vertrauen, dass sich Kinder stets korrekt verhalten

Grundsätzlich müssen sich auch Kinder im Straßenverkehr ihrer Reife entsprechend so verhalten, dass sie Gefahrenquellen erkennen und Gefährdungen entsprechend vermeiden können. Im folgenden Verkehrsunfall, den das Oberlandesgericht Celle (OLG) zu bewerten hatte, kam es aber wie so oft auf das komplexe Gesamtbild an. Und das sprach hier letztendlich gegen den erwachsenen Beteiligten.

Im Dezember 2012 überquerte die damals elfjährige Schülerin gegen 8 Uhr als letztes von vier Kindern im Dunkeln eine Straße in der Nähe ihrer Schule. Eines der vorausgehenden Kinder trug eine gelb reflektierende Jacke. Dieser Gruppe näherte sich ein Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von mindestens 55 km/h statt der erlaubten 50 km/h. Kurz bevor die Schülerin den Bürgersteig erreichte, erfasste das Fahrzeug sie, wodurch sie erheblich verletzt wurde. Sie verlangte von dem Fahrer und der Haftpflichtversicherung des Unfallfahrzeugs nun unter anderem Schmerzensgeld.

Das OLG hat der Schülerin in vollem Umfang Recht gegeben und entgegen der Vorinstanz ein Mitverschulden nicht angenommen. Der Fahrer des Kraftfahrzeugs hat den Unfall überwiegend verschuldet, da er sein Fahrverhalten sofort hätte anpassen müssen, als er die Kinder im Straßenbereich wahrnahm. Darüber hinaus hätte er den Unfall auch verhindern können, wenn er die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätte. Zwar hatte sich das Kind ebenfalls falsch verhalten, weil es beim Überqueren der Straße den vorfahrtsberechtigten Fahrzeugverkehr nicht ausreichend beachtet hatte. Nach der Überzeugung des OLG traf das Mädchen jedoch insoweit kein Verschulden. Denn hier bezog das Gericht auch das Alter und die Gesamtsituation ein: Das Kind war in nachvollziehbarer Weise überfordert, da es sich bereits auf der Straße befand, als es das Fahrzeug wahrnahm, sowohl Entfernung als auch Geschwindigkeit des Fahrzeugs in der Dunkelheit falsch einschätzte und reflexhaft die falsche Entscheidung traf, der Gruppe hinterherzulaufen. Der Fahrer des Kraftfahrzeugs habe sich auch nicht darauf verlassen dürfen, dass sich das Kind richtig verhalten werde.

Hinweis: Nach § 3 Abs. 2a der Straßenverkehrsordnung muss sich ein Fahrzeugführer so verhalten, dass eine Gefährdung – insbesondere von Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen – ausgeschlossen ist. Zudem ist das (Mit-)Verschulden von Kindern und Jugendlichen in der Regel geringer zu bewerten als das entsprechende (Mit-)Verschulden eines Pkw-Fahrers.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 19.05.2021 – 14 U 129/20

Thema: Verkehrsrecht

Klage auf Mitmutterschaft: Bundesverfassungsgericht soll über die Elternschaft gleichgeschlechtlicher Eheleute entscheiden

Bei ehelich geborenen Kindern gilt der Ehemann automatisch als gesetzlicher Vater, sofern keine weiteren Schritte zur Feststellung der Vaterschaft eingeleitet werden. Dass auch bei gleichgeschlechtlichen Ehen nur je eine Mutter und ein Vater in die Geburtsurkunde eingetragen werden können, stieß zwei miteinander verheirateten Frauen daher zu Recht auf – der gesetzliche Automatismus, dass die elterliche Sorge eines ehelich geborenen Kindes somit beiden Eheleuten zugesprochen wird, greife somit nicht. Man ahnt zwar, dass hier nicht das letzte Wort gesprochen werden konnte, doch das Oberlandesgericht Celle (OLG) tat bereits sein Bestes.

Zwei Frauen heirateten, nachdem sie 20 Jahre zusammengelebt hatten. Völlig legal wurde eine von ihnen mittels Embryonenspende schwanger und gebar ein Kind. Die daraufhin erstellte Geburtsurkunde weist die Gebärende als Mutter aus, aber keinen Vater. Die andere Frau beantragte daraufhin, als Mitmutter in die Geburtsurkunde aufgenommen zu werden. Die Behörde lehnte dies ab. Die Mitmutter argumentierte: Wäre sie ein Mann, würde sie als zweiter Elternteil in der Geburtsurkunde erfasst. Schließlich sei sie zur Zeit der Geburt des Kindes (und seither auch weiterhin) mit der (anderen) Mutter des Kindes verheiratet. Nur weil sie kein Mann und damit Mitmutter sei, unterbliebe der Eintrag. Diese Ungleichbehandlung von ihr zu einem Mann könne nicht hingenommen werden, wo sie völlig regelkonform mit der Mutter des Kindes verheiratet sei.

Das OLG hat für die Argumentation vollstes Verständnis. Die gesetzliche Regelung ist aber sprachlich absolut eindeutig – und aufgrund dieser könne das Gericht keine „Mitmutterschaft“ begründen, ohne das Gesetz zu brechen. Und eben dies sei einem OLG nun einmal verwehrt. Eben deshalb hat der Senat den Fall nun auch dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt, da nur dieses die Befugnis hat, die gesetzliche Regelung für verfassungswidrig zu erklären und dem Gesetzgeber die Pflicht aufzuerlegen, eine entsprechende Änderung herbeizuführen.

Hinweis: Je nach Entscheidung wird das BVerfG die Rechte der gleichgeschlechtlich Verheirateten nennenswert stärken.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 24.03.2021 – 21 UF 146/20

Thema: Familienrecht

Inhaltliche Anforderungen an Nachlassverzeichnis: Verlässt sich ein Notar lediglich auf die Angaben des Erben, erfüllt er seine Pflichten nicht

In erbrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Pflichtteilsberechtigten und Erben sind Informationen über den Bestand der Erbmasse von entscheidender Bedeutung. Ein Mittel zur Feststellung dieses Bestands ist die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Was jedoch passiert, wenn diese Erstellung lückenhaft ausfällt, zeigt der folgende Fall, der vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG) landete.

Das Gericht musste sich mit einem Fall beschäftigen, in dem ein Notar im Wesentlichen Angaben des Erben beurkundet hatte, ohne selbst weitere Nachforschungen vorzunehmen. Dem Nachlassverzeichnis waren Kontoauszüge eines Bankhauses beigefügt. Bemängelt wurde durch die Pflichtteilsberechtigte insbesondere, dass in dem Nachlassverzeichnis einige Konten der Erblasserin fehlten. Der Pflichtteilsberechtigten ging es im Kern um die Frage, ob sich aus den Kontoauszügen, die nunmehr vorgelegt wurden, Hinweise auf Schenkungen der Erblasserin ergeben – und ob diese durch den Notar hätten festgestellt werden müssen.

Das OLG betonte, dass es ausreichend sei, wenn der Notar die Pflicht zur Durchsicht von Kontounterlagen auf die Erben delegiert – zumindest solange der Pflichtteilsberechtigte keinerlei bestimmte Auffälligkeiten benennen kann, die den Notar zu einer eigenen Ermittlung veranlassen können. Je relevanter die Hinweise jedoch sind, desto konkreter wird die Verpflichtung des Notars zum Tätigwerden. Ein Notar erfüllt seine Pflicht zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses jedenfalls nicht, wenn er lediglich Angaben der Erben beurkundet, ohne selbst eigene Ermittlungen aufzunehmen. Diese Verpflichtung ist im Zusammenhang mit der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses weithin bekannt.

Hinweis: Allein die Beauftragung eines Notars zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses entbindet den Erben nicht zur Mitwirkung und den Pflichtteilsberechtigten nicht von einer Überprüfung der notariellen Urkunde.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 25.03.2021 – 6 U 74/20

Thema: Erbrecht

Erweiterter Gerichtsstand der Erbschaft: Zuständigkeit richtet sich bei güterrechtlicher Lösung nach letztem Gerichtsstand des Erblassers

Für ein und denselben Lebenssachverhalt können unter Umständen unterschiedliche Gerichte zuständig sein. Wer hierzu nicht rechtzeitig fachlichen Rat einholt, zahlt mit Zeit und Geduld. Welches Gericht im Fall einer sogenannten güterrechtlichen Lösung zuständig ist, war Gegenstand der folgenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (OLG).

Von einer güterrechtlichen Lösung spricht man, wenn der überlebende Ehepartner die Erbschaft nach dem Verstorbenen ausgeschlagen hat und – weil er sich hiervon einen finanziellen Vorteil verspricht – einen konkreten Zugewinnausgleichsanspruch gegen den Nachlass und damit gegen die Erben geltend macht. Der Ehemann war in diesem Fall im August 2017 verstorben. Die Ehefrau hatte die Erbschaft innerhalb der gesetzlichen Frist zunächst ausgeschlagen, so dass die Mutter des verstorbenen Ehemannes Erbin wurde. Als diese selbst kurz danach verstarb, traten die Enkel in die Erbfolge ein. Die überlebende Ehefrau machte nunmehr Ansprüche gegenüber den Enkeln geltend. Hierfür hatte sie einen Antrag an das Amtsgericht des letzten Wohnorts ihres verstorbenen Ehemannes gerichtet.

Das OLG entschied, dass das Gericht des letzten Wohnorts der verstorbenen Mutter des Ehemannes örtlich für die Auseinandersetzung zuständig sei. Maßgeblich sei hier der sogenannte erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft. Danach können Klagen, bei denen es um die Feststellung eines Erbrechts geht, vor dem Gericht erhoben werden, bei dem der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte – beispielsweise bei Ansprüchen gegen Erben oder einen Erbschaftsbesitzer, Ansprüchen aus Vermächtnissen oder sonstigen Verfügungen von Todes wegen sowie von Pflichtteilsansprüchen. Dies gilt auch, solange sich der Nachlass noch ganz oder teilweise im Bezirk des Gerichts befindet oder die vorhandenen Erben noch als Gesamtschuldner haften, was im vorliegenden Fall unstreitig gegeben war.

Hinweis: Zur Vermeidung von Verzögerungen empfiehlt sich, die Zuständigkeit des Gerichts im Vorfeld genau zu prüfen. Im konkreten Fall sind zwischen Antragstellung und Entscheidung des OLG drei Monate vergangen, in denen es lediglich um die Frage der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts ging.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 22.03.2021 – 17 AR 3/21

Thema: Erbrecht

Sittenwidriges Testament: Gerichtlich bestellte Betreuer müssen ihre Aufgaben ohne Erwartung von Zuwendungen erfüllen

Die „pflegende Erbschleicherin“ hat es zu vielfachen Ruhm in diversen Thrillern geschafft. Dass erst jetzt ein Gesetzentwurf in Arbeit ist, der solch einem Treiben beruflicher Betreuer Einhalt gebieten soll, heißt aber nicht, dass es nicht bereits schon jetzt unter scharfer Beobachtung steht. Denn einem solchen sittenwidrigen Geschäft hat auch das Oberlandesgericht Celle (OLG) erst kürzlich ein klares „Nein!“ entgegengehalten.

In dem zu entscheidenden Fall war der nicht verheiratete und kinderlose Erblasser 2012 verstorben. Seit dem Jahr 2005 war für den Erblasser eine Berufsbetreuerin bestellt. Zu diesem Zeitpunkt war der Erblasser bis zu seinem Tod auf einer gerontopsychiatrischen Pflegestation untergebracht. Im Mai 2005 errichtete der Erblasser noch ein notarielles Testament, in dem er seine Berufsbetreuerin sowie einen „Seniorenbetreuer“, der gelegentliche Besorgungen für den Erblasser erledigte, hälftig zu Miterben einsetzte. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die zur Erbin berufene Berufsbetreuerin die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, den das Gericht jedoch rechtskräftig zurückwies. In der Folge wurde ein Nachlasspfleger eingesetzt, der mit der Ermittlung von Erben und der Sicherung des Nachlasses beauftragt war. Im Zuge dieser Tätigkeit kam es dann zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Nachlasspfleger und der Berufsbetreuerin, die in dieser Auseinandersetzung geltend machte, Miterbin nach dem verstorbenen Erblasser geworden zu sein.

Das OLG hat jedoch festgestellt, dass das notarielle Testament nicht nur wegen der damaligen Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam ist – darüber hinaus war das Testament auch wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Für die Prüfung der Sittenwidrigkeit komme es immer auf den konkreten Einzelfall an, wobei es nicht erforderlich sei, dass sich die Beteiligten bewusst darüber waren, dass das Rechtsgeschäft sittenwidrig sei. Es sei ebenso wenig erforderlich, dass mit dem Geschäft überhaupt eine Schädigungsabsicht verbunden sei. Ausreichend sei, dass der Handelnde die Tatsachen kenne, aus denen sich eine Sittenwidrigkeit objektiv ergeben könne. Ein Betreuer ist ein vom Vormundschaftsgericht gestellter staatlicher Beistand zur Fürsorge in rechtlichen und persönlichen Angelegenheiten. Aus diesem Grund muss von ihm auch erwartet werden, dass er seine Aufgabe auch ohne die Erwartung besonderer Zuwendungen von Seiten des Betreuten ausübt.

Hinweis: In einem aktuellen Gesetzentwurf zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ist ein Verbot vorgesehen, dass berufliche Betreuer Geld oder geldwerte Leistungen von den Betreuten annehmen dürfen.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 07.01.2021 – 6 U 22/20

 Thema: Erbrecht

Lückenhaftes Nachlassverzeichnis: Der Umfang der Ermittlungen über den Nachlassbestand steht nicht allein im Ermessen des Notars

Pflichtteilsberechtigte haben gegenüber den Erben einen Auskunftsanspruch, so dass diesen ermöglicht wird, sich Kenntnis zur Bemessung ihres Anspruchs zu verschaffen. Zu diesem Zweck kann die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangt werden. Welche Ermittlungen ein Notar zur Erstellung eines solchen Verzeichnisses anstellen muss und in welchem Maße er sich auf die Angaben der Erben verlassen darf, war Dreh- und Angelpunkt des folgenden Falls vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG).

Das erstinstanzliche Landgericht (LG) kam bereits zu dem Ergebnis, dass das erstellte Nachlassverzeichnis nicht den Mindestanforderungen entsprach, da es offensichtlich unvollständig war. Es fehlten beispielsweise Angaben zum Güterstand des Erblassers und zu wertbildenden Faktoren von Vermögensgegenständen. Zu den unentgeltlichen Verfügungen des Erblassers fehlten ferner Angaben zu einzelnen Daten, an denen diese Verfügungen vorgenommen wurden. Bei Wertpapierdepots fehlten Angaben zu der depotführenden Bank sowie solche zum Inhalt des Depots. Aus diesem Grund kam das LG zum Ergebnis, dass der Anspruch auf Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht erfüllt sei, weshalb auch nicht nur ein Anspruch auf Ergänzung einer bereits erteilten Auskunft bestand.

Dieser Bewertung schloss sich auch das OLG an. Das notarielle Nachlassverzeichnis solle eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten, als dies beispielsweise das private Verzeichnis der Erben erfülle. Aus diesem Grunde muss der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln sowie durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er dieses auch inhaltlich verantwortet. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.

Hinweis: Ist ein Nachlassverzeichnis auch nur geringfügig unvollständig, besteht ein Anspruch auf Vervollständigung des bereits erteilten notariellen Nachlassverzeichnisses.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 29.10.2020 – 6 U 34/20

Thema: Erbrecht

Gutachten in Kindschaftssachen: Korrekt vorgegangener Sachverständiger wird nicht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt

Ein wesentlicher Fokus in Kindschaftssachen (Umgangsregelungen, Klärung der elterlichen Sorge oder Herausgabe des Kindes an einen Elternteil) ist das Wohl des Kindes. Spätestens wenn es um die Frage geht, was dem Kindeswohl am ehesten entspricht, lässt es sich oft nicht vermeiden, einen Sachverständigen zu bemühen und zu beauftragen. Dass dieser jedoch die Probleme nicht immer löst, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Celle (OLG).

Hier hatten sich die Eltern gegenseitig mit einer Fülle von Anträgen bezüglich ihrer gemeinsamen Kinder überzogen. Das Gericht hatte zur Klärung einen Sachverständigen eingeschaltet. Der kam jedoch nicht zu dem von der Mutter erhofften Ergebnis. Daraufhin lehnte diese ihn wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da er sich im Vorfeld der Erstellung seines Gutachtens bei der entsprechenden Stelle erkundigt hatte, warum vereinbarte Elterngespräche gescheitert waren.

Das OLG kam dem Befangenheitsantrag jedoch nicht nach. Im Vorfeld hatten nämlich im Zuge der Sachverständigenbestellung die Eltern die diversen Stellen – unter anderem diejenige, die für die Elterngespräche zuständig war – dem Sachverständigen gegenüber von der Verschwiegenheitspflicht entbunden. Deshalb war es rechtens, dass die Stelle den Sachverständigen informierte, bei der er sich entsprechend erkundigt hatte.

Hinweis: Die Entscheidung betrifft einen Fall, in dem besonders heftig um die Kinder gestritten und mit einer Fülle von gerichtlichen Verfahren gerungen wurde. Es liegt an den am Verfahren Beteiligten, so etwas zu vermeiden. Es zeigt sich jedoch, dass mitunter nichts unversucht gelassen wird, um die eigenen Ziele zu erreichen, und dabei das Wohl des Kindes aus den Augen verloren wird.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 28.01.2020 – 10 WF 186/19

Thema: Familienrecht