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Schlagwort: OLG Celle

Kollision mit landwirtschaftlichem Gespann: Autofahrer trifft erhöhte Haftung bei unangepasster Geschwindigkeit bei Gegenverkehr und Dunkelheit

Wer meint, dass er bei Dunkelheit in einer ihm gut bekannten Gegend auch mal aufs Gas drücken kann, irrt. Denn nicht nur die Geschwindigkeitsüberschreitung an sich kann dem vermeintlich Ortskundigen zum Verhängnis werden – im Ernstfall ist das Wissen um örtliche Gegebenheiten ein weiterer Aspekt, den Gerichte wie das Oberlandesgericht Celle (OLG) bei der Bemessung des Schuldanteils in die Waagschale werfen.

Bei bestehender Dunkelheit kam es auf einer Gemeindestraße, die 4,95 m breit war und keine Fahrbahnmarkierungen aufwies, zu einem Unfall zwischen einem Pkw und einem landwirtschaftlichen Gespann. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger ermittelte eine Geschwindigkeit des Pkw-Fahrers von 75 bis 85 km/h bei erlaubten 80 km/h. Zudem stellte der Sachverständige fest, dass der Pkw-Fahrer weiter rechts hätte fahren können.

Das OLG hat deshalb einen Haftungsanteil des Pkw-Fahrers von 70 % angenommen. Hierbei berücksichtigte das Gericht, dass der Fahrer auf einer nur 4,95 m breiten Straße ohne Fahrbahnmarkierungen und nicht befestigtem Seitenstreifen sowie erkennbarem Gegenverkehr in einer leichten Rechtskurve selbst bei – unterstellten – 75 km/h zu schnell unterwegs war. Zudem musste der ortskundige Fahrer grundsätzlich mit landwirtschaftlichem Verkehr rechnen und hätte das entgegenkommende landwirtschaftliche Gespann rechtzeitig erkennen und seine Geschwindigkeit reduzieren können. Wäre er, wie es verlangt wird, auf Sicht gefahren, hätte er den Unfall vermeiden können. Ein Verschulden auf Seiten des Fahrers des landwirtschaftlichen Gespanns konnte hingegen nicht festgestellt werden, da es entsprechend den gesetzlichen Vorschriften beleuchtet und abgesichert war. Gleichwohl nahm das Gericht eine Mithaftung aus der Betriebsgefahr – also einer verschuldensunabhängigen Haftung – von 30 % an. Die Überbreite des Gespanns auf der schmalen Straße und seine Masse haben andere Verkehrsteilnehmer nennenswert gefährdet und hier konkret zu der Schwere des Unfalls beigetragen.

Hinweis: Bei Verkehrsunfällen, an dem Fahrzeuge beteiligt sind, ist regelmäßig zu prüfen, ob auf Seiten eines Verkehrsteilnehmers eine erhöhte Betriebsgefahr vorliegt. Diese kann durch besondere Umstände gegeben sein, wie die vorliegende Entscheidung zeigt. So wird in der Regel aufgrund der größeren Masse von Lkws oder landwirtschaftlichen Gespannen eine Betriebsgefahr von 30 % angenommen, während man bei Pkws in der Regel von 25 % ausgeht.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 04.03.2020 – 14 U 182/19

Thema: Verkehrsrecht

Bonussparvertrag als Schenkung: Im Pflegefall müssen Sparraten für die Enkel an das Sozialamt weitergeleitet werden

Viele Großeltern würden bekanntlich das sprichwörtlich letzte Hemd für ihre lieben Kleinen hergeben. Doch wenn es hart auf hart kommt und Oma oder Opa in ein Heim ziehen, kann das auch zu Lasten der Enkel gehen – zumindest, was Spareinlagen zu ihren Gunsten angeht. Mit einem derartigen Fall hatte das Oberlandesgericht Celle (OLG) zu tun.

Die alte Dame hatte bald nach der Geburt ihrer beiden Enkel angefangen, für diese jeweils 50 EUR pro Monat auf jeweils einem Bonussparvertrag einzuzahlen. Sie verfügte über eine eigene Rente von 1.250 EUR und nach dem Tod ihres Mannes über eine weitere von 540 EUR. Als sie ins Heim kam, vertrat das Sozialamt nun die Auffassung, dass es sich bei den Zahlungen an die Enkel um Schenkungen handle. Und sobald ein Schenker nach Vollzug der Schenkung nicht in der Lage sei, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten, könne er das Geschenk zurückfordern. Da die Heimkosten nunmehr höher als die Summe der Renten waren, lag ein Fall der Verarmung vor, den das Landratsamt nun als Träger der Differenzkosten geltend machte. Die Kinder bzw. deren Eltern machten hingegen geltend, die Oma habe mit den Schenkungen einer sittlichen Pflicht entsprochen bzw. einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht.

Doch dieser Argumentation schloss sich das OLG nicht an. Sittlich geboten sei es nicht, dass für die Enkel ein Sparvertrag über 50 EUR monatlich abgeschlossen wird. Sittlich geboten seien eher Geschenke zu den entsprechenden Feiertagen, um die es hier aber nicht ging und die die Kinder zudem zusätzlich erhielten. Das Verhalten der alten Dame entspreche zudem auch keiner auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass die Frau aufgrund ihrer geringen Einkünfte kaum selbst ein ausreichendes Auskommen habe. Die Zuwendungen der Großmutter mussten deshalb zurückgezahlt bzw. an das Landratsamt für die Heimkosten weitergeleitet werden.

Hinweis: Schenkungen wegen Verarmung des Schenkers sind allerdings nur auszugleichen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Schenkung und dem Eintritt der Bedürftigkeit weniger als zehn Jahre vergangen sind.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 13.02.2020 – 6 U 76/19

Thema: Familienrecht

Bei teilmittellosem Nachlass: OLG Celle hofft auf Grundsatzentscheidung des BGH zur Vergütung von Nachlasspflegern

Die Vergütung von Nachlasspflegern, die beispielsweise bei unbekannten (Mit-)Erben eingesetzt werden, ist gerade deshalb interessant, weil deren Vergütung vorrangig aus dem Nachlass erfolgen soll. Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Celle stand eine hierbei bislang gängige Praxis nun auf dem Prüfstand.

Ist ein Nachlass mittellos, richtet sich die Vergütung des Nachlasspflegers nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG). Die Frage, wie allerdings eine Abrechnung zu erfolgen hat, wenn der Nachlass nur teilmittellos ist, wird von der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird angenommen, dass ein Nachlass so lange als werthaltig betrachtet werden kann, wie liquide Mittel vorhanden sind. Dies führt in der Konsequenz dazu, dass Stundenverrechnungssätze der Nachlasspfleger aufgesplittet werden können. Denn wenn die liquiden Mittel nicht mehr ausreichen, muss die Vergütung auf die im VBVG festgelegten Stundensätze umgestellt werden.

Das OLG Celle hat in einer neuerlichen Entscheidung dieser Vorgehensweise eine Absage erteilt. Seiner Ansicht nach ist ein Nachlass erst dann als mittellos anzusehen, wenn die Vergütung aus dem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen gar nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufgebracht werden kann. Dies allerdings führe meist zu einer geringeren Vergütung der Nachlasspfleger auf der Basis des VBVG.

Hinweis: Da andere Gerichte die Abrechnung nach gespaltenen Stundensätzen zulassen – das OLG Frankfurt, das OLG Stuttgart und das OLG Düsseldorf -, hat das hier urteilende OLG die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen, um eine einheitliche Klärung dieser Rechtsfrage herbeizuführen.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 20.03.2020 – 6 W 142/19

Thema: Erbrecht

Die radelnde Achtjährige: Verfügen Kinder über Routine und Verständigkeit, sind auch sie schadensersatzpflichtig

Eltern, die der Meinung sind, ihr minderjähriges Kind sei in Sachen Schadensersatzforderungen altersbedingt fein raus, sollten die folgende Argumentation des Oberlandesgerichts Celle (OLG) berücksichtigen. Denn auch ein achtjähriges Kind kann zu Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet sein, wenn es nachweislich über die erforderliche Einsicht seines Handelns verfügt.

Während eines Ausflugs mit seinen Eltern radelte ein achtjähriges Kind eine Uferpromenade entlang. Während das Kind vorwärts fuhr, sah es sich über einen längeren Zeitraum nach hinten zu den Eltern um und steuerte dabei auf eine Fußgängerin zu. Bei dem Versuch, einen Zusammenstoß mit dem sich nähernden Kind zu verhindern, stürzte und verletzte sich die Frau. Die Eltern hatten ihrerseits versucht, ihr Kind – das noch eine Vollbremsung einleitete – durch Rufe zu warnen. Die Fußgängerin nahm das Kind und dessen Eltern auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Das OLG hat der Fußgängerin auch beides zugesprochen. Von sieben bis 17 Jahren haften Minderjährige für solche Schäden, die sie einem anderen zufügen, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besitzen. Hier kam es darauf an, ob einem altersgerecht entwickelten achtjährigen Kind, das bereits seit seinem fünften Lebensjahr regelmäßig – auch im Straßenverkehr – Rad fährt, bewusst sei, dass es während der Fahrt nach vorne schauen und nicht über einen längeren Zeitraum nach hinten blicken darf. Wenn das Kind hätte voraussehen können und müssen, dass seine Fahrweise auf der Promenade befindliche Fußgänger verletzen könne, habe es auch die Gefährlichkeit seines Handelns in der konkreten Situation erkennen und sich dieser Erkenntnis gemäß verhalten müssen. Das OLG war davon überzeugt, dass dem Kind zum Unfallzeitpunkt bewusst gewesen sei, dass es ein Fehler ist, während des Fahrradfahrens über einen längeren Zeitraum die Blickrichtung vom Fahrweg nach hinten abzuwenden. Das konkrete Verhalten des Kindes sei auch nicht aufgrund einer plötzlich auftretenden Situation reflexhaft ausgelöst worden.

Hinweis: In der Entscheidung hat das OLG noch einmal die Voraussetzungen dafür dargelegt, unter denen Kinder für von ihnen verursachte Schäden haften. Solange sie keine zehn Jahre alt sind, haften Kinder auch nicht für Schäden durch einen Unfall mit einem Kraftfahrzeug oder im Schienenverkehr. Nach dem Gesetz (§ 828 BGB) sind Minderjährige unter sieben Jahren für anderen zugefügte Schäden nicht verantwortlich. Von sieben bis 17 Jahren können Minderjährige jedoch durchaus für Schäden haften, bei denen sie die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht haben.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 19.02.2020 – 14 U 69/19

Thema: Verkehrsrecht

Unfall bei Familienfehde: Kein Schadensersatz für Beschädigung eines als Verkehrshindernis abgestellten Fahrzeugs

Es ist hinreichend bekannt, dass bei weitem nicht jeder imstande ist  im Straßenverkehr ruhig Blut zu wahren. Wer bei ungezähmter Gefühlslage der Meinung sein sollte, sein Fahrzeug als Hindernis einzusetzen, um einen Kontrahenten zu stellen, sollte sich in aller Ruhe die folgende Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (OLG) zu Gemüte führen.

Der Geschädigte dieses Falls machte Schadensersatzansprüche gegenüber einem anderen Fahrzeughalter geltend, der in einem gemieteten Wagen mit überhöhter Geschwindigkeit auf sein Fahrzeug aufgefahren war. Polizei und Staatsanwaltschaft haben den Unfall hingegen als eine provozierte Kollision nach einer Verfolgungsjagd im Rahmen einer familieninternen Auseinandersetzung gewertet. Dabei soll ein weiterer Fahrer mit seiner Limousine den Leihwagen verfolgt und zum Auffahren auf den zwischen einer Verkehrsinsel und dem Gehweg stehenden Wagen des Geschädigten getrieben haben, um diesen dann verprügeln zu können. Zuvor seien zudem von dem Limousinenfahrer und Begleitern Gleissteine auf den Leihwagen geworfen worden sein. Daraufhin sei dessen Fahrer geflohen. Der Geschädigte behauptete nun, dass der Mann infolge einer Unaufmerksamkeit und überhöhter Geschwindigkeit bei der Flucht auf seinen Wagen aufgefahren sei, als sein Bruder dabei war, diesen auf dem Seitenstreifen zu parken.

Sowohl das Landgericht als auch des OLG haben nach Anhörung der Beteiligten Schadensersatzansprüche des Geschädigten abgelehnt. Alle Richter hielten die Aussage des verfolgten Leihwagenfahrers für glaubhafter als die der anderen Zeugen. Die Gerichte gingen davon aus, dass es sich hierbei nicht um einen typischen Auffahrunfall handelte. Vielmehr bestand die berechtigte Annahme, dass es sich vielmehr um eine außer Kontrolle geratene Flucht handelte, die zu der Kollision mit dem Wagen führte, der bewusst als Hindernis aufgestellt worden war.

Hinweis: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung jener Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift (§ 7 StVG) schadlos gehalten werden soll. Die Schadensfolge muss also in den Bereich der Gefahren fallen, wegen der die Rechtsnorm überhaupt erst erlassen worden ist. Eine provozierte Kollision gehört dazu natürlich nicht.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 22.01.2020 – 14 U 173/19

Thema: Verkehrsrecht

Gemeinsame Veranlagung: Ist die gemeinsame steuerliche Belastung am günstigsten, darf sie nicht einseitig abgelehnt werden

Ehegatten können sich steuerlich gemeinsam veranlagen lassen. Das ist meist dann für sie von Vorteil, sobald sie unterschiedlich hohe Einkünfte erzielen, da sie dadurch von einem günstigeren Steuersatz profitieren. Ob sich der eine Ehegatte jedoch damit abfinden muss, wenn der andere die gemeinsame Veranlagung verweigert, war im Folgenden Sache des Oberlandesgerichts Celle (OLG).

In dem betreffenden Fall trennten sich die Ehegatten 2014. Somit konnten sie noch bis einschließlich 2014 eine gemeinsame Steuererklärung abgeben, was der Mann aber ablehnte. Daher forderte die Frau gerichtlich die Mitwirkung zur gemeinsamen Steuererklärung ein. Als der Mann mitteilte, gegen ihn seien für die letzten beiden maßgeblichen Jahre 2013 und 2014 bereits bestandskräftige Steuerbescheide erlassen worden, stellte die Frau ihr Begehren um: Nun verlangte sie, dass der Mann ihr ihre steuerliche Mehrbelastung zu ersetzen habe.

Das OLG gab der Frau durchaus Recht und verpflichtete den Mann zur Zahlung. Die Möglichkeit, bis zu dem Jahr die gemeinsame steuerliche Veranlagung zu wählen, in dem die Trennung erfolgt, korrespondiere mit der entsprechenden Pflicht, wenn dies ein Ehegatte vom anderen berechtigterweise verlangt. Berechtigt ist das Verlangen, wenn durch die gemeinsame Veranlagung die steuerliche Gesamtbelastung der Ehegatten niedriger ist als die Summe der je individuellen Steuerlast bei getrennter Veranlagung. Das war im zur Entscheidung anstehenden Fall gegeben.

Hinweis: Steuerliche Fragen spielen naturgemäß auch bei der Bestimmung des zu zahlenden Unterhalts eine wichtige Rolle. Wird beispielsweise in der gemeinsamen Zeit der Mann nach Steuerklasse III veranlagt und die Frau nach Steuerklasse V und bleiben die Kinder nach der Trennung bei der Frau, kommt der Mann im Kalenderjahr nach der Trennung in Steuerklasse I, während die Frau nach Steuerklasse II veranlagt wird. Es ist darauf zu achten, dies bei der Unterhaltsberechnung rechtzeitig zu berücksichtigen.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 02.04.2019 – 21 UF 119/18

Thema: Familienrecht

Blinkendes Andreaskreuz: Kraftfahrer sind bei einsetzendem Warnsignal nicht zu einer Gewalt- oder Notbremsung verpflichtet

Ab wann bei einem blinkenden Andreaskreuz von einem sogenannten kritischen Punkt ausgegangen werden kann, bei dessen Überschreitung nicht mehr gefahrlos angehalten werden könne, klärt das Oberlandesgerichts Celle (OLG).

Ein Autofahrer fuhr innerorts, als er bemerkte, dass die Lichtzeichenanlage an einem Bahnübergang gelbes Blinklicht zeigte. Dennoch überfuhr er den Bahnübergang, nachdem die Lichtzeichenanlage nunmehr auf Rot geschaltet hatte. Er wurde deshalb vom Amtsgericht (AG) wegen Verstoßes gegen die Wartepflicht an einem Bahnübergang zu einer Geldbuße und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Gegen diese bittere Pille zog der Mann vor das OLG, und er hatte Glück – zumindest vorerst.

Das OLG hielt die eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen nämlich durchaus für begründet. Nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung haben Fahrzeuge an Bahnübergängen vor dem Andreaskreuz zu warten, wenn rotes Blinklicht oder gelbe oder rote Lichtzeichen gegeben werden. Ein Verstoß gegen das Gebot zum Anhalten liegt nur vor, wenn der Fahrer bei mittelstarker Bremsung (Bremsverzögerung 4 m/s²) noch vor dem Andreaskreuz gefahrlos anhalten kann. Hat ein Fahrer bei Beginn des gelben Lichtzeichens aber bereits den kritischen Punkt überschritten, bei dem sein Anhalteweg über das Andreaskreuz hinausreicht, darf er seine Fahrt über den Bahnübergang hinweg fortsetzen, wobei er diesen zügig zu überqueren hat. Daraus folgt, dass das AG Feststellungen über die Entfernung des Betroffenen von der Haltelinie bzw. dem Andreaskreuz zu Beginn der Gelbphase und zu der vom Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit hätte treffen müssen, um eine Zuwiderhandlung annehmen zu können. Da dies nicht erfolgt ist, war das Verfahren durch das OLG an diese Vorinstanz zurückzuverweisen.

Hinweis: Für Ampeln ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Kraftfahrer beim Umschalten des Wechsellichtzeichens von grün auf gelb nur dann anhalten muss, wenn er mit einer mittleren Bremsung noch vor der Haltelinie zum Stehen kommen kann. Zum starken Bremsen oder einer Gewalt- oder Notbremsung ist der Kraftfahrer dagegen nicht verpflichtet. Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung auf das Fahrverhalten bei Lichtzeichen an Bahnübergängen übertragen.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 31.01.2019 – 3 Ss (Owi) 14/19

Thema: Verkehrsrecht

Ungenauer Gewerbemietvertrag: Um sämtliche Betriebskosten auf Mieter übertragen zu können, muss der Vertrag diese klar bestimmen

In Mietverträgen über Gewerberäume gelten zwar andere Regeln als bei Wohnraummietverträgen. Trotzdem müssen die Vertragsklauseln auch hier eindeutig sein. Wenn notwendige Details außer Acht gelassen werden, landen Unklarheiten schnell vor Gericht – im folgenden Fall vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG).

Nach einem Gewerbemietvertrag waren sämtliche Betriebskosten von der Mieterin zu tragen. Darunter sollten insbesondere die Kosten der Be- und Entwässerung sowie der Heizung einschließlich Zählermiete und Wartungskosten fallen. Der Vermieter verlangte jedoch zusätzlich die Zahlung der Grundsteuern. Er meinte, schließlich seien sämtliche Betriebskosten nach dem Mietvertrag umgelegt, auch wenn nur einzelne Kosten ausdrücklich genannt seien. Schließlich trafen sich die Parteien vor dem OLG.

Und eben jenes teilte die Auffassung der Gewerbemieterin, dass die Klausel im Mietvertrag inhaltlich nicht bestimmt genug war. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bedarf es einer ausdrücklichen und inhaltlich bestimmten Regelung, aus der sich ergibt, dass der Mieter neben der Grundmiete ganz oder anteilig Betriebskosten zu tragen hat. Auch ist es möglich, auf § 2 der Betriebskostenverordnung zu verweisen. Beides lag jedoch nicht vor. Deshalb hat der Vermieter den Rechtsstreit verloren.

Hinweis: Das Urteil überrascht, denn Mieter von Gewerberäumen sind generell wesentlich weniger schützenswert als Privatpersonen. Eine in einem Gewerberaummietvertrag enthaltene Regelung über die Umlage von Betriebskosten, nach der sämtliche Betriebskosten vom Mieter getragen werden müssen, genügt nach diesem Urteil nicht dem Bestimmtheitsgebot und ist somit unwirksam. Es wurde zwar Revision vor dem BGH gegen das Urteil eingelegt, vieles spricht allerdings für die Richtigkeit der OLG-Entscheidung.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 09.11.2018 – 2 U 81/18

Thema: Mietrecht

Benutzung ist entscheidend: OLG Celle widerspricht der Auffassung, dass bloßes Halten eines Handys am Steuer zur Geldbuße führt

Ob bereits das bloße Halten eines Handys oder nur eine Bedienung des Mobiltelefons zu einem Bußgeld von 100 EUR führt, musste das Oberlandesgericht Celle (OLG) klären.

Ein Autofahrer benutzte während der Fahrt augenscheinlich sein Mobiltelefon, indem er dieses in seiner Hand hielt. Eine Zeugin konnte allerdings nicht bekunden, ob der Betroffene dabei Sprechbewegungen gemacht hat oder nicht. Das jedoch war dem erstinstanzlichen Amtsgericht (AG) egal – es verurteilte den Betroffenen wegen vorschriftswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes (Mobiltelefon) als Führer eines Kraftfahrzeugs zu einer Geldbuße von 100 EUR. Das wollte sich der Verurteilte jedoch nicht gefallen lassen und klagte dagegen – mit Erfolg.

Das OLG sah den Fall nämlich anders als das AG. Allein durch das Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Geräts, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, begeht der Führer eines Kraftfahrzeugs während der Fahrt noch keine Ordnungswidrigkeit. Es muss vielmehr auch eine über das bloße Halten hinausgehende Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen. Die entsprechende Vorschrift regelt, unter welchen Bedingungen die Benutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt erlaubt ist, und verbietet das Aufnehmen oder Halten des Geräts zu diesem Zweck. Fehlt es hingegen am Element einer solchen Benutzung, unterfällt auch das Aufnehmen oder Halten nicht dem Verbot.

Hinweis: Die Frage, ob nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung bereits das bloße Halten eines elektronischen Geräts ausreicht, um den Bußgeldtatbestand zu verwirklichen, ist in der Fachliteratur umstritten und wurde bislang – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht entschieden. Der Auffassung, die einen Verstoß bereits dann annimmt, wenn das elektronische Gerät in der Hand gehalten wird, vermag das OLG nicht zu folgen. Denn diese sei seiner Ansicht nach nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar. Deshalb kann nach Auffassung der Richter nicht allein das Aufnehmen oder Halten des Geräts ein Benutzen im Sinne der Vorschrift ausmachen. Hinzukommen muss vielmehr irgendein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer der Bedienfunktionen des Geräts, also mit seiner Bestimmung zur Kommunikation, Information oder Organisation.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 07.02.2019 – 3 Ss (OWi) 8/19

Thema: Verkehrsrecht

Reiserücktrittsversicherer muss zahlen: Eine starke Durchfallerkrankung ist ein gerechtfertigter Grund, vom Reiseantritt abzusehen

Da auf eine Reise oft lange gespart wird und auch immer etwas dazwischen kommen kann, sollte auf eine Reiserücktrittsversicherung aus Kostengründen besser nicht verzichtet werden. Dass im Ernstfall ein verhinderter Reisender und sein Versicherer jedoch völlig unterschiedliche Auffassungen über eine Reise(un)fähigkeit vertreten können, beschäftigte im folgenden Fall das Oberlandesgericht Celle (OLG).

Es ging um eine Flugreise, die ein Mann mit zeitgleichem Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung gebucht hatte. Diese sollte sich bewähren, denn am Tag seines Abflugs litt er an einer starken Durchfallerkrankung, durch die er sich außerstande sah, die Reise anzutreten. Umso erstaunter war der Mann, als seine Reiserücktrittsversicherung lapidar meinte, dass ihm die Reise durchaus zuzumuten gewesen wäre. Schließlich hätte es sowohl während des Flugs Toiletten gegeben als auch am Urlaubsort. Da war nicht nur der Versicherte baff – auch das OLG konnte dieser Argumentation nicht folgen.

Laut OLG lag hier ein klarer Versicherungsfall für die Reiserücktrittsversicherung vor, denn der Versicherte war von einer unerwarteten schweren Erkrankung betroffen. Bei der Beurteilung der Erkrankung kommt es nicht auf eine konkrete ärztliche Diagnose an, sondern auf das Vorliegen einer krankheitsbedingten Symptomatik, die den Antritt einer Flugreise unzumutbar erscheinen lässt. Und da fast ein jeder schon einmal diese missliche Erfahrung einer Durchfallerkrankung machen musste, war hier klar: Die Versicherung musste zahlen.

Hinweis: Eine Reiserücktrittsversicherung muss also zahlen, wenn der Reisende an einer starken Durchfallerkrankung leidet. Die Versicherung kann sich ab sofort hierbei nicht mehr herausreden.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 03.12.2018 – 8 U 165/18

Thema: Sonstiges