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Schlagwort: OLG Düsseldorf

Keine zeitliche Komponente: Oberlandesgericht unterscheidet „gemeinsames Ableben“ von „gleichzeitigem Ableben“

Einmal mehr hatte sich ein Gericht – hier das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) – mit einer testamentarischen Formulierung auseinanderzusetzen und diese rechtskonform auszulegen. Und einmal mehr ist hiernach klar: Je deutlicher ein Testament formuliert ist, desto sicherer ist es, dass der eigene letzte Wille auch so umgesetzt wird, wie man ihn gemeint hat.

Die Eheleute dieses Falls hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. Darüber hinaus enthielt das Testament eine Regelung, dass im Fall eines „gemeinsamen Ablebens“ die Nichten der Eheleute zu Erben berufen werden. Im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens war streitig, ob es sich bei der Formulierung „im Fall eines gemeinsamen Ablebens“ um eine wirksame Schlusserbeneinsetzung handelt. Wäre dies nicht der Fall, wäre nach dem Tod des überlebenden Ehemannes die gesetzliche Erbfolge zu berücksichtigen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in einer jüngeren Entscheidung geurteilt, dass aus der Formulierung „für den Fall des gleichzeitigen Ablebens“ durchaus keinerlei Hinweise auf eine Schlusserbeneinsetzung hergeleitet werden können. Anders sei es aber laut OLG bei der hier gewählten Formulierung. Eine Auslegung des Testaments ergebe, dass der Begriff „gemeinsam“ keine zeitliche Komponente enthalte, wie es im Fall des BGH angenommen wurde, sondern vielmehr in dem Sinne „wenn beide verstorben sind“ zu verstehen sei. Bei dieser Auslegung handelt es sich dann um eine wirksame Schlusserbeneinsetzung.

Hinweis: Zur Vermeidung einer Auslegung des Testaments hinsichtlich der Absicht einer Schlusserbeneinsetzung, die auch zu ungewünschten Ergebnissen führen kann, empfiehlt es sich, den Willen klar und unmissverständlich zu formulieren (z.B. „für den Fall, dass der Überlebende von uns verstirbt …“).

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.04.2021 – 3 Wx 193/20

Thema: Erbrecht

Veränderung der Sach- und Rechtslage : Laufende Verfahren zur Erbsache gelten mit Tod des Vorerben in der Hauptsache als erledigt

Die Regelungen zu Vor- und Nacherbschaften sind komplex. Was passiert, wenn ein Vorerbe verstirbt, der sich noch inmitten eines Beschwerdeverfahrens zur ursprünglichen Erbsache befindet, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) klarstellen.

Bei einer angeordneten Vor- und Nacherbschaft kann der Vorerbe einen sogenannten Vorerbenerbschein beantragen, um die aktuelle Rechtslage feststellen zu lassen. Hier hatte die Vorerbin einen solchen Vorerbenerbschein beantragt und nach dem Erlass gegen diesen aus ihrer Sicht fehlerhaften Erbschein Beschwerde eingelegt. Doch noch während des laufenden Beschwerdeverfahrens verstarb die Frau. Deren Erbe war nun der Ansicht, das Beschwerdeverfahren mit dem gleichen Antrag fortsetzen zu können.

Dieser Ansicht erteilte das OLG jedoch eine Absage. Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen auch das Erbscheinsverfahren zählt, sind in der Hauptsache anerkanntermaßen erledigt, sobald nach dessen Einleitung der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis weggefallen ist, das eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt. Im Erbscheinserteilungsverfahren bildet der Erbscheinsantrag den Verfahrensgegenstand, an den das Nachlassgericht grundsätzlich strikt gebunden ist. Dem Erben war es daher nicht möglich, das Verfahren mit dem ursprünglichen Antrag der Vorerbin zur Feststellung der „aktuellen“ Rechtslage fortzuführen.

Hinweis: Möglich wäre gewesen, die Beschwerde auf die Frage der Kostentragungspflicht zu begrenzen oder aber auf einen sogenannten Fortsetzungsfeststellungsantrag mit dem Ziel der Feststellung der beendeten Rechtslage umzustellen.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.05.2021 – 3 Wx 110/20

Thema: Erbrecht

Langwierige Unfallauswirkungen: Vorsicht: Rechtskraft des Urteils im Vorprozess kann erneutem Schadensersatzanspruch entgegenstehen

Verkehrsunfälle können lebenslange Folgen nach sich ziehen. Wie eine Schadensersatzklage genau vorzunehmen ist, um nicht nur bekannte und absehbare, sondern vor allem auch langwierige Auswirkungen zu mildern, mussten die Beteiligten des folgenden Falls lernen, der vom Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) entschieden wurde.

Die Klägerin begehrte die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes wegen einer psychischen Erkrankung, die sie auf einen tödlichen Verkehrsunfall ihres Ehemannes zurückführt. Die Frau hatte bereits im Jahr 2007 die Beklagten vor dem Landgericht Duisburg (LG) unter anderem auf Schmerzensgeld wegen infolge des Unfalls erlittener psychischer Beeinträchtigungen in Anspruch genommen. Das LG hatte ihr daraufhin auch ein Schmerzensgeld von 5.000 EUR zugesprochen. 2013 und 2017 begab sich die Klägerin wegen der psychischen Erkrankung erneut in ärztliche Behandlung und verlangte deshalb nun ein weiteres Schmerzensgeld.

Das OLG hat den Antrag jedoch abgewiesen, weil die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess einem weitergehenden Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes entgegensteht. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes ist die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes in einer ganzheitlichen Betrachtung zu bemessen. Dies bezieht die den Schadenfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbilds mit ein. Lediglich Verletzungsfolgen, die zum Beurteilungszeitpunkt von dem Klageantrag nicht umfasst waren, können die Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld und den Gegenstand eines Feststellungsantrags bilden. Dies war hier nicht der Fall, da die weitere Behandlung bereits im Vorprozess absehbar war.

Hinweis: Durch den Klageantrag auf uneingeschränktes Schmerzensgeld werden diejenigen Schadensfolgen erfasst, die bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnten. Sollte absehbar sein, dass sich die Behandlung hinzieht und möglicherweise auch weitere Operationen und/oder Therapien erforderlich werden, sollte stattdessen eine offene Teilklage geltend gemacht werden. Nur so können künftige Ansprüche noch geltend gemacht werden.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.04.2021 – 1 U 152/20

Thema: Verkehrsrecht

Eigene Verfügungen ausschlaggebend: Wann ein gemeinschaftliches Testament kein wirksames Testament mehr darstellt

Ehegatten können handschriftlich ein gemeinschaftliches Testament errichten. Hierfür ist erforderlich, dass in dem Testament Verfügungen beider Ehegatten enthalten sind – unabhängig davon, ob sie wechselseitig oder einseitig gewollt sind. Problematisch wird es, wenn ein Testament vom Ehegatten des Erblassers (mit-)geschrieben und von beiden unterzeichnet wird, dieses Testament aber keine eigenen letztwilligen Verfügungen des Schreibenden enthält. Mit einem solchen Fall hatte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) zu beschäftigen.

Die Ehegatten hatten abwechselnd ein Testament auf Papier niedergeschrieben und unterschrieben, das in der Ich-Form formulierte Verfügungen des Erblassers enthielt, die aber von dessen Ehefrau handschriftlich verfasst waren. Da diese handschriftliche Verfügung eine zuvor aufgesetzte notarielle Verfügung aufheben sollte, stritten sich die Erben nun über die Wirksamkeit dieses handschriftlichen Testaments.

Das OLG kam bei der Auslegung des Testaments zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um ein gemeinschaftliches Testament der Eheleute gehandelt habe, da es lediglich Verfügungen eines der beiden Ehegatten enthielt. Damit fehlte es an einem wirksamen gemeinschaftlichen Testament. Das Gericht prüfte darüber hinaus, ob der Text in ein wirksames Einzeltestament des Erblassers hätte umgedeutet werden können. Dies hätte zu einer Wirksamkeit aber erforderlich gemacht, dass der Text des Testaments von dem Erblasser persönlich erstellt wurde – was vorliegend nicht der Fall war. Die maßgeblichen Passagen waren von dessen Ehefrau verfasst worden.

Hinweis: Eheleute können ein privatschriftliches Testament gemeinschaftlich errichten. Hierfür ist es generell ausreichend, dass nur ein Ehegatte den Text des Testaments niederschreibt und beide Eheleute diesen dann handschriftlich unterzeichnen – nur müssen eben auch die Feinheiten der Form halber gewahrt werden!

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.04.2021 – I-3 Wx 219/20

 Thema: Erbrecht

Auslegung bei privatschriftlichem Testament: Anordnungen des Erblassers zu Vor- und Nacherbschaft müssen objektiv erkennbar sein

Im folgenden Erbschaftsfall waren Erben der Meinung, dass ihre verstorbene Mutter in ihrer Funktion als Vorerbin einem Irrtum unterlegen sei, und baten das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) um Hilfe. Dieses prüfte das Testament und kam schließlich zu einem eindeutigen Ergebnis.

Der Erblasser hatte im Jahr 2013 ein handschriftliches Testament erstellt und verfügt, dass seine Ehefrau, mit der er in zweiter Ehe zusammenlebte, sowohl die Wohnung einschließlich der Einrichtung erhalten als auch über sein gesamtes Vermögen verfügen solle. Nach dem Tod seiner Ehefrau solle seine Tochter aus erster Ehe schließlich alles erhalten, was noch geblieben sei. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Ehefrau einen Erbschein als Alleinerbin. Doch vor Erteilung eines Erbscheins verstarb auch sie. Deren Kinder fochten daraufhin die Annahme der Vorerbschaft an und schlugen zugleich die Erbschaft wegen der Beschränkungen durch die Nacherbschaft als Erben für ihre Mutter aus. Sie beriefen sich darauf, dass aus der testamentarischen Anordnung eine Vor- und Nacherbschaft nicht erkennbar gewesen sei und sich die Mutter daher in einem beachtlichen Rechtsirrtum hinsichtlich ihrer eigenen Erbenstellung befunden habe. Die Kinder selbst hätten erst nach dem Tod der Mutter durch eine Verfügung des Nachlassgerichts davon erfahren, dass hier eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet worden sein könnte.

Das OLG kam jedoch zu der eindeutigen Einschätzung, dass die Verfügung des Erblassers in seinem Testament durchaus die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft beinhaltete. Eine solche ist immer dann anzunehmen, wenn der Nachlass nach einem Erben an eine bestimmte Person gehen soll. Ein maßgebliches Kriterium zur Auslegung ist dabei, ob der Erblasser bei Einsetzung mehrerer Personen zumindest einen zweimaligen Anfall der Erbschaft herbeiführen wollte – zeitlich nacheinander versetzt. Erforderlich ist dabei nicht, dass im zweiten Erbfall noch ein wirtschaftlich werthaltiger Nachlass existiert.

Hinweis: Es ist möglich, dass gesetzliche Erben des Vorerben nach Eintritt des Nacherbfalls noch den Anfall der Vorerbschaft an ihren Rechtsvorgänger (hier die Mutter) ausschlagen – innerhalb der Ausschlagungsfrist von sechs Wochen ab Kenntnis von der Erbenstellung. Das OLG war an diesem Punkt der Ansicht, dass hier kein beachtlicher Irrtum vorgelegen habe, da die Anordnungen des Erblassers objektiv betrachtet derart eindeutig waren, dass sich auch die Ehefrau über die sich ergebenden Folgen klar gewesen sein musste. Insoweit konnten sich die Kinder nicht darauf berufen, erst spät von der Vor- und Nacherbschaft Kenntnis erhalten zu haben.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.03.2021 – I-3 Wx 197/20

Thema: Erbrecht

Elterliche Sorge: Kindesrückführung nach Frankreich in Coronazeiten

Steht Eltern gemeinsam die elterliche Sorge über ihre minderjährigen Kinder zu, haben sie sich zu einigen, wo das Kind nach ihrer Trennung lebt. Das gilt umso mehr in Fällen einer Grenzüberschreitung. Ob die derzeitige Infektionslage in den Ländern eine besondere Situation darstellt, die die bisherige Rechtslage ändert, musste nun das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) entscheiden.

Die nicht miteinander verheirateten Eltern lebten in Frankreich und teilten sich für ihr minderjähriges Kind die gemeinsame elterliche Sorge. Als es dann zur Trennung kam, nahm die Mutter diese zum Anlass, mit dem Kind nach Deutschland zu ziehen. Der Vater beantragte die Rückführung des Kindes nach Frankreich.

Dem Antrag wäre unter normalen Umständen problemlos stattzugeben gewesen. Denn schließlich war der bisherige gemeinsame Wohnsitz und vor allem auch der Wohnsitz des Kindes in Frankreich. Es besteht kein Recht, das im Fall der Trennung so ohne weiteres zu ändern. Der wegziehende Elternteil war also nicht befugt, eigenmächtig bei einem eigenen Umzug nach Deutschland das Kind einfach mitzunehmen. Dazu hätte es vorab entweder einer gerichtlichen Entscheidung oder der Zustimmung des anderen Elternteils bedurft, an der es aber gerade fehlte. Galt nun vorliegend anderes, weil das Coronainfektionsgeschehen Frankreichs anders dasteht als das in Deutschland?

Diese Frage hat das OLG verneint. Für eine Befürwortung müsste die Lage in Frankreich eine konkrete schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind darstellen. Das sei aber nicht der Fall, da der überwiegende Teil der französischen Bevölkerung nicht infiziert sei und die dortigen Schutzmaßnahmen das Risiko der Infektion minimieren. Die Mutter hatte das Kind deshalb wieder nach Frankreich zu bringen.

Hinweis: Generell gilt, dass Corona tendenziell keinen Einfluss auf Kindschaftsfragen hat. So kann auch Umgang mit den Kindern nicht mit dem Argument verweigert werden, es bestehe die Gefahr einer Infektion, solange die bekannten Schutzmaßnahmen eingehalten werden.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.12.2020 – 1 UF 172/20

Thema: Familienrecht

Kein Nachrücken von Abkömmlingen: Klare Nacherbenregelung empfiehlt sich, wenn der eigentliche Erbe kein Abkömmling des Erblassers ist

Auch wenn der Titel „Mein letzter Wille“ es im eigentlichen Wortsinn ausschließt, empfielt es sich dennoch, dabei stets noch einen Schritt weiter zu denken. Zwar kennt das Gesetz die Regel, nach der im Zweifel davon auszugehen ist, dass ein Erblasser beabsichtigt, dass bei einem Vorversterben seines berücksichtigten Abkömmlings dessen eigene Abkömmlinge an seine Stelle treten sollen. Dass bei unklaren Regelungen ein Gericht im Streitfall allerdings auch zu einem anderen Ergebnis kommen kann, zeigt das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) mit seinem folgenden Beschluss.

Die unverheiratete Erblasserin dieses Falls hatte selbst keine Abkömmlinge. Es existierte eine ältere Halbschwester, die ihrerseits zwei Kinder hatte. Im Jahr 1997 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament und setzte ihre Nichte und ihren Neffen zu gleichen Teilen als Miterben ein. Abgesehen von einer Grabpflegeanordnung wurden keine weiteren Verfügungen getroffen. Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin war der Neffe bereits vorverstorben. Dessen Kinder waren nun der Ansicht, als Abkömmlinge ihres vorverstorbenen Vaters als dessen gesetzliche Erben an seine Stelle getreten zu sein.

Dieser Ansicht schloss sich das OLG jedoch nicht an. Die Zweifelsregel sei unmittelbar auf den Fall nicht anwendbar, da es sich bei den testamentarischen Erben nicht um Abkömmlinge der eigentlichen Erblasserin gehandelt habe. Aber auch aus einer Auslegung des Testaments sei nicht der Wille der Erblasserin zu entnehmen, dass ein „Nachrücken“ der Kinder des Neffen gewollt war. Bei der Auslegung kommt es darauf an, ob der Neffe der Erblasserin um seiner Person willen als Erbe eingesetzt wurde oder als „Erster seines Stamms“ berufen wurde. Die Umstände des Einzelfalls führten das OLG in diesem Fall zur Ansicht, dass hier keine Umstände festgestellt werden konnten, die eine Bestimmung eines Ersatzerben rechtfertigen konnten. Das Gericht ging daher von einer sogenannten Anwachsung bei der verbliebenen Miterbin aus.

Hinweis: Schwebt dem Erblasser ein konkreter Erbe vor, der um seiner Person willen berufen werden soll, empfiehlt es sich, für den Fall des Vorversterbens des Erben auch eine mögliche Bestellung eines Ersatzerben oder alternativ die gesetzliche Erbfolge nach dem vorverstorbenen Erben in Erwägung zu ziehen.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.01.2021 – 3 Wx 132/20

Thema: Erbrecht

Wechselbezüglichkeit ist entscheidend: Nicht jede Verfügung im gemeinschaftlichen Testament entfaltet eine automatische Bindungswirkung

Errichten Ehepartner ein gemeinschaftliches Testament, haben wechselbezügliche Verfügungen eine Bindungswirkung. Grundsätzlich können diese nach dem Tod eines Ehegatten nicht mehr einseitig abgeändert werden. Dass jedoch nicht jede darin getroffene Verfügung diese bindende Wechselbezüglichkeit bedingt, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG).

Der Erblasser hatte mit seiner bereits verstorbenen ersten Ehefrau im Jahr 1998 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. Darüber hinaus haben sie bestimmt, dass nach dem Tod beider Ehegatten für die fünf Kinder die gesetzliche Erbfolge gelten solle. Nach dem Tod seiner Ehefrau hat der Erblasser erneut geheiratet und in einem späteren notariellen Testament im Jahr 2014 seine zweite Ehefrau hälftig zur Erbin, seine Kinder zu jeweils einem Zehntel Anteil als Erben eingesetzt. Des Weiteren wurde eine Testamentsvollstreckung angeordnet. Die überlebende Ehefrau beantragte den Erlass eines Erbscheins auf der Basis des zuletzt errichteten notariellen Testaments. Eine Tochter des Erblassers war jedoch der Ansicht, dass ein Erbschein auf der Basis des ursprünglich errichteten gemeinschaftlichen Testaments zu erteilen sei.

Das OLG hat ausgeführt, dass die Regelung in dem gemeinschaftlichen Testament, dass nach dem Tod der Eheleute die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten solle, keine wechselbezügliche Verfügung sei. Dies könne nur für solche Verfügungen angenommen werden, die ein Ehegatte nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen hätte. Es widerspreche laut OLG der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Eltern ihre gemeinsamen Kinder nur mit Rücksicht auf die Verfügung des anderen Elternteils einsetzen. Mangels eben jener entscheidenden Wechselbezüglichkeit konnte der Erblasser hier auch nach der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments eine hiervon abweichende Verfügung treffen. Dabei stellte das Gericht jedoch auch fest, dass diese im Verhältnis zu den Kindern – mit Ausnahme der Anordnung der Testamentsvollstreckung – keine Änderung ergab.

Hinweis: Wollen Ehegatten die Bindungswirkung vermeiden, sollten sie sich im Rahmen der Abfassung des Testaments das Recht zur Abänderung nach dem Tod des Erstversterbenden vorbehalten.
 
 

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.01.2021 – I-3 Wx 245/19

Thema: Erbrecht

Auslegung eines Testaments: OLG sieht Unterschied in der Formulierung von „Abkömmlingen“ und „Verwandten“

Immer wieder ist es an den Gerichten, missverständliche Testamentsformulierungen so zu interpretieren, wie es der oder die Erblasser einst mutmaßlich intendiert hatten. Ein recht einleuchtendes Beispiel einer solchen Auslegung lieferte das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG).

Der 1926 geborene Erblasser und seine 1930 geborene Ehefrau hatten keine gemeinsamen Kinder und auch jeder für sich keine eigenen Abkömmlinge. Sie haben im Jahr 2011 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Darüber hinaus haben sie verfügt: „Nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten sollen unsere gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Teilen die Erben sein.“ Nach dem Tod des Erblassers beantragten die Erben zweiter Ordnung (Abkömmlinge der Eltern des Erblassers) einen gemeinschaftlichen Erbschein mit der Begründung, dass das Testament so auszulegen sei, dass die jeweiligen gesetzlichen Erben Schlusserben zu gleichen Teilen sein sollten.

Dieser Auslegung konnte sich das OLG jedoch nicht anschließen. Für eine Auslegung, dass die Eheleute die Begriffe „Abkömmlinge“ und „Verwandte“ gleich verwendet haben, gab es keinerlei Anhaltspunkte. Vor allem die Verwendung des Begriffs „gemeinsam“ spricht dagegen, dass hiermit die jeweiligen Verwandten der Eheleute gemeint gewesen sein könnten. Laienhaft sei es den Erblassern vermutlich nur darauf angekommen, sich wechselseitig zu Alleinerben einzusetzen.

Hinweis: Missverständliche Regelungen sollten bei der Abfassung einer Verfügung unter allen Umständen vermieden werden. Nutzen Sie daher rechtzeitig die Expertise erbrechtlicher Fachleute, bevor die Verteilung Ihres Erbes von der Auslegung der Gerichte abhängt.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.12.2020 – III-3 Wx 215/19

 Thema: Erbrecht

Falsche Überschuldungsannahme: Eigenschaftsirrtum berechtigt zur Anfechtung einer Erbschaftsausschlagung

Die Ausschlagung einer Erbschaft ist grundsätzlich eine bindende Erklärung. Nur in Ausnahmefällen soll der Ausschlagende noch die Möglichkeit haben, diese Erklärung durch eine Anfechtung nachträglich wieder zu beseitigen. Unter welchen besonderen Umständen dies möglich ist, war Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG).

Der Erblasser war im Jahr 2018 von der Polizei tot in einer völlig vermüllten und verdreckten Wohnung aufgefunden worden. Die Bestattung ist aus öffentlicher Hand gezahlt worden. Der potentielle Erbe wurde von der Polizei ermittelt, die ihm davon abgeraten hatte, sich um die Räumung der Wohnung zu kümmern, da diese sich in einem „erbarmungswürdigen“ Zustand befunden habe und umherliegende Rechnungen und Mahnungen darauf hindeuten würden, dass erhebliche Nachlassverbindlichkeiten bestünden. Werthaltige Gegenstände haben sich laut Polizei nicht in der Wohnung befunden. Dem potentiellen Erben war durch das Nachlassgericht bekannt, dass Nachlassverbindlichkeiten bestanden und die Bezahlung der Bestattung durch die öffentliche Hand erfolgt ist.

Nachdem der potentielle Erbe die Ausschlagung der Erbschaft erklärt hatte, wurde er allerdings davon in Kenntnis gesetzt, dass der Erblasser über ein nicht unerhebliches Vermögen verfügte. Nunmehr erklärte er die Anfechtung der Erbschaftsausschlagungserklärung mit der Begründung, dass er sich über die Werthaltigkeit des Nachlasses geirrt habe, und beantragte einen entsprechenden Erbschein. Das Nachlassgericht wies diesen Antrag jedoch unter Hinweis auf die Erbschaftsausschlagung zurück. Es handele sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum, da er die Ausschlagung der Erbschaft auf der Basis einer ungesicherten spekulativen Grundlage erklärt habe.

Das OLG war hingegen durchaus der Ansicht, dass der Erbe die Ausschlagungserklärung wirksam angefochten habe. Ist ein möglicher Erbe aufgrund der von ihm in Erfahrung gebrachten Tatsachen zu der Vorstellung gelangt, im Nachlass befänden sich ausschließlich Verbindlichkeiten, hat er sich nicht lediglich von Spekulationen, sondern von der Überzeugung einer Überschuldung leiten lassen. Stellt sich anschließend die Werthaltigkeit des Nachlasses heraus, besteht wie hier die Möglichkeit, die Ausschlagungserklärung wegen eines Eigenschaftsirrtums anzufechten.

Hinweis: Glück gehabt! Dieser Fall legt aber nahe, sich vor Ausschlagung einer Erbschaft zuerst Kenntnisse über den Bestand zu verschaffen – am besten mithilfe einer entsprechenden Rechtskraft. Wären die Auskunftsgeber keine Polizisten gewesen, denen Bürger in der Regel ein grundlegendes Vertrauen entgegenbringen, hätte der Fall durchaus anders ausgehen können.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.11.2020 – 3 Wx 166/20

Thema: Erbrecht