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Schlagwort: OLG Frankfurt/Main

Verweigerte Pflege: Ein Pflichtteilsentzug ist nur nach schwerwiegenden Verfehlungen möglich

Kommt es zu einem Zerwürfnis zwischen Eltern und Kindern, versuchen Eltern immer wieder, die Kinder vollkommen vom Erbe auszuschließen. Den Kindern steht jedoch der gesetzliche Pflichtteil zu, der nur in Ausnahmefällen entzogen werden kann.

Ein Mann war nach einem schweren Unfall pflegebedürftig. Dessen geschiedene Ehefrau und die beiden Kinder weigerten sich, seine Pflege zu übernehmen. Er setzte daher in einem handschriftlichen Testament seine Lebensgefährtin als Alleinerbin ein, die ihn rund um die Uhr bis zu seinem Tod betreute und pflegte. Gleichzeitig entzog er den Kindern den Pflichtteil. Nach seinem Tod wehrte sich seine Tochter dagegen.

Das Gericht entschied, dass die Ablehnung der Pflege die Entziehung des Pflichtteils nicht rechtfertigt. Für eine Pflichtteilsentziehung muss einer der gesetzlich geregelten Gründe vorliegen; es reicht eben nicht jedes Fehlverhalten eines Kindes aus, das zu einer Entfremdung oder zu einem Zerwürfnis mit dem Erblasser führt. Die Verletzung der Unterhaltspflicht ist zwar grundsätzlich ein Grund für die Pflichtteilsentziehung, jedoch schulden Kinder ihren Eltern Unterhalt grundsätzlich nur als Geldleistung. Eine Verpflichtung zur persönlichen Pflege gibt es nicht. Die Tochter war zum Zeitpunkt des Unfalls zudem erst 16 Jahre alt. Darüber hinaus muss eine böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht vorliegen, wofür die bloße Leistungsverweigerung nicht genügt. Diese muss vielmehr auf einer verwerflichen Gesinnung beruhen. Dafür gab es in diesem Fall keine Anhaltspunkte – der Tochter wurde deshalb ihr Pflichtteil zugesprochen.

Hinweis: Die Gründe für einen berechtigten Pflichtteilsentzug sind auf schwerwiegende Verfehlungen begrenzt. So kann der Pflichtteil unter anderem entzogen werden, wenn der Abkömmling dem Erblasser nach dem Leben trachtet oder ein Verbrechen gegen ihn begangen hat, wenn er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzt oder er wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer mindestens einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde und dem Erblasser deshalb eine Beteiligung am Erbe unzumutbar ist.

Quelle: OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 29.10.2013 – 15 U 61/12

Thema: Erbrecht

Reaktion auf Abmahnung: Eine gutgläubige Bitte um Fristverlängerung kann teuer werden

Wird Ihnen eine Frist gesetzt, können Sie zwar um eine Verlängerung bitten, doch die Gegenpartei muss sich nur in den seltensten Fällen darauf einlassen.

Ein Unternehmen erhielt von einem Wettbewerber eine Abmahnung wegen irreführender Werbeangaben. In der Abmahnung wurde es aufgefordert, die Werbung bis zu einem bestimmten Termin zu unterlassen. Das Unternehmen bat dann aber innerhalb der gesetzten Frist um eine Fristverlängerung. Ein Fehler: Denn statt diese zu gewähren, reichte der Wettbewerber eine Klage auf Unterlassung ein. Nach Zustellung der Klage erkannte das Unternehmen die Ansprüche an. Da durch die Bitte um Fristverlängerung automatisch auch kein sofortiges Anerkenntnis vorlag und das Unternehmen Anlass zur Klage gegeben hatte, musste es die Kosten für das Verfahren tragen. Denn: Auf eine Fristverlängerung muss sich ein Gläubiger nur einlassen, wenn dafür auch plausible Gründe mitgeteilt werden. Es wäre für das Unternehmen also besser gewesen, hätte es innerhalb der angegebenen Frist eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Hinweis: Bei Geldschulden gilt etwas ganz Ähnliches. Der Beginn des Verzugs mit einer Geldschuld ist immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Denn durch diesen Verzug muss der Schuldner Zinsen zahlen und ist verpflichtet, etwaige Prozesskosten zu ersetzen. Deshalb sollten Geldschulden möglichst vor Beginn des Verzugs gezahlt werden.

Quelle: OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 10.11.2016 – 6 W 101/16

Thema: Sonstiges

Benennung ausdrücklich vorbehalten: Unter welchen Umständen die erblasserbestimmte Testamentsvollstreckung vollends entfällt

Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung kann gerade bei komplizierteren Nachlässen sinnvoll sein, jedoch gestaltet es sich unter Umständen schwierig, den richtigen Testamentsvollstrecker zu finden.

Dessen Bestimmung kann zwar dem Gericht überlassen werden, häufig ist gerade das aber nicht gewollt, da ein Testamentsvollstrecker ein besonderes Vertrauensverhältnis zu dem Erblasser haben sollte.

Im hiesigen Fall hinterließ eine Erblasserin ein notarielles Testament, in dem sie eine Testamentsvollstreckung angeordnet, sich jedoch die Benennung eines konkreten Testamentsvollstreckers vorbehalten hatte. Bis zu ihrem Tod hatte sie allerdings keinen Testamentsvollstrecker bestimmt. Der Sohn der Erblasserin, der durch das Testament enterbt worden war, beantragte nun, dass ein solcher Testamentsvollstrecker vom Gericht bestimmt wird.

Das Gericht lehnte dies jedoch ab. Es wies darauf hin, dass die Gründe, die die Erblasserin zu einem Verzicht der Benennung eventuell bewogen haben könnten, vielfältig sind und nicht weiter aufgeklärt werden können. Da sie sich die Bestimmung des Testamentsvollstreckers ausdrücklich vorbehalten hatte, war der Sachverhalt nicht solchen Fällen vergleichbar, in denen in einem Testament die Anordnung einer Testamentsvollstreckung bestimmt worden ist, Ausführungen zur Person des Testamentsvollstreckers aber vollständig fehlten. In derartigen Konstellationen müssen Gerichte entsprechend tätig werden. Hier aber kam das Gericht zum Schluss, dass die Erblasserin keine Ernennung des Testamentsvollstreckers durch das Gericht gewollt hatte.

Hinweis: Das Nachlassgericht kann die Ernennung eines Testamentsvollstreckers vornehmen, wenn der Erblasser in einem Testament das Nachlassgericht ersucht hat, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen. Dieses Ersuchen muss nicht ausdrücklich geschehen, sondern kann sich auch durch die Auslegung des Testaments ergeben. Auch wenn der im Testament bestimmte Testamentsvollstrecker die Aufgabe ablehnt, kann das Gericht tätig werden und einen Ersatz bestimmen. Wird in einem Testament eine Testamentsvollstreckung angeordnet, sollte ausdrücklich verfügt werden, ob allgemein oder nur unter bestimmten Umständen (z.B. beim Wegfall des vorgesehenen Testamentsvollstreckers) eine Bestimmung durch das Gericht erfolgen soll.

Quelle: OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 22.09.2016 – 20 W 158/16
Thema: Erbrecht

Gewaltschutzgesetz: Ab wann persönlich Belästigendes auch rechtlich als Belästigung anzusehen ist

Bei einer Trennung kann es gerade in der ersten Phase zu unangenehmen Belästigungen kommen, vor allem durch den, der die neue Situation nicht versteht und mit ihr nicht zurechtkommt. Was ist dabei hinzunehmen, was nicht? Eine Frage, die die Gerichte immer wieder beschäftigt.

Dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) wurde folgender Fall vorgelegt: Zwei Expartner lebten nebeneinander in ihren jeweils eigenen Wohnungen, deren Balkone aneinandergrenzten. Durch Vorbeugen und Kopfdrehen war es möglich, vom einen Balkon auf den anderen zu schauen. Und genau dies tat der Expartner. Die somit immer wieder beobachtete Exfrau fühlte sich dadurch belästigt. Und so begehrte sie vom Gericht Hilfe, indem sie sich auf das Gewaltschutzgesetz berief. Danach darf nicht „in die Wohnung einer Person oder deren befriedetes Besitztum“ eingedrungen werden. Aber bedeutet das auch, dass nicht mehr auf den Balkon oder gar in die Wohnung geschaut werden darf, sofern das ohne große Anstrengungen möglich ist? Ist denn schon das bloße Hinschauen in diesem Sinne ein Eindringen? Nein, entschied das Gericht.

Einen Fuß in die Wohnungstür zu setzen, ins Fenster zu greifen, mit einem Teil des Körpers in den Wohnraum zu gelangen – das alles ist nicht erlaubt! Aber sich vorzulehnen, den Kopf zu drehen und herüberzublicken – all das sei nichts, das das Gewaltschutzgesetz untersagt.

Hinweis: Das Gewaltschutzgesetz ist nicht nur zwischen Ehegatten anwendbar. Es ist ein Gesetz, das geschaffen wurde, um gegen Gewalttaten und Nachstellungen vorgehen zu können. Damit sind insbesondere auch die Fälle gemeint, die unter dem Begriff „Stalking“ zusammengefasst werden. Aber das Gesetz kennt auch Grenzen. Eine davon hat das OLG hiermit vorerst gezogen.

Quelle: OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 21.03.2016 – 4 UF 26/16
Thema: Familienrecht

Auf sich gestellt: Kein Elternunterhalt bei früherer Vernachlässigung der Kinder

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren: Also Eltern ihren Kindern, aber auch wirtschaftlich eigenständige Kinder ihren Eltern gegenüber. Wie es sich bei Regelwerken jedoch zumeist verhält: Auch hier gibt es Grenzen.

Mit einem solchen Grenzfall musste sich das Oberlandesgericht Frankfurt kürzlich beschäftigen. Die Mutter lebte in einem Pflegeheim und konnte die Kosten dafür aus eigener Rente nicht bestreiten. Der Sohn war als Polizeibeamter finanziell in der Lage, zumindest einen Teil der Heimkosten beizusteuern. Er machte hingegen geltend, dass dies von ihm nicht verlangt werden könne. Seine Mutter habe sich um ihn in seiner Jugend nicht bzw. nicht ausreichend gekümmert. Als die Familie noch zusammenlebte, sei der Vater arbeiten gegangen – als Krankenpfleger oft auch nachts. Die Mutter habe nicht gearbeitet, sich allerdings auch nicht um die Kinder gekümmert. Sie habe das der Familie zur Verfügung stehende Geld für sich ausgegeben und nur das Nötigste für den Haushalt eingekauft. Die Mahlzeiten hätten sein Bruder und er sich meist selber zubereiten müssen. Abends sei die Mutter unterwegs gewesen, oft mit anderen Männern. Als er elf Jahre alt war, trennten sich die Eltern. Seither bestünde auch keinerlei Kontakt mehr. Die Mutter ist dann in Kliniken gekommen, u.a. wegen Schizophrenie.

Wer seine eigene Unterhaltspflicht gröblich vernachlässigt, kann dadurch seinen Unterhaltsanspruch verlieren. Kümmern sich Eltern also nicht hinreichend um ihre Kinder, kann dies dazu führen, dass sie im Alter ihren Kindern gegenüber keinen Unterhaltsanspruch besitzen. Aber Achtung: Das ist zumeist die Ausnahme; es muss in der Regel schon viel passiert sein, damit es zu dieser Rechtsfolge kommt. Im vorliegenden Fall nahm das Gericht aber eine solche Ausnahme an.

Hinweis: Schwierig kann es sein, die Vorfälle der Vergangenheit nach langer Zeit noch klar darzustellen und zu beweisen. Das ist in erster Linie Aufgabe desjenigen, der keinen Unterhalt zahlen will. Je detaillierter die Vergangenheit dargestellt werden kann, desto eher kann das gewünschte Ergebnis erreicht werden.

Quelle: OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 22.03.2016 – 2 UF 15/16
Thema: Familienrecht

Testament ist kein Kunstwerk: Eine Kombination aus Worten und Pfeildiagrammen ist als letzter Wille unwirksam

Bei selbstverfassten, handschriftlichen Testamenten werden von den Erblassern immer wieder kreative Möglichkeiten gefunden, ihren letzten Willen zu gestalten. Dabei stellt sich jedoch häufig die Frage, ob diese Testamente dann auch wirksam sind.

Ein Mann lebte von seiner Ehefrau getrennt mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Als er starb, hinterließ er ein Testament, in dem er neben einigen Sätzen ein Diagramm aufmalte und es unterschrieb. Die Lebensgefährtin war der Meinung, dass sie und einige andere Verwandte dadurch als Erben eingesetzt worden waren. Die Ehefrau hielt das Testament hingegen für unwirksam.

Das Gericht sah die Kombination aus handschriftlichen Worten und Pfeildiagramm als unzulässig an, da eine Überprüfung der Echtheit – etwa durch einen Schriftsachverständigen – bei Zeichnungen nicht möglich ist. Zudem ging aus dem Diagramm nicht hervor, welche Person der Erblasser in welcher Art und Weise (z.B. als Vor- oder Nacherbe) bedenken wollte. Das Gericht gab somit der Ehefrau Recht, erklärte das Testament für unwirksam und ordnete die gesetzliche Erbfolge an.

Hinweis: Besonders bei selbstverfassten Testamenten sollte möglichst auf eine ungewöhnliche Gestaltung verzichtet werden, da diese zur Unwirksamkeit des Testaments führen kann und der Wille des Erblassers dann keine Beachtung findet.

Quelle: OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 11.02.2013 – 20 W 542/11

Thema: Erbrecht

Arbeitnehmererfindungsgesetz: Auch freie Mitarbeiter haben einen Anspruch auf Erfindungsvergütung

Der Anwendungsbereich des sogenannten Arbeitnehmererfindungsgesetzes ist größer als erwartet.

Ein freier Mitarbeiter war im Vertrieb seines Auftraggebers tätig und darüber hinaus mit der Weiterentwicklung der Technik beschäftigt. Später verlangte er von seinem Auftraggeber eine Erfindervergütung wegen der Verwertung mehrerer Patente. Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main urteilte, dass dem freien Mitarbeiter Vergütungsansprüche zustehen und er zudem zur Berechnung der Vergütung einen Anspruch auf Erteilung von Auskünften über die Verwendung hatte. Er musste die Erfindungen demnach zwar an seinen Auftraggeber herausgeben – das aber nicht vergütungsfrei.

Hinweis: Eine Arbeitnehmererfindung ist eine patent- oder gebrauchsmusterfähige Erfindung, die ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeitsleistung gemacht hat. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich Anspruch auf die Rechte an der Innovation, der Arbeitnehmer jedoch gleichsam einen Anspruch auf eine entsprechende Vergütung.

Quelle: OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 03.03.2016 – 6 U 29/15
Thema: Arbeitsrecht

Immobilienkauf: Wird der „unverbaubare“ Skylineblick doch verbaut, ist eine Rückabwicklung möglich

Aussagen in Werbeprospekten kommt durchaus rechtliche Relevanz zu, so wie in diesem Fall des verbauten Skylineblicks.

Ein Mann erwarb eine Eigentumswohnung in Frankfurt am Main. Sie sollte über 300.000 EUR kosten. Im Verkaufsprospekt wurde mit dem „unverbaubaren Skylineblick“ geworben. Leider kam es aber anders, als es sich der Käufer vorgestellt hatte. Ausgerechnet der Verkäufer der Wohnung errichtete kurze Zeit nach Übergabe der Wohnung in unmittelbarer Nähe ein weiteres dreigeschossiges Gebäude. Hierdurch wurde die freie Sicht auf die Frankfurter Skyline eindeutig eingeschränkt. Vorher konnte der Käufer einen Blick auf die gesamte Frankfurter Innenstadt werfen – nunmehr nur noch auf die Europäische Zentralbank und den Messeturm. Deshalb erklärte er den Rücktritt vom Vertrag und verlangte die Rückabwicklung. Völlig zu Recht, wie das Oberlandesgericht Frankfurt urteilte. Der Käufer durfte erwarten, dass ein unverbauter Blick auf die Frankfurter Skyline möglich ist. Hinzu kommt, dass der Verkäufer die Pflichtverletzung durch die weiteren Bauten sogar noch selbst zu verantworten hatte.

Hinweis: Wieder einmal zeigt sich, dass Werbeaussagen in Prospekten auch durchaus rechtlich verbindliche Wirkung haben können.

Quelle: OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 12.11.2015 – 3 U 4/14

Thema: Mietrecht