Skip to main content

Schlagwort: OLG Hamburg

Kurznotizen sind unzureichend: Auf die Mindestanforderungen zur Schriftform eines Testaments ist dringend zu achten

Die Gerichte müssen sich immer wieder damit befassen, ob ungewöhnliche Schriftstücke wirksame Testamente sind. Das folgende Urteil beweist, dass Kurznotizen – hier unüblicherweise in Gestalt von Aufklebern – schwerlich die Mindestanforderungen an ein handschriftlich erstelltes Testament erfüllen können.

Nach dem Tod einer Frau machte eine Bekannte geltend, deren Alleinerbin zu sein. Zum Beweis legte sie einen Fotoumschlag mit zwei Aufklebern vor, auf denen handschriftlich zum einen „V. ist meine Haupterbin“ und zum anderen „D.L. 10.1.2011“ vermerkt war.

Das Gericht hatte aber erhebliche Zweifel daran, dass damit ein gültiges Testament vorlag. Die Aufkleber trugen keine Überschrift, wie etwa „Testament“ oder „Letzter Wille“. Ferner wurde lediglich ein Vorname genannt, so dass unklar blieb, wer damit konkret gemeint ist, und da von „Haupterbin“ gesprochen wurde, war der Schluss naheliegend, dass es noch weitere Erben geben muss. Die Verstorbene hatte auch nicht unter Zeitdruck gestanden, so dass es keine nachvollziehbare Notwendigkeit für solch eine ungewöhnliche Form der Testamentserrichtung geben haben kann. Und zu guter Letzt war nur einer der Aufkleber unterschrieben. Das Gericht ging somit davon aus, dass kein wirksames Testament vorlag und daher die gesetzliche Erbfolge zum Tragen kommt.

Hinweis: Zwar gibt es keine Vorgaben, auf welcher Art von Papier ein Testament errichtet werden muss, doch je ungewöhnlicher die Form ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Schriftstück nicht als gültiges Testament angesehen wird. Da es sich bei den besagten Aufklebern um zwei separate Sticker handelte, war zudem eine Manipulierbarkeit nicht ausgeschlossen. Es empfiehlt sich daher, gewöhnliches Schreibpapier zu verwenden und das Schriftstück auch klar als Testament zu bezeichnen.

Quelle: OLG Hamburg, Beschl. v. 08.10.2013 – 2 W 80/13

Thema: Erbrecht

Vorfahrtsberechtigter Radfahrer: Unterlassene Beleuchtung führt auch bei Unfällen ohne Kollision zur Mithaftung

Das Fahren auf der Straße bei Dunkelheit mit einem unbeleuchteten Fahrrad führt zu einer Mithaftung von 30 %, auch wenn es zu keiner Kollision mit dem Unfallgegner kommt.

Ein Radler war vom Bürgersteig kommend zwischen zwei parkenden Fahrzeugen auf die Straße gefahren. Aus der Richtung, in die er fahren wollte, kam ein anderer Fahrradfahrer, der unbeleuchtet bei Dunkelheit auf der Straße fuhr. Zu einer Kollision kam es nun zwar nicht. Doch da der vom Bürgersteig kommende Radfahrer auf den anderen durch eine starke Bremsung reagierte und daraufhin stürzte, verletzte sich dieser erheblich.

Das Oberlandesgericht Hamburg hat eine Mithaftung des Radfahrers, der unbeleuchtet auf der Straße fuhr, in Höhe von 30 % angenommen. Für diesen bestand gemäß der Straßenverkehrsordnung eine Beleuchtungspflicht. Auch wenn es nicht zu einer Berührung der beiden Fahrradfahrer gekommen ist, trifft ihn eine Mitverantwortlichkeit, da sich der Sturz des anderen Radfahrers in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit seinem Auftauchen aus der Dunkelheit ereignete. Trotz intakter Straßenbeleuchtung bei ordnungsgemäßer Beleuchtung des Fahrrads hätte dieses von dem Geschädigten früher wahrgenommen werden können. Auch wenn denjenigen ein überwiegendes Verschulden trifft, der zwischen zwei parkenden Fahrzeugen auf die Fahrbahn fährt, bleibt wegen der fehlenden Beleuchtung eine Mithaftung des anderen Radlers gegeben.

Hinweis: Es ist allgemein anerkannt, dass bei Beleuchtungsverstößen der Beweis des ersten Anscheins für eine Unfallursächlichkeit besteht. Dies gilt auch für Fahrradfahrer. Zu den typischen Folgen der Nichtbenutzung der Beleuchtungseinrichtung gehört es nun einmal, dass diese Verkehrsteilnehmer zu spät gesehen werden und sich andere wegen des für sie plötzlichen Auftauchens zu ruckartigen Ausweichbewegungen gezwungen sehen.

Quelle: OLG Hamburg, Beschl. v. 26.07.2017 – 14 U 208/16

Thema: Verkehrsrecht

Unbewiesene Vorfahrtsverletzung: Bei Zweifeln am Unfallhergang im zähfließenden Verkehr greift die hälftige Haftungsverteilung

Lässt es der vor einer Einmündung herrschende „Stop-and-go“-Verkehr konkret als möglich erscheinen, dass sich der aus einer untergeordneten Straße einbiegende Verkehrsteilnehmer bereits einige Zeit in Schrägstellung auf der bevorrechtigten Straße aufhielt, ist ein etwaiger Anscheinsbeweis zumindest erschüttert.

Innerorts wollte ein Verkehrsteilnehmer, die Vorfahrt zu beachten hatte, aus einer Seitenstraße auf eine Hauptstraße einbiegen. Auf dieser Hauptstraße herrschte Stop-and-go-Verkehr. Der Autofahrer behauptete, er sei mit seinem Fahrzeug schon überwiegend nach rechts auf die Hauptstraße abgebogen und habe dort ca. 30 Sekunden gestanden, als sein Unfallgegner auf sein Fahrzeug aufgefahren sei. Dieser behauptete allerdings, dass das andere Fahrzeug noch in Bewegung war, als er auffuhr.

Das Oberlandesgericht Hamburg hat hier eine Haftungsverteilung von 50 : 50 vorgenommen. Weder konnte der Abbiegende nachweisen, dass der andere auf sein Fahrzeug zu einem Zeitpunkt aufgefahren sei, als er bereits längere Zeit stand, noch konnte der Vorfahrtberechtigte beweisen, dass sich das Fahrzeug seines Unfallgegners noch in Bewegung befand, als es zum Unfall kam. Hierbei war zu berücksichtigen, dass der auf der Hauptstraße herrschende zähflüssige Verkehr es als möglich erscheinen ließ, dass sich der Abbiegende bereits einige Zeit hinter der Sichtlinie auf der bevorrechtigten Straße aufhielt. Eben deshalb konnte allerdings auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich das Fahrzeug nicht doch noch in Bewegung befand. Weiterhin war zu berücksichtigen, dass sich die aus den Lichtbildern ersichtlichen Schäden beider Fahrzeuge bei beiden Unfallversionen erklären lassen. Im Ergebnis war daher eine hälftige Schadenverteilung vorzunehmen.

Hinweis: Grundsätzlich ist es so, dass immer dann, wenn ein Unfallhergang nicht aufklärbar ist, eine Schadenverteilung von 50 : 50 vorgenommen werden muss. Dass das Gericht diesen Grundsätzen gefolgt ist, ist vorliegend nicht gänzlich nachvollziehbar, da der abbiegende Verkehrsteilnehmer zumindest mit einem Teil noch in der untergeordneten Straße stand, insofern sein Abbiegen noch nicht abgeschlossen war, so dass eigentlich von einer Vorfahrtsverletzung auszugehen wäre.

Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 27.05.2016 – 14 U 51/16

  Verkehrsrecht

Kein Beschluss auf Vorrat: Gerichtlich erlassene Gewaltschutzanordnungen sind beidseitig einzuhalten

Manchmal geht es bei einer Trennung gar heftig zu. Hat ein Expartner seine Emotionen schlecht im Griff, kann es sowohl zu psychischen Beeinträchtigungen als auch zu physischen Übergriffen kommen. Wird dagegen gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen, ist sie auch von der beantragenden Seite konsequent umzusetzen – sonst verfällt sie.

Worum geht es? Zwei Menschen leben zusammen, verheiratet oder ohne Trauschein. Es kommt zur Trennung. Die Frau zieht aus, was der Mann nicht auf sich sitzen lassen will. Es kommt zu Nachstellungen, Beleidigungen, Telefonterror, provozierten Begegnungen in der Öffentlichkeit, unter Umständen sogar zu Tätlichkeiten. Die Geschädigte wendet sich schließlich an das Gericht und erwirkt einen Beschluss, durch den dem Expartner all das verboten wird. Zudem wird ihm auferlegt, einen gewissen Abstand zur Expartnerin einzuhalten.

Nachdem eine gewisse Entspannung eingetreten ist, wendet sich die aus der Wohnung ausgezogene Frau an ihren Expartner – unter anderem, um zu vereinbaren, wann sie ihre Sachen aus der ehemals gemeinsamen Wohnung abholen kann. Beide verabreden und treffen sich in der Wohnung, man klärt einiges.

Kommt es dann jedoch wieder zum Streit, bei dem seitens der Frau auf die gerichtliche Entscheidung Bezug genommen wird, um den Ex in dessen Schranken zu weisen, ist genau das nicht möglich. Denn stellt die Geschädigte selbst den durch das Gericht dem anderen untersagten Kontakt her oder lässt diesen aktiv zu, hat sie ihr Recht aus dem besagten Beschluss verwirkt. Sie kann zwar einen neuen Beschluss beantragen – es ist in solchen Fällen aber fraglich, ob sie diesen ohne weiteres bekommt.

Hinweis: Wer nach der Trennung vom Expartner bedrängt wird und gerichtliche Hilfe benötigt, ist emotional meist überfordert, wenn es darum geht, was genau verboten werden kann und wie genau die Hilfe aussehen soll bzw. muss. Es ist deshalb anzuraten, damit einen neutralen und fachkundigen Berater zu beauftragen.

Quelle: OLG Hamburg, Beschl. v. 01.09.2015 – 2 UF 109/15

Thema: Familienrecht

Verkehrssicherheit: Voraussetzungen für die fiktive Schadensabrechnung

Bei der fiktiven Schadensabrechnung ist nicht nur das Behalten des Fahrzeugs für mindestens weitere sechs Monaten erforderlich, sondern auch die Gewährleistung für dessen Verkehrssicherheit.

Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall wurde ein Pkw so erheblich beschädigt, dass nach Auffassung eins Kfz-Sachverständigen unter anderem ein Austausch des Lenkgetriebes notwendig war. Der Geschädigte führte die Reparatur des Fahrzeugs jedoch nicht durch und rechnete gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners den Schaden fiktiv ab. Er behauptete, das Fahrzeug auch ohne einen Austausch des Lenkgetriebes fahren zu können. Das tat er dann auch über den Zeitraum der vorgeschriebenen Mindestzeit von sechs Monaten. Doch die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers trat dem entgegen und rechnete den Schaden auf Totalschadenbasis ab.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg konnte im vorliegenden Fall eine Abrechnung nur auf Totalschadenbasis erfolgen. Denn Voraussetzungen für eine fiktive Abrechnung sind zum einen, dass der Geschädigte das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiterhin nutzt, zum anderen, dass die Verkehrssicherheit dafür gewährleistet ist. Weil der Geschädigte aber das von dem Gutachter für erforderlich gehaltene Austauschen des Lenkgetriebes nicht durchführte, fehlte es hier genau daran.

Hinweis: Liegen die vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten unterhalb des Wiederbeschaffungswerts, kann der Geschädigte grundsätzlich die Nettoreparaturkosten ersetzt verlangen (fiktive Abrechnung). Dass diese Verfahrensweise auch an Bedingungen geknüpft ist, zeigt diese Entscheidung, die der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht.

Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 08.04.2015 – 14 U 112/14

Thema: Verkehrsrecht

  • 1
  • 2