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Schlagwort: Ordnungswidrigkeit

Fahrtenbuchauflage für Gesamtfuhrpark: Wer erst nach Androhung empfindlicher Konsequenzen mitwirkt, darf nicht auf Milde hoffen

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (OVG) in Saarlouis musste sich im Folgenden mit einer Halterin verschiedener Firmenfahrzeuge auseinandersetzen, die sich mit den Folgen ihrer Renitenz bei der Mitwirkung von Anhörungsverfahren befassen musste. Ob allein ihre Nachgiebigkeit bei der Verfolgung der letzten Ordnungswidrigkeit das Verhängen einer Fahrtenbuchauflage bezüglich aller auf sie zugelassenen Fahrzeuge verhindern kann, lesen Sie hier.

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Augenblicksversagen: Beim Rotlichtverstoß an unübersichtlicher Ampelkonstellation kann vom Fahrverbot abgesehen werde

Das folgende Urteil beweist, dass Gerichte bei weitem nicht so lebensfern urteilen, wie es gern behauptet wird. In diesem Fall war es am Amtsgericht Karlsruhe (AG), die Umstände zu bewerten, die zuerst zu einem Rotlichtverstoß und schließlich den Fahrzeugführer zu Gericht führte.

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Raserei statt Rettungswagen: Ein heftig blutender Zeigefinger rechtfertigt keinen Tempoverstoß auf dem Weg ins Krankenhaus

Wenn sich ein nahestehender Mensch verletzt, ist ein kühler und besonnener Kopf gefragt. Wer sich jedoch selbst bei einer recht übersichtlichen Verletzung nicht in Geduld üben kann und – statt auf einen Rettungsdienst zu warten – lieber selbst hinter das Steuer setzt, sollte besser nicht vor dem Amtsgericht Frankfurt (AG) landen, wenn er dabei durch eine verkehrsberuhigte Zone gerast und erwischt worden ist.

Der hier betroffene Mann fuhr mit seinem Pkw innerorts mit einer Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h, wobei dort lediglich 30 km/h erlaubt waren. Hierbei wurde er geblitzt. Als Erklärung hierfür trug er vor, seine Ehefrau habe sich beim gemeinsamen Kochen mit den Kindern am Zeigefinger geschnitten. Die Wunde habe so stark geblutet, dass er sich entschieden habe, keinen Rettungswagen zu rufen, sondern seine Gattin selbst ins Krankenhaus zu fahren. Das war in der Sache zwar rührend, aber mit einem Appell an Emotionen allein kommt man vor Gericht nicht sonderlich weit.

Das AG hat den panischen Gatten nämlich zu einer Geldbuße von 235 EUR sowie einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. Zwar könne eine Ordnungswidrigkeit grundsätzlich durch Notstand gerechtfertigt sein – hier scheide eine solche Rechtfertigung jedoch aus zweierlei Gründen aus. Zum einen habe keine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben der Ehefrau vorgelegen, weil weder ihr Tod noch eine sonstige Komplikation aufgrund der Verletzung ernsthaft zu erwarten war. Zum anderen käme eine Rechtfertigung auch nur dann in Betracht, wenn die gegenwärtige Gefahr objektiv nicht anders abwendbar gewesen wäre. Hier sei es dem Mann nach der Begründung des Gerichts jedoch im Sinne eines alternativ rechtmäßigen Verhaltens zumindest zumutbar gewesen, ein Rettungsfahrzeug zu rufen.

Hinweis: Der Rechtfertigungsgrund des rechtfertigenden Notstands (§ 16 OWiG) setzt voraus, dass der Betroffene in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahrenlage für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut gehandelt hat, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden. Ein stark blutende Fingerwunde erfüllt diese Gefahr nicht.

Quelle: AG Frankfurt am Main, Urt. v. 22.03.2019 – 971 Owi 955 Js-OWi 65423/19

Thema: Verkehrsrecht

Reichsadler statt Europa: Das Überkleben des Kfz-Kennzeichens kann eine Urkundenfälschung darstellen

Welche Formen des Protests zulässig sind und welche die Grenze der Rechtmäßigkeit überschreiten, ist auch für Gerichte nicht immer klar zu differenzieren. So musste im Folgenden das Oberlandesgericht München (OLG) das Urteil der Vorinstanz in einem Fall überprüfen, bei dem sich der Beklagte für seinen Protest gegen die Europäische Union seines Kfz-Kennzeichen bedient hatte. Denn hier standen die Vorwürfe der Urkundenfälschung und des Kennzeichenmissbrauchs im Raum.

Bei einer Polizeikontrolle wurde festgestellt, dass der Betroffene die Europakennzeichen an den Kfz-Kennzeichen seines Pkw durch Aufkleber überklebt hatte, die den Reichsadler zeigten. Der Mann, dem dabei durchaus klar war, dass die Kennzeichen in dieser Form nicht von der Zulassungsstelle der Landeshauptstadt München stammten, wollte damit seine Missbilligung über die Europäische Union (EU) zum Ausdruck zu bringen.

Nach Auffassung des OLG erfüllt das Überkleben des Europakennzeichens eines amtlichen Kfz-Kennzeichens mit einem Reichsadler jedoch weder den Tatbestand der Urkundenfälschung noch den des Kennzeichenmissbrauchs. Das gilt zumindest dann, sofern der Täter keine Täuschung bezweckt, sondern lediglich seine Missbilligung über die EU zum Ausdruck bringen will. Denn eine Urkundenfälschung begeht, wer ein Kraftfahrzeug mit einer anderen als der amtlich hierfür ausgegebenen Kennzeichnung versieht, um durch Täuschung im Rechtsverkehr eine andere Person irrtümlich zu einem sogenannten rechtserheblichen Verhalten zu veranlassen. Dies war vorliegend aber nicht der Fall – der Betroffene wollte mit dem Anbringen des Preußenadlers lediglich seinen Protest ausdrücken.

Damit ist der Beklagte zwar die Vorwürfe zu Urkundenfälschung und Kennzeichenmissbrauch los, doch ausgestanden ist die Sache für ihn damit noch nicht. Das OLG verwies die Sache nämlich an das Landgericht (LG) zur Prüfung zurück, ob der Betroffene durch das Überkleben eine Ordnungswidrigkeit begangen habe. Dabei wies das Gericht die Richter beim LG darauf hin, dass eine solche durch die partielle Abdeckung des Kennzeichens durchaus in Betracht kommt. Hierbei ist zu überprüfen, ob eine vorsätzliche, eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit oder ein (vermeidbarer) Verbotsirrtum vorliegt.

Hinweis: Amtliche Dokumente und Kennzeichen sollte man belassen, wie sie von den entsprechenden Stellen herausgegeben werden. Täuscht man andere insofern, dass durch eine Abänderung ein Irrtum entsteht, der ein rechtserhebliches Verhalten auslöst, sieht man sich schnell mit dem Strafrecht konfrontiert.

Quelle: OLG München, Urt. v. 22.03.2019 – 4 OLG 14 Ss 322/18

Thema: Verkehrsrecht

Benutzung ist entscheidend: OLG Celle widerspricht der Auffassung, dass bloßes Halten eines Handys am Steuer zur Geldbuße führt

Ob bereits das bloße Halten eines Handys oder nur eine Bedienung des Mobiltelefons zu einem Bußgeld von 100 EUR führt, musste das Oberlandesgericht Celle (OLG) klären.

Ein Autofahrer benutzte während der Fahrt augenscheinlich sein Mobiltelefon, indem er dieses in seiner Hand hielt. Eine Zeugin konnte allerdings nicht bekunden, ob der Betroffene dabei Sprechbewegungen gemacht hat oder nicht. Das jedoch war dem erstinstanzlichen Amtsgericht (AG) egal – es verurteilte den Betroffenen wegen vorschriftswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes (Mobiltelefon) als Führer eines Kraftfahrzeugs zu einer Geldbuße von 100 EUR. Das wollte sich der Verurteilte jedoch nicht gefallen lassen und klagte dagegen – mit Erfolg.

Das OLG sah den Fall nämlich anders als das AG. Allein durch das Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Geräts, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, begeht der Führer eines Kraftfahrzeugs während der Fahrt noch keine Ordnungswidrigkeit. Es muss vielmehr auch eine über das bloße Halten hinausgehende Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen. Die entsprechende Vorschrift regelt, unter welchen Bedingungen die Benutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt erlaubt ist, und verbietet das Aufnehmen oder Halten des Geräts zu diesem Zweck. Fehlt es hingegen am Element einer solchen Benutzung, unterfällt auch das Aufnehmen oder Halten nicht dem Verbot.

Hinweis: Die Frage, ob nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung bereits das bloße Halten eines elektronischen Geräts ausreicht, um den Bußgeldtatbestand zu verwirklichen, ist in der Fachliteratur umstritten und wurde bislang – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht entschieden. Der Auffassung, die einen Verstoß bereits dann annimmt, wenn das elektronische Gerät in der Hand gehalten wird, vermag das OLG nicht zu folgen. Denn diese sei seiner Ansicht nach nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar. Deshalb kann nach Auffassung der Richter nicht allein das Aufnehmen oder Halten des Geräts ein Benutzen im Sinne der Vorschrift ausmachen. Hinzukommen muss vielmehr irgendein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer der Bedienfunktionen des Geräts, also mit seiner Bestimmung zur Kommunikation, Information oder Organisation.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 07.02.2019 – 3 Ss (OWi) 8/19

Thema: Verkehrsrecht