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Schlagwort: Pflichtteilsanspruch

Verjährter Pflichtteilsergänzungsanspruch: Auch eine postmortale Vaterschaftsfeststellung ändert an der gesetzlichen Verjährungsfrist nichts

Verschenkt ein Erblasser zu Lebzeiten sein Vermögen, haben Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich einen Ergänzungsanspruch, so dass der Pflichtteil nicht auf diesem Weg umgangen werden kann. Dabei ist jedoch die kurze Verjährungsfrist unbedingt zu beachten. Das beweist der folgende Fall, den erst der Bundesgerichtshof (BGH) endgültig entscheiden konnte.

Eine Frau hatte aus ihrer ersten Ehe einen Sohn. Nach der Scheidung heiratete sie den Erblasser, der seinerseits bereits zwei Kinder aus erster Ehe hatte, denen er bereits zu Lebzeiten mehrere Grundstücke schenkte. Auch diese zweite Ehe wurde geschieden, und der Erblasser verstarb 2007. Der Sohn konnte dann jedoch in einem Vaterschaftsverfahren im Jahr 2015 feststellen, dass sein leiblicher Vater nicht der erste Ehemann der Mutter, sondern der Erblasser war. Daraufhin verlangte er von seinen Halbgeschwistern seinen Pflichtteil. Diese lehnten jedoch ab, da sie die Ansprüche für verjährt hielten.

Der BGH gab ihnen Recht. Es stellte klar, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten nach drei Jahren von dem Eintritt des Erbfalls an verjährt – unabhängig von der Kenntnis des Erben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Sohn erst durch die Vaterschaftsfeststellung aus dem Jahr 2015 von seiner Erbenstellung erfuhr, da die gesetzliche Regelung eindeutig nur auf den Erbfall abstellt und eng auszulegen ist. Somit war der Anspruch 2010 drei Jahre nach dem Tod des Erblassers verjährt – und damit lange vor Klageerhebung im Jahr 2015.

Hinweis: Die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs beginnt zum Ende des Jahres, in dem der Erbfall eingetreten und der Erbe von seinem Recht Kenntnis erlangt hat. Abweichend davon beginnt die Verjährungsfrist beim Pflichtteilsergänzungsanspruch sofort mit dem Tod des Erblassers – unabhängig davon, ob der Pflichtteilsberechtigte davon weiß oder nicht.

Quelle: BGH, Urt. v. 13.11.2019 – IV ZR 317/17

Thema: Erbrecht

Erbausschlagung zugunsten der Mutter: Der Irrtum über die Rechtsfolgen kann einen berechtigten Anfechtungsgrund darstellen

Die Ausschlagung einer Erbschaft kann nicht nur finanzielle, sondern auch taktische Gründe haben. Tritt der durch die Ausschlagung beabsichtigte Erfolg jedoch nicht ein, stellt sich die Frage, ob die Ausschlagung angefochten werden kann.

Ein Mann hinterließ eine Ehefrau und einen Sohn, der seinerseits die Erbschaft ausschlug. Als ihn das Gericht darüber informierte, dass nun an seiner Stelle seine Kinder erben würden, focht er die Ausschlagung jedoch an. Er erklärte, dass er davon ausgegangen sei, dass durch seine Ausschlagung seine Mutter zur Alleinerbin werde und er sich somit über die Rechtsfolgen geirrt habe.

Das Gericht gab ihm Recht. Zwar liegt grundsätzlich kein wirksamer Anfechtungsgrund vor, wenn der Ausschlagende sich im Hinblick auf die Person irrt, die in der gesetzlichen Erbfolge an seine Stelle tritt. Dies gilt jedoch nur, wenn der Irrtum die konkrete Person betrifft. Verkennt der Ausschlagende hingegen wie in diesem Fall die Rechtsfolgen seines Handelns, liegt ein beachtlicher Irrtum vor.

Hinweis: Welche Irrtümer als beachtlich angesehen werden, wird von der Rechtsprechung teilweise unterschiedlich beurteilt. Höchstrichterlich entschieden wurde, dass ein wirksamer Anfechtungsgrund vorliegt, wenn der Erbe irrig annimmt, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um seinen Pflichtteilsanspruch nicht zu verlieren. Auch der Irrtum über Überschuldung des Nachlasses oder über die Erbquote wurde als beachtlich angesehen, nicht jedoch zum Beispiel der Irrtum über die zu zahlende Erbschaftsteuer. Bevor ein Erbe ausgeschlagen wird, sollte man sich daher genau über die Konsequenzen informieren, da die Entscheidung unter Umständen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.05.2017 – 20 W 197/16

  Erbrecht

Stundung des Pflichtteils: Auch in Härtefällen müssen Ansprüche nicht sofort ausgezahlt werden

Aufgrund des gesetzlichen Erbrechts ist es grundsätzlich nicht möglich, Angehörige gänzlich vom Erbe auszuschließen: Sie erhalten vielmehr den gesetzlich festgelegten Pflichtteil.

Dies führt in der Praxis immer wieder zu Streitigkeiten, insbesondere wenn das Erbe hauptsächlich aus Immobilien oder Sachwerten besteht und dem Erben eine Auszahlung von Pflichtteilsansprüchen nicht ohne weiteres sofort möglich ist.

Grundsätzlich ist der Pflichtteilsanspruch zwar sofort fällig, jedoch sieht das Gesetz auch eine Stundungsmöglichkeit für Härtefälle vor. Als Beispiel für solche Härtefälle nennt das Gesetz Fälle, in denen die Auszahlung des Pflichtteils zwangsläufig zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts führen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. In solchen Fällen müssen die Interessen abgewogen und die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen berücksichtigt werden. Hat der Pflichtteilsberechtigte beispielsweise einen dringenden und nachvollziehbaren Bedarf, seinen Anteil zu erhalten, oder hat er von dem Verstorbenen Unterhalt bekommen, wird eine Stundung in der Regel abgelehnt. Grundsätzlich kann dem Erben aber auch zugemutet werden, zur Auszahlung des Pflichtteils einen Kredit aufzunehmen.

Hinweis: Über die Stundung entscheidet das Nachlassgericht, sofern der Erbe diese beantragt. Das Gericht kann auch Ratenzahlung oder die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung anordnen. Um solche Fälle zu vermeiden, empfiehlt es sich jedoch, schon zu Lebzeiten des Erblassers einen Pflichtteilsverzicht zu vereinbaren und den Pflichtteilsberechtigten anderweitig zu entschädigen.

zum Thema: Erbrecht

Erbrecht unehelicher Kinder: Eine Exhumierung ist zum Zweck eines Vaterschaftstests durchaus zulässig

Uneheliche Kinder wurden im deutschen Erbrecht lange Zeit benachteiligt, sind aber inzwischen nach verschiedenen Gesetzesänderungen ehelichen Kindern rechtlich gleichgestellt. In der Praxis kann es jedoch schwierig sein, die Abstammung nachzuweisen.

Eine Frau behauptete, dass der verstorbene Erblasser ihr biologischer Vater gewesen sei. Dies wollte sie anhand einer DNA-Untersuchung klären lassen, um somit ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Sie trug vor, dass ihre Mutter ihr an ihrem 18. Geburtstag die Vaterschaft offenbart und der Verstorbene sie in seinen letzten Lebensjahren wie eine Tochter behandelt habe. Der eheliche Sohn des Erblassers verweigerte jedoch eine Gewebeprobenentnahme zum DNA-Abgleich, so dass die Tochter beantragte, zu diesem Zweck ihren mutmaßlichen Vater exhumieren zu lassen.

Das Gericht entschied, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen im Fall einer für die Feststellung der Vaterschaft erforderlichen DNA-Untersuchung hinter das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zurücktritt – eine Exhumierung ist somit zulässig. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Tochter bereits seit langer Zeit über die mögliche Vaterschaft informiert war, oder die Tatsache, dass sie mit der Vaterschaftsfeststellung vor allem die Geltendmachung ihres Erbrechts verfolgt.

Hinweis: Für alle Erbfälle, die nach dem 29.05.2009 eingetreten sind, gilt die Regelung, dass uneheliche Kinder den ehelichen im Erbrecht gleichgestellt sind. Wurden sie im Erbvertrag oder im Testament nicht bedacht, steht ihnen grundsätzlich ein Pflichteilsrecht zu. Voraussetzung ist jedoch, dass eine Vaterschaft anerkannt oder gerichtlich festgestellt wurde. Eine biologische Verwandtschaft ist hingegen nicht erforderlich, so dass auch adoptierte Kinder gleichgestellt sind. Inzwischen werden auch beim Standesamt eingetragene nichteheliche Kinder in das Zentrale Testamentsregister der Bundesnotarkammer überführt und dort elektronisch gespeichert. Im Erbfall wird das Nachlassgericht somit auch über die Existenz eines nichtehelichen oder adoptierten Kindes informiert.

Quelle: BGH, Beschl. v. 29.10.2014 – XII ZB 20/14
Thema: Erbrecht

Fristen beachten: Die Verjährung von Erbrechtsansprüchen hängt von den Umständen ab

Es kommt immer wieder vor, dass ein Erbe erst Jahre nach dem Erbfall erfährt, dass er Erbe geworden ist, etwa weil er im Ausland lebt oder weil ein Testament verschollen war. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob die Ansprüche verjährt sind.

Verjährung bedeutet, dass ein Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann. Erbrechtliche Ansprüche, also zum Beispiel auch der Pflichtteilsanspruch oder der Anspruch auf Herausgabe eines Vermächtnisses, unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen – wie beim Herausgabeanspruch gegen einen falschen Erben oder dem Anspruch des Nacherben gegen den Vorerben auf Herausgabe der Erbschaft – beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre.

Entscheidend ist hierbei, wann die Verjährung zu laufen beginnt. Verjährungsbeginn ist grundsätzlich der Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Berechtigte hiervon Kenntnis erlangt hat. Unabhängig von der Kenntnis tritt jedoch in jedem Fall 30 Jahre nach Entstehung des erbrechtlichen Anspruchs die Verjährung ein. Verstirbt der Erblasser also zum Beispiel am 20.03.2016 und hinterlässt er ein Testament, in dem er seinen Sohn enterbt, wovon dieser auch umgehend Kenntnis erlangt, beginnt die Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs am 31.12.2016 und endet am 31.12.2019. Erfährt der Sohn hingegen (ohne sein Verschulden) erst am 15.06.2020 von seinem Anspruch, beginnt die Verjährungsfrist erst am 31.12.2020 und endet entsprechend auch erst am 31.12.2023.

Davon abweichend ist für einige Fälle – wie zum Beispiel für Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten gegen den Beschenkten auf Pflichtteilsergänzung – geregelt, dass die Verjährung bereits mit dem Erbfall beginnt.

Hinweis: Gerade zum Ende eines Jahres sollte geprüft und gegebenenfalls rechtlicher Rat eingeholt werden, ob eventuell bestehende erbrechtliche Ansprüche verjähren und wie die Verjährung verhindert werden kann, da sonst die Geltendmachung der Ansprüche nicht mehr möglich ist.

zum Thema: Erbrecht

Nachlassverbindlichkeiten: Die Beweislast trägt der Pflichtteilsberechtigte

Bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen stellt sich immer wieder die Frage, auf welcher Grundlage diese erfolgt, wer dabei welche Auskünfte schuldet und wer im Streitfall beweispflichtig ist.

Zwei Söhne verlangen von der zweiten Ehefrau und Alleinerbin ihres Vaters ihre Pflichtteile an dessen Erbe. Die Frau übersandte ihnen zunächst ein Nachlassverzeichnis. Als es zum Streit kam, behauptete die Frau vor Gericht, dass noch weitere Nachlassverbindlichkeiten in Form von Darlehen bestünden. Diese konnte sie nicht endgültig beweisen, aber durch die Vorlage von Kontoauszügen glaubhaft machen. Es stellte sich nun die Frage, wer für diese Darlehen, die das Erbe und damit den Pflichtteilsanspruch verringerten, beweispflichtig ist.

Das Gericht stellte klar, dass der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich für alle Tatsachen beweispflichtig ist, von denen der Grund und die Höhe des von ihm erhobenen Anspruchs abhängen. Er muss also den Wert der Erbschaft beweisen – und somit auch das Nichtbestehen von behaupteten und substantiiert dargelegten Nachlassverbindlichkeiten. Das gilt selbst dann, wenn der Erbe schuldhaft ein falsches oder unvollständiges Nachlassverzeichnis vorlegt. Auch in einem solchen Fall kommt es nicht zu einer sogenannten Beweislastumkehr.

Hinweis: Der Pflichtteilsberechtigte hat zwar einen umfassenden Auskunftsanspruch gegen den Erben. Hält er diese Auskunft jedoch für unzutreffend, muss er alle Tatsachen beweisen, die für ihn vorteilhaft sind. Dabei hat er unter anderem das Recht, eine Wertermittlung zu verlangen, aber keinen direkten Auskunftsanspruch z.B. gegen die Bank des Erblassers.

Quelle: BGH, Urt. v. 10.03.2010 – IV ZR 264/08
Thema: Erbrecht