Vor jeder Kündigung muss der Arbeitgeber seinen Betriebsrat anhören. Unterlässt er das, kann das schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Dass es auch nichts hilft, das Fehlverhalten auf zuständige Untergebene zu schieben, zeigt der folgende Fall, der vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (LAG) landete.
Wenn Arbeitgeber sich über ausgeschiedene Arbeitnehmer ärgern, soll es immer wieder vorkommen, dass sie zum Telefonhörer greifen, um dem neuen Chef Informationen zukommen zu lassen, die über die Inhalte des Arbeitszeugnisses hinausgehen. Dass jedoch ein – unter Umständen durchaus berechtigtes – Interesse an einer kollegialen Warnung ohne vorherige ordnungsgemäße Abmahnungen eine sehr schlechte Idee ist, zeigt das folgende Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LAG).
Wer schon einmal wegen einer defekten Nummernschildbeleuchtung am Fahrzeug belangt wurde, schüttelt innerlich den Kopf, wie sehr die Anforderungen an der gelebten Wirklichkeit vorbeigehen. Und dennoch ist es korrekt, von jedem Fahrzeugführer zu erwarten, sich vor jeder Fahrt vom erforderlichen Zustand seines Wagens zu überzeugen. Ähnlich verhält es sich auch mit befestigten Parkausweisen, die unter Umständen durch Sonneneinstrahlung bis zur Unleserlichkeit verblassen können – so geschehen im folgenden Fall, der vor dem Landgericht Koblenz (LG) landete.
Unter dem Motto „Augen auf bei der Berufswahl“ mag wohl niemand so schnell auf den Gedanken kommen, dass man stabile Erdkundekenntnisse aufweisen können sollte, wenn man plant, Bestatter zu werden. Doch bedenkt man, dass so mancher Mensch seine letzte Ruhestätte dort haben möchte, wo er seine schönste Zeit verbracht hat, sieht das Ganze womöglich schon anders aus – und so führte ein geographisches Missverständnis zwei Parteien vor das Oberlandesgericht Hamm (OLG).
Die Sache mit dem Glimmstängel während der Arbeitszeit ist immer wieder ein Grund für Arbeitgeber und -nehmer, sich arbeitsrechtlich in den Haaren zu liegen. Bei all dem Für und Wider sollten Arbeitnehmer eines jedoch nie vergessen, wenn sie Raucherpausen wahrzunehmen gedenken: Stempeln Sie sich aus und wieder ein. Ansonsten verläuft der Rechtsstreit schnell wie der folgende vor dem Landesarbeitsgericht Thüringen (LAG).
Der „gelbe Schein“ wird 2022 nicht nur in Sachen Digitalisierung immer mehr der Vergangenheit angehören – er wird auch als geflügeltes Wort für ein Alibi bei Arbeitsunlust immer stärker ins Visier von Arbeitgebern und folglich auch von Gerichten genommen. Im Folgenden versuchte sich ein Auszubildener darin, sich mithilfe einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor einer unliebsamen Pflicht zu drücken, und landete vor dem Arbeitsgericht Siegburg (ArbG).
Dieser Fall ist Folge der Corona-Pandemie und der Verstöße gegen diesbezügliche Anordnungen. Dass eine mögliche Infektion Grund genug sein sollte, zu Hause zu bleiben, ist zwar nicht besonders neu. Interessant sind allerdings die Konsequenzen eines gegenteiligen Verhaltens – und die können auch Arbeitgeber teuer zu stehen kommen, wie der Fall des Landesarbeitsgerichts München (LAG) zeigt.
Wenn Eltern oder Großeltern für minderjährige Kinder Sparbücher anlegen, stellt sich gelegentlich die Frage, wem das Geld gehört. Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) konnte anhand der folgenden – durchaus ungewöhnlichen – Konstellation mit hohen Geldbeträgen dazu Ausführungen machen, die auch für „Normalfälle“ gelten.
Eine Forderungsverjährung kann auch den Anspruch eines Erben schnell zunichtemachen. Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Bank sich auf die sogenannte Einrede der Verjährung gegenüber einem Miterben berufen kann, hat sich das Landgericht Flensburg (LG) beschäftigt.
Die Erblasserin war im März 2005 verstorben. Zu Lebzeiten hatte sie bei ihrer Bank Verträge über Wertpapierdepots abgeschlossen, in denen eine Tochter als Begünstigte geführt wurde, die Teil einer Erbengemeinschaft nach der verstorbenen Mutter geworden war. Für den Fall des Todes der Erblasserin war vereinbart, dass der Tochter das Guthaben als Begünstigte zustehen sollte. Der Bank wurde ein unwiderruflicher Auftrag erteilt, im Fall des Todes der Erblasserin dieses „Schenkungsangebot“ an die Tochter zu übermitteln. Eine solche Übermittlung erfolgte nach dem Tod der Erblasserin aber nicht. Erst im Jahr 2019 erhielt die Tochter Kenntnis davon, dass die verstorbene Mutter entsprechende Verträge zu ihren Gunsten bei der Bank abgeschlossen hatte, und forderte die Bank zur Zahlung auf. Die Bank berief sich unter anderem darauf, dass Auszahlungsansprüche verjährt seien.
Dieser Ansicht schloss sich das LG nicht an – es verurteilte die Bank zur Auszahlung des Wertpapierdepots mit einem Kontostand zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin. Offengelassen hat das LG allerdings die Frage, ob es nicht bereits ein Verstoß gegen Treu und Glauben darstelle, wenn die Bank selbst eine Pflichtverletzung dadurch begangen habe, dass sie die Tochter nicht über den Abschluss der Verträge zu ihren Gunsten informiert habe und sich dann in der Folge darauf berufe, dass die Tochter eben wegen der fehlenden Kenntnis über die Verträge die Forderung nicht geltend machen konnte. Die Tochter als Begünstigte aus den Verträgen habe jedenfalls einen Schadensersatzanspruch gegen die Bank wegen der Verletzung der Pflicht zur Weiterleitung des Schenkungsangebots erworben. Der Schadensersatzanspruch der Tochter ist aber gerade darauf gerichtet, dass diese so zu stellen ist, als wäre der erworbene Anspruch eben nicht mit dem Makel der Verjährung behaftet. Da dieser Schadensersatzanspruch selbst aber erst nach Ablauf von zehn Jahren nach dem Tod der Mutter und somit im Jahr 2015 entstanden ist, war zum Zeitpunkt der Geltendmachung die zehnjährige Verjährungshöchstfrist jedenfalls noch nicht abgelaufen.
Hinweis: Die Behauptung, dass eine Forderung verjährt ist, ist eine sogenannte Einrede, die aktiv geltend gemacht werden muss. Hier hätte das LG auch mit guten Argumenten die Einrede der Verjährung mit einem treuwidrigen Verhalten der Bank zurückweisen können.
Quelle: LG Flensburg, Urt. v. 16.07.2021 – 3 O 275/19
Selbstverständlich liegt es in der Natur der (menschlichen) Sache, dass Vorgesetzte innerhalb der Belegschaft nicht unbedingt zu den beliebtesten Kollegen zählen. Doch Beleidigungen müssen auch Vorgesetzte nicht hinnehmen. Wie schnell es zur Kündigung kommen kann, wenn zudem auch noch die Kundschaft mit herabwürdigenden Bezeichnungen zu rechnen hat, zeigt dieser Fall des Arbeitsgerichts Berlin (ArbG).
Es ging um eine Verkäuferin, die auch stellvertretendes Mitglied des Betriebsrats war und in einem bekannten Berliner Kaufhaus mit internationalem Publikum arbeitete. Die Verkäuferin hatte zu einer Kollegin gesagt: „Heute muss ich darauf achten, dass ich die ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der Ming-Vase.“ Als ihr Gegenüber diese Anspielung nicht verstand, zog sie ihre Augen mit den Fingern nach hinten, um eine asiatische Augenform zu imitieren. Die Arbeitgeberin hörte die Arbeitnehmerin dann zu dem Vorfall an, und diese gab an, dass sie das Imitieren der asiatischen Augenform vorgenommen habe, um das Wort „Schlitzauge“ zu vermeiden. Und bei „schwarzen Menschen/Kunden“ verwende sie den Begriff „Herr Boateng“, weil sie diesen toll finde. Als die Arbeitgeberin daraufhin die Kündigung aussprechen wollte, benötigte sie dazu jedoch zunächst die Zustimmung des Betriebsrats. Als dieser seine Zustimmung verweigerte, zog die Arbeitgeberin erfolgreich vor Gericht und ließ die Zustimmung ersetzen.
In der Gesamtbetrachtung lag auch in Augen des ArbG eine rassistische Äußerung vor – und damit auch die Pflichtverletzung zur Rücksichtnahme auf berechtigte Interessen des Kaufhauses als Arbeitgeberin. Die Vorgesetzte wurde herabgewürdigt. Außerdem war für es das Kaufhaus von internationalem Renommee nicht hinnehmbar, wenn eine Verkäuferin als Aushängeschild des Unternehmens im täglichen Kontakt mit internationalem Publikum dieses wahlweise als Ming-Vase, Herr Boateng oder mit sonstigen abwertenden Formulierungen bezeichne.
Hinweis: Stets hat der Arbeitgeber die gegenseitigen Interessen abzuwägen. Bei Weitem kommt zwar nicht immer eine Kündigung in Betracht – doch bei diskriminierenden und rassistischen Äußerungen ist in aller Regel nicht einmal eine Abmahnung erforderlich.
Quelle: ArbG Berlin, Beschl. v. 05.05.2021 – 55 BV 2053/21