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Schlagwort: Pflichtverletzung

Spontanheilung im Fitnessstudio: Bei vorgetäuschter Krankheit ist auch eine fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses möglich

Der „gelbe Schein“ wird 2022 nicht nur in Sachen Digitalisierung immer mehr der Vergangenheit angehören – er wird auch als geflügeltes Wort für ein Alibi bei Arbeitsunlust immer stärker ins Visier von Arbeitgebern und folglich auch von Gerichten genommen. Im Folgenden versuchte sich ein Auszubildener darin, sich mithilfe einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor einer unliebsamen Pflicht zu drücken, und landete vor dem Arbeitsgericht Siegburg (ArbG).

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Krank zur Arbeit: Arbeitgeber muss für Folgen des Fehlverhaltens seines Geschäftsführers haften

Dieser Fall ist Folge der Corona-Pandemie und der Verstöße gegen diesbezügliche Anordnungen. Dass eine mögliche Infektion Grund genug sein sollte, zu Hause zu bleiben, ist zwar nicht besonders neu. Interessant sind allerdings die Konsequenzen eines gegenteiligen Verhaltens – und die können auch Arbeitgeber teuer zu stehen kommen, wie der Fall des Landesarbeitsgerichts München (LAG) zeigt.

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Familienbezogene Spende: Nur bei nachgewiesenem elterlichen Missbrauch des Sparguthabens bekommt das Kind sein Geld zurück

Wenn Eltern oder Großeltern für minderjährige Kinder Sparbücher anlegen, stellt sich gelegentlich die Frage, wem das Geld gehört. Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) konnte anhand der folgenden – durchaus ungewöhnlichen – Konstellation mit hohen Geldbeträgen dazu Ausführungen machen, die auch für „Normalfälle“ gelten.

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Verjährungshöchstfrist nicht abgelaufen: Bank verschweigt 14 Jahre lang Guthaben der Erbin gegenüber

Eine Forderungsverjährung kann auch den Anspruch eines Erben schnell zunichtemachen. Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Bank sich auf die sogenannte Einrede der Verjährung gegenüber einem Miterben berufen kann, hat sich das Landgericht Flensburg (LG) beschäftigt.

Die Erblasserin war im März 2005 verstorben. Zu Lebzeiten hatte sie bei ihrer Bank Verträge über Wertpapierdepots abgeschlossen, in denen eine Tochter als Begünstigte geführt wurde, die Teil einer Erbengemeinschaft nach der verstorbenen Mutter geworden war. Für den Fall des Todes der Erblasserin war vereinbart, dass der Tochter das Guthaben als Begünstigte zustehen sollte. Der Bank wurde ein unwiderruflicher Auftrag erteilt, im Fall des Todes der Erblasserin dieses „Schenkungsangebot“ an die Tochter zu übermitteln. Eine solche Übermittlung erfolgte nach dem Tod der Erblasserin aber nicht. Erst im Jahr 2019 erhielt die Tochter Kenntnis davon, dass die verstorbene Mutter entsprechende Verträge zu ihren Gunsten bei der Bank abgeschlossen hatte, und forderte die Bank zur Zahlung auf. Die Bank berief sich unter anderem darauf, dass Auszahlungsansprüche verjährt seien.

Dieser Ansicht schloss sich das LG nicht an – es verurteilte die Bank zur Auszahlung des Wertpapierdepots mit einem Kontostand zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin. Offengelassen hat das LG allerdings die Frage, ob es nicht bereits ein Verstoß gegen Treu und Glauben darstelle, wenn die Bank selbst eine Pflichtverletzung dadurch begangen habe, dass sie die Tochter nicht über den Abschluss der Verträge zu ihren Gunsten informiert habe und sich dann in der Folge darauf berufe, dass die Tochter eben wegen der fehlenden Kenntnis über die Verträge die Forderung nicht geltend machen konnte. Die Tochter als Begünstigte aus den Verträgen habe jedenfalls einen Schadensersatzanspruch gegen die Bank wegen der Verletzung der Pflicht zur Weiterleitung des Schenkungsangebots erworben. Der Schadensersatzanspruch der Tochter ist aber gerade darauf gerichtet, dass diese so zu stellen ist, als wäre der erworbene Anspruch eben nicht mit dem Makel der Verjährung behaftet. Da dieser Schadensersatzanspruch selbst aber erst nach Ablauf von zehn Jahren nach dem Tod der Mutter und somit im Jahr 2015 entstanden ist, war zum Zeitpunkt der Geltendmachung die zehnjährige Verjährungshöchstfrist jedenfalls noch nicht abgelaufen.

Hinweis: Die Behauptung, dass eine Forderung verjährt ist, ist eine sogenannte Einrede, die aktiv geltend gemacht werden muss. Hier hätte das LG auch mit guten Argumenten die Einrede der Verjährung mit einem treuwidrigen Verhalten der Bank zurückweisen können.

Quelle: LG Flensburg, Urt. v. 16.07.2021 – 3 O 275/19

Rassistische Äußerungen: Wer Kollegen und Kunden im Kaufhaus mit internationalem Publikum rassistisch herabwürdigt, fliegt

Selbstverständlich liegt es in der Natur der (menschlichen) Sache, dass Vorgesetzte innerhalb der Belegschaft nicht unbedingt zu den beliebtesten Kollegen zählen. Doch Beleidigungen müssen auch Vorgesetzte nicht hinnehmen. Wie schnell es zur Kündigung kommen kann, wenn zudem auch noch die Kundschaft mit herabwürdigenden Bezeichnungen zu rechnen hat, zeigt dieser Fall des Arbeitsgerichts Berlin (ArbG).

Es ging um eine Verkäuferin, die auch stellvertretendes Mitglied des Betriebsrats war und in einem bekannten Berliner Kaufhaus mit internationalem Publikum arbeitete. Die Verkäuferin hatte zu einer Kollegin gesagt: „Heute muss ich darauf achten, dass ich die ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der Ming-Vase.“ Als ihr Gegenüber diese Anspielung nicht verstand, zog sie ihre Augen mit den Fingern nach hinten, um eine asiatische Augenform zu imitieren. Die Arbeitgeberin hörte die Arbeitnehmerin dann zu dem Vorfall an, und diese gab an, dass sie das Imitieren der asiatischen Augenform vorgenommen habe, um das Wort „Schlitzauge“ zu vermeiden. Und bei „schwarzen Menschen/Kunden“ verwende sie den Begriff „Herr Boateng“, weil sie diesen toll finde. Als die Arbeitgeberin daraufhin die Kündigung aussprechen wollte, benötigte sie dazu jedoch zunächst die Zustimmung des Betriebsrats. Als dieser seine Zustimmung verweigerte, zog die Arbeitgeberin erfolgreich vor Gericht und ließ die Zustimmung ersetzen.

In der Gesamtbetrachtung lag auch in Augen des ArbG eine rassistische Äußerung vor – und damit auch die Pflichtverletzung zur Rücksichtnahme auf berechtigte Interessen des Kaufhauses als Arbeitgeberin. Die Vorgesetzte wurde herabgewürdigt. Außerdem war für es das Kaufhaus von internationalem Renommee nicht hinnehmbar, wenn eine Verkäuferin als Aushängeschild des Unternehmens im täglichen Kontakt mit internationalem Publikum dieses wahlweise als Ming-Vase, Herr Boateng oder mit sonstigen abwertenden Formulierungen bezeichne.

Hinweis: Stets hat der Arbeitgeber die gegenseitigen Interessen abzuwägen. Bei Weitem kommt zwar nicht immer eine Kündigung in Betracht – doch bei diskriminierenden und rassistischen Äußerungen ist in aller Regel nicht einmal eine Abmahnung erforderlich.
 
Quelle: ArbG Berlin, Beschl. v. 05.05.2021 – 55 BV 2053/21

Thema: Arbeitsrecht

Vorgetäuschter Eigenbedarf: Maklerkosten des zu Unrecht gekündigten Mieters gehören nicht zu schadensersatzpflichtigem Aufwand

Wer einem Mieter zu Unrecht wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs kündigt, kann sich schadensersatzpflichtig machen. Ob infolge einer unrechtmäßigen Kündigung aber sämtliche Folgekosten erstattungspflichtig sind, musste im Fall von Maklergebühren der Bundesgerichtshof (BGH)  beantworten.

Ein Mieter hatte zunächst die Kündigung wegen Eigenbedarf und danach eine Räumungsklage erhalten. Während des laufenden Berufungsverfahrens erwarb der Mieter unter Einschaltung eines Maklers eine Eigentumswohnung in Berlin. Hierfür stellte ihm der Makler eine Provision über knapp 30.000 EUR in Rechnung. In der Berufungsinstanz schlossen Vermieter und Mieter sodann einen Räumungsvergleich, worin sich der Mieter zum Auszug verpflichtete. Im Nachhinein stellte sich jedoch heraus, dass der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hatte. Daraufhin wurde er von seinem ehemaligen Mieter auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Insbesondere wollte er die Maklerkosten erstattet erhalten.

Da war der BGH jedoch anderer Ansicht. Ein Mieter, der wegen einer Pflichtverletzung des Vermieters aus der Wohnung auszieht und keine neue Wohnung anmietet, sondern Wohnungs- oder Hauseigentum erwirbt, kann die zum Zweck des Eigentumserwerbs angefallenen Maklerkosten nicht als Schadensersatz vom Vermieter ersetzt verlangen. Der Schaden muss nämlich in einem inneren Zusammenhang mit dem sogenannten Gebrauchserhaltungsinteresse des Mieters stehen. Und Maklerkosten fallen nicht darunter.

Hinweis: Die Kündigung des Vermieters sollte stets rechtmäßig sein. Andernfalls drohen hohe Schadensersatzzahlungen. Lassen Sie eine solche Kündigung stets rechtzeitig von Ihrer Rechtsberatung prüfen – egal ob als gekündigter Mieter oder als kündigender Vermieter.

Quelle: BGH, Urt. v. 09.12.2020 – VIII ZR 238/18

Thema: Mietrecht

Fehlen des Arbeitnehmers: Auch bei erst frischem Arbeitsverhältnis sollte keine fristlose Kündigung ohne Abmahnung erfolgen

Jeder Arbeitgeber sollte sich daran halten, seinen Arbeitnehmern vor deren Kündigung eine ordentliche Abmahnung für ihr Fehlverhalten auszusprechen. Schließlich muss für eine fristlose Kündigung ein wichtiger Grund vorliegen. Diesen Grund selbst zu interpretieren, ohne sich zuvor arbeitsrechtlichen Rat einzuholen, kann ansonsten für ihn schlecht enden – so wie auch im folgenden Fall, den das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) zu entscheiden hatte.

Eine Arbeitnehmerin hatte am Ersten des Monats ein Arbeitsverhältnis begonnen. Als sie am Siebten und Achten des Monats nicht zur Arbeit erschien, erhielt sie eine fristlose Kündigung. Dagegen klagte sie. Der Arbeitgeber hielt die fristlose Kündigung jedoch für wirksam, da es sich aus seiner Sicht um ein „gescheitertes Arbeitsverhältnis“ handelte. Eine Abmahnung sei in seinen Augen offensichtlich entbehrlich gewesen.

Das LAG sah das jedoch anders und urteilte, dass die außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam war. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitnehmerin trotz einer fehlenden Kündigungsandrohung der Arbeit weiter unentschuldigt ferngeblieben wäre. Deshalb wäre zuvor eine Abmahnung erforderlich gewesen. Denn die Pflichtverletzung sei nicht derart schwerwiegend gewesen, dass die erforderliche Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre.

Hinweis: Nach dieser Entscheidung muss also der Arbeitgeber bei Fehlen eines Arbeitnehmers an einem einzigen Tag auch dann zunächst eine Abmahnung aussprechen, wenn das Arbeitsverhältnis erst wenige Tage bestanden hat.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 03.06.2020 – 1 Sa 72/20

Thema: Arbeitsrecht

Entlassung des Testamentsvollstreckers: Antragstellung eines Miterben ist berechtigt, auch wenn sein Erbanteil nicht direkt betroffen ist

Grundsätzlich kann ein Testamentsvollstrecker aus seinem Amt entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund hierfür vorliegt. Ein solcher wichtiger Grund kann in einer groben Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers liegen, aber auch in der Unfähigkeit zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Im folgenden Fall hat das Oberlandesgericht München (OLG) eine Kehrtwende zu seiner bisherigen Rechtsprechung eingelegt, was die Frage betrifft, wann welche Erben einen Antrag auf die Entlassung eines Testamentsvollstreckers stellen dürfen.

Zu einer solchen Antragstellung sind all diejenigen Personen berechtigt, deren Rechte und Pflichten durch die Testamentsvollstreckung unmittelbar betroffen sein können. In einer ungeteilten Erbengemeinschaft sind dabei grundsätzlich alle Erben. Somit können auch jene Erben, deren Erbteile nicht von der Testamentsvollstreckung beschränkt, aber trotzdem von dieser betroffen sind, einen Antrag auf Entlassung eines Testamentsvollstreckers stellen. Insoweit erstreckt sich das Antragsrecht eines Miterben, dessen Erbanteil einer Testamentsvollstreckung unterliegt, auch auf die Entlassung des Testamentsvollstreckers in Bezug auf einen anderen Erbteil, der ebenfalls von der Testamentsvollstreckung betroffen ist.

Die jüngste Entscheidung des OLG ist insoweit bemerkenswert, weil es seine bisherige gegenteilige Rechtsprechung in dieser Frage ausdrücklich aufgibt. Im Übrigen teilte das OLG dabei auch die Ansicht des Nachlassgerichts, dass der Testamentsvollstrecker dieses Falls aus seinem Amt zu entlassen war, weil ein wichtiger Grund hierfür vorlag. Hierfür reichte dem Gericht im Ergebnis bereits aus, dass der Testamentsvollstrecker hier das Vermögen der Erblasserin mit seinem eigenen Vermögen vermischt hatte – eine eindeutig grobe Pflichtverletzung.

Hinweis: Ein Miterbe kann einen Antrag auf Entlassung eines Testamentsvollstreckers nicht nur bezüglich seines eigenen Erbanteils, sondern auch bezüglich eines weiteren, ebenfalls von der Testamentsvollstreckung betroffenen Erbanteils einlegen.

Quelle: OLG München, Beschl. v. 09.07.2020 – 31 Wx 455/19

 Thema: Erbrecht

Tankstellenhaftung: Kein Schadensersatz bei durch Scheibenabzieher selbst zerkratzter Motorhaube

Tankstellenbetreiber müssen dafür Sorge tragen, dass ihre Serviceangebote keinerlei Schäden verursachen. Was in der Theorie so logisch klingt, birgt in der Praxis einige Tücken, wie im folgenden Fall des Landgerichts Coburg (LG), bei dem ein Autofahrer eine zerkratzte Motorhaube zu beklagen hatte.

Ein Mann wollte sein Auto in der Waschanlage einer Tankstelle reinigen lassen. Zuvor wollte er seinen Wagen noch von Vogelkot befreien und behalf sich dabei eines Scheibenabziehers, den der Tankstellenbetreiber für die Reinigung von Scheiben zur Verfügung stellte. Es kam, wie es kommen musste: Der Scheibenabzieher zog nicht nur den Vogelkot, sondern auch Lack von der Motorhaube. Ein 1.000 EUR teurer Umstand, den der Mann nicht zu akzeptieren bereit war, ebenso wenig wie das Urteil der Erstinstanz, keinen Anspruch auf Schadensersatz zu haben.

Doch wie bereits die Vorinstanz wies auch das LG die Klage ab. Danach trifft den Geschädigten ein so großes Mitverschulden, dass er im Ergebnis keinen Schadensersatz verlangen kann. Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich der Schwamm offensichtlich schon deutlich erkennbar aus der Metallschiene gelöst hatte, bevor der Geschädigte ihn benutzte. Der vom Gericht bestellte Sachverständige bestätigte zudem, dass der Geschädigte den Wischer in einem völlig unüblichen Winkel von 45° mit einigem Druck immer wieder über die Motorhaube gezogen haben muss. Wenn er den Schwamm – wie vorgesehen – flach über die Motorhaube geführt hätte, wäre es zu den Kratzern gar nicht erst gekommen. Auch die Behauptung des Geschädigten, der Schwamm sei anfangs noch intakt gewesen und habe sich erst beim Wischen völlig überraschend von der Metallschiene gelöst, überzeugte das LG nicht. Wenn schon nach seinem eigenen Vortrag der Wischer zunächst in einem optisch einwandfreien Zustand war und sich erst während der Benutzung durch den Kläger von der Metallschiene gelöst hatte, scheidet eine Pflichtverletzung des beklagten Tankstellenbetreibers erst recht aus.

Hinweis: Eine Haftung des Tankstellenbetreibers konnte sich nur aus einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ergeben. Im Rahmen dieser war der Betreiber aber nur verpflichtet, den Wischer regelmäßig zu kontrollieren, zu mehr als einer Sichtprüfung jedoch nicht.

Quelle: LG Coburg, Urt. v. 15.03.2019 – 33 S 70/18

Thema: Verkehrsrecht

50%ige Mithaftung: Die Bedienung eines Infotainmentsystems bei hoher Geschwindigkeit ist grob fahrlässig

Infotainmentsysteme sind äußerst dienlich. Dass man aber besonders bei hohen Geschwindigkeiten besser die Finger von den Bedienelementen lassen sollte, beweist der folgende Fall des Oberlandesgerichts Nürnberg (OLG).

Eine Autovermieterin hatte einen hochpreisigen und zudem getunten Flitzer vermietet. Zwischen ihr und dem Mieter war zwar eine Haftungsbeschränkung ohne Selbstbeteiligung für den Fall einer Beschädigung des Mietfahrzeugs vereinbart. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen war jedoch geregelt, dass der Vermieter berechtigt ist, den Mieter zumindest teilweise in Regress zu nehmen, sofern der Schaden am Mietfahrzeug grob fahrlässig herbeigeführt wurde – eine Klausel, die sich besonders für die Vermieterin als dienlich erweisen sollte.

Denn der Mieter befuhr schließlich in dem gemieteten PS-Boliden mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h die Autobahn auf der linken Spur, während er gleichzeitig das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bediente, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet er mit dem Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke, wodurch das Fahrzeug stark beschädigt wurde. Die Vermieterin nahm den Mieter folglich mit 50 % des entstandenen Unfallschadens in Regress, und das völlig zu Recht.

Das OLG gab der Klage statt, weil der Mieter grob fahrlässig gehandelt hatte. Die vereinbarte Haftungsfreistellung schließt die Haftung nicht aus, da diese für den Fall grob fahrlässigen Verhaltens in dem geltend gemachten Umfang nicht greift. Der Mieter hat die verkehrserforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, da er das Infotainmentsystem bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h bedient hatte. Dies beinhalte ein sehr hohes Gefahrenpotential, denn sowohl der Anhalteweg als auch die kinetische Energie sind bei einer Kollision gegenüber der allgemeinen Richtgeschwindigkeit von 130 km/h bereits mehr als verdoppelt. Schon minimale Fahrfehler können typischerweise zu schweren Unfällen führen. In Deutschland gilt die Autobahnrichtgeschwindigkeitsverordnung, die vorgibt, dass bei darüber liegenden Geschwindigkeiten die Unfallgefahren selbst unter Idealbedingungen so erheblich zunehmen, dass sie bei verantwortungsbewusster Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr nicht gefahren werden sollten. Ein Verkehrsteilnehmer, der sein Fahrzeug mit höherer Geschwindigkeit als 130 km/h führt, müsse daher in besonderer Weise seine volle Konzentration auf das Führen des Fahrzeugs richten. Je stärker die Richtgeschwindigkeit überschritten werde, desto höher seien die Anforderungen an die Konzentration des Fahrzeugführers.

Hinweis: Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt. Gemessen an diesem Grundsatz ist das Urteil zutreffend. Das Verhalten des Mieters stellt eine objektiv schwere und unentschuldbare Pflichtverletzung dar. Ein Autofahrer, der sich also bei hoher Geschwindigkeit ablenken lässt – etwa durch die Bedienung eines Infotainmentsystems -, handelt demnach grob fahrlässig, was zu einer Mithaftung von 50 % führen kann.

Quelle: OLG Nürnberg, Urt. v. 02.05.2019 – 13 U 1296/17

Thema: Verkehrsrecht